Sklavenjagd. Tomàs de Torres

Sklavenjagd - Tomàs de Torres


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fand einen Parkplatz in der Nähe ihrer Wohnung, in der Calle de Luchana im Stadtzentrum. Sie hoffte, dass die verbeulte Front des Kleinwagens hier, unter einer Legion von anderen, teils nicht weniger verbeulten Kleinwagen, nicht übermäßig auffiele. Endlich kam sie dazu, den Schaden zu untersuchen: Der Scheinwerfer war völlig geborsten, und Kühler und Motorhaube wiesen an der Stelle des Zusammenpralls eine tiefe Delle auf. Blutspuren waren keine zu sehen, wenigstens nicht mit bloßem Auge. Dolores versuchte gar nicht erst, die Motorhaube zu öffnen; sie war heilfroh, dass der Wagen überhaupt noch fuhr, und wollte alles vermeiden, was den Zustand des »Patienten« verschlimmern könnte.

      Das Viertel war charakterisiert durch hohe Häuser und enge Gassen. Dolores’ Wohnung in der vierten Etage bestand aus einer Wohnküche, deren Fenster in einen engen Lichtschacht führte, zwei kleinen Schlafzimmern, von denen Jorge eines mit Beschlag belegt hatte, sowie einem Bad, das immerhin Platz für eine Badewanne bot. Die Größe der Wohnung war Dolores’ Einkommen angemessen, doch in Augenblicken, in denen sie ehrlich gegenüber sich selbst war, musste sie sich eingestehen, dass sie beides – Job und Wohnung – liebend gern gegen etwas Besseres eintauschen würde, wenn sie nur eine Gelegenheit dazu bekäme.

      Und Jorge ebenfalls, wenn sie es recht bedachte.

      In Bezug auf den Unfall war sie während der Fahrt zu einem Entschluss gekommen: »Ich werde nichts sagen!«, hatte sie sich selbst mit fester Stimme verkündet, als sie die Autobahn verlassen hatte und in das Gewirr der Straßen der Provinzhauptstadt eingetaucht war.

      Und in Gedanken hatte sie hinzugefügt: Ich werde mich zu Hause und in meinem Büro verkriechen, wie ich es immer getan habe. Ich werde den Mund halten und hoffen, dass sich alles irgendwie auflöst – ebenfalls, wie ich es immer getan habe.

      Wie ein fernes Echo wehte die Stimme Jorges an ihr inneres Ohr.

       Du weißt ja gar nicht, was Leben heißt!

      Den ganzen Sonntag über hörte sie nichts von Jorge und war froh darüber. Am Montagmorgen fuhr sie als Erstes den Saxo auf dem kürzesten Weg in die Werkstatt. Arturo, der Mechaniker, besah sich den Schaden mit undurchdringlicher Miene. Erst als Dolores mit niedergeschlagenen Augen – denn sie wusste, dass sie keine gute Lügnerin war – berichtete, sie habe beim Rangieren einen Baum übersehen, zeigte er einen für ihn seltenen Anflug von Humor.

      »Na, da müssen Sie aber einen hübschen Zahn draufgehabt und beim Vorwärtsfahren angestrengt nach hinten gesehen haben«, grinste er. Aber er enthielt sich jedes weiteren Kommentars, auch als Dolores ihn bat, den Wagen nach der Reparatur gründlich zu waschen.

      »Es wird ein paar Tage dauern«, informierte er sie schließlich. »Ich muss einige Teile bestellen.« Dann nannte er den voraussichtlichen Preis; einen Betrag, der Dolores schlucken ließ. Ihr »Notgroschen-Sparbuch« würde eine unfreiwillige Abmagerungskur erleiden. Doch schließlich hatte sie keine andere Wahl, als zustimmend zu nicken.

      Sie ging zur nächsten Bushaltestelle, kaufte sich auf dem Weg eine Tageszeitung – »Málaga hoy« – und begann, noch während sie auf den Bus wartete, den Lokalteil zu lesen; eine Lektüre, die sie während der Fahrt zu ihrer Arbeitsstelle fortsetzte und die sie so in Bann schlug, dass sie fast das Aussteigen verpasste.

      Unter den Artikeln, die sie angespannt verschlang, war einer über einen Autofahrer, der im Streit um einen Parkplatz eine Frau angefahren hatte; der Rückspiegel des Wagens hatte Verletzungen verursacht, die die Frau für vier Wochen arbeitsunfähig gemacht hatten. Die Staatsanwaltschaft von Málaga forderte dafür neun Monate Haft.

      Wie lange, fragte sich Dolores erschrocken, werden sie wohl eine Frau einsperren, die einen Fußgänger auf einer Bergstraße angefahren, schwer – möglicherweise tödlich – verletzt und dann Fahrerflucht begangen hat?

      Doch sie fand keine noch so kleine Schlagzeile, die sich auf einen Unfall mit Personenschaden in der Nacht zum Samstag auf der Straße zwischen Almogía und Antequera hätte beziehen können.

