Tales of Beatnik Glory, Band I (Deutsche Edition). Ed Sanders

Tales of Beatnik Glory, Band I (Deutsche Edition) - Ed Sanders


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im Schutt und Dreck herum, bis sie ihn gefunden hatten. Und schon ging’s los. So schnell wie möglich trabten sie mit dem Karren rauf zur Kreuzung Dreiundzwanzigste und Siebte Avenue, wo sie den Laster bald entdeckt hatten. Er war auf der linken Straßenseite abgestellt und leer bis auf die Kiste mit dem Hongkong-Stempel. John brach das rückwärtige Fenster auf und öffnete die Tür.

      »Guck mal nach, ob vorn ein Werkzeugkasten steht.«

      »Yeah, hier liegt einer.«

      »Okay, dann reich mir mal ein Brecheisen rüber.«

      Sie brachen den Deckel der Kiste weit genug auf, um sich zu vergewissern, dass auch wirklich Gewehre drin waren, aber das Ding war so schwer, dass sie es keinen Zentimeter von Fleck brachten. John stand Schmiere und passte auf, dass die Heinis vom Thunder nicht plötzlich vor ihnen standen, während Paul den Deckel ganz löste und anfing, die ölverschmierten Waffen herauszuzerren.

      »Was machen wir jetzt bloß damit?«

      Zum Glück entdeckte John plötzlich einen Kanaldeckel direkt neben dem Anhänger. Er stemmte den Deckel hoch und sagte: »Los, rein damit! Wir schmeißen welche hier rein und karren den Rest runter zum Fluss, soviel wir schleppen können.«

      Paul reichte die Guns stapelweise hinunter zu John, der sie vorsichtig in den Schacht gleiten ließ. »Pass ja auf, dass sie nicht gespannt sind. Schließlich wollen wir nichts riskieren. Nachher erschrecken sich die Kanalarbeiter noch zu Tode und haben Angst, dass die Dinger vor ihrer Nase losgehen.«

      Als sie so viele im Schacht versteckt hatten, dass sie die Kiste bewegen konnten, hievten sie sie vom Lastwagen herunter und ließen sie auf ihren Karren fallen. Dann nagelten sie den Deckel wieder drauf und stürzten in panischer Flucht Richtung East Side. Sie rasten die Dreiundzwanzigste Straße entlang bis zur Avenue C, dann abwärts bis zur Vierzehnten, weiter zur Zehnten, bogen hier links ab und stießen in vollem Galopp auf die Avenue D. O je: genau vor ihnen lag der East Side Highway. Zzzzzzzzzzz! Schnarchende und besoffene Penner flogen vorbei. Sie packten die Kiste und wuchteten die Gewehre in Schweiß gebadet über die Fahrbahnen. Auf der anderen Seite des Highways setzten sie sie ab, sprinteten zurück zu ihrer Karre, trugen sie hinüber und luden die Kiste wieder auf. Dann begann eine verzweifelte Suche nach einem Eingang in den Park, der zwischen dem Highway und dem Fluss lag. Sie spurteten weiter Richtung Süden und fanden