      War dieser »Unfall« also tatsächlich vertuscht worden, wie es die Drohung, die der Polizist ihr gegenüber ausgestoßen hatte, nahelegte?

      Ihr blieb nichts als diese Hoffnung.

      Das Gebäude, in dem unter anderem das Büro der Exportfirma untergebracht war, in der Dolores als Buchhalterin arbeitete, lag im alten, noch nicht umgebauten Teil von »El Palo«, Málagas Hafenviertel. Auch diese Gegend war gekennzeichnet von mehrstöckigen, teils über hundert Jahre alten Häusern und engen Gassen, deren Grund die Sonne nur am Mittag und nur für kurze Zeit erhellte. Die Räumlichkeiten in den Häusern waren ebenso beengt. Als Dolores die Büros der Firma vor mehr als fünf Jahren, beinahe auf dem Höhepunkt ihrer Agoraphobie, zum ersten Mal betreten hatte, hatte sie sofort gewusst: Das ist es, hier will ich arbeiten! Und da sie als Berufsanfängerin mit zusätzlichem Handicap keine großen Gehaltsansprüche gestellt hatte, war sie mit Señor Juan Buitre Negro schnell einig geworden. Und zumindest Letzterer hatte niemals Grund gehabt, diese Entscheidung zu bedauern.

      Doch mittlerweile hatte sich Dolores’ Einstellung gewandelt. Zum einen war ihre Agoraphobie weitgehend überwunden – nun ja, dachte sie, während sie das Bürogebäude betrat, von gewissen Extremsituationen einmal abgesehen –, und zum anderen ödete sie ihre Arbeit mittlerweile an. Ganz abgesehen davon, dass Señor Buitre sich seit Jahren schlichtweg weigerte, ihr Gehalt zu erhöhen, und sie ausnutzte, wo immer es ging. Die Überstunden am Freitag waren ja kein Einzelfall gewesen.

      Überhaupt, stellte sie plötzlich fest, und die Erkenntnis ging einher mit einer Schockwelle hilfloser Wut, wäre das alles nicht passiert, wenn er mich am Nachmittag nach Hause hätte gehen lassen!

      Nein, es führte kein Weg mehr an dem Eingeständnis vorbei, dass sie ihre Arbeit hasste und sie lieber heute als morgen gegen eine interessantere und besser bezahlte eintauschen würde. Was jedoch in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation alles andere als einfach war. Es gab Augenblicke, in denen sich Dolores nach einem besseren Leben sehnte, einem anderen Leben, das in großen, lichten Räumen stattfand, mit einer interessanten Arbeit und ebenso interessanten und aufrichtigen Freunden.

      Wirklichen Freunden.

      Doch solchen Augenblicken folgte stets, mit der gnadenlosen Verlässlichkeit eines Uhrwerks, das Erschrecken über sich selbst, über die eigenen ungezügelten Gedanken, sowie die Einsicht, dass sie wohl niemals die Kraft und den Mut zu einem Bruch und einem völligen Neuanfang aufbringen würde.

      Der Vormittag verlief eintönig wie stets; zum Glück war wenigstens Señor Buitre geschäftlich außer Haus. Während der dank der Abwesenheit des Chefs deutlich verlängerten Kaffeepause sprachen ihre Kolleginnen über ihre Wochenendaktivitäten und – natürlich – über Männer. Dolores, die an diesem Montag viel zu erzählen gehabt hätte, saß währenddessen wie stets schweigend im Hintergrund und nippte an ihrem Tee.

      Die Mittagspause verbrachte sie, ebenfalls wie stets, in einem Bistro zwei Ecken weiter, das schnellen Service und niedrige Preise bot. Da sie später dran war als sonst, hatte es sich bereits zum größten Teil geleert, und so fiel ihr, während sie auf ihre bestellte Tomatensuppe mit Bauernbrot wartete, ein hagerer Mann mit einem eingefallenen Gesicht auf, das einem Totengräber alle Ehre gemacht hätte. Verstärkt wurde diese Assoziation durch einen tadellos sitzenden schwarzen Anzug, der nicht so recht in dieses Restaurant passen wollte, das fast ausschließlich von Angestellten und Arbeitern der umliegenden Firmen frequentiert wurde.

      Eine Kellnerin brachte das Essen und ein Glas Mineralwasser, und kaum hatte Dolores zum ersten Mal den Löffel in den Suppenteller gesenkt, fiel ein Schatten über sie. Verwirrt sah sie auf. Der Mann mit dem schwarzen Anzug und der Trauermiene stand vor ihr.

      »Sie gestatten? Ich nehme an, hier ist noch frei?«

      Hastig senkte sie ihren Kopf wieder und machte mit der Linken eine Bewegung, die das halbe Restaurant einschloss.

      »Alles – alles ist frei«, stotterte sie.

       Was will der Typ von mir?

      »Vielen Dank.« Der Fremde schien die Bedeutung


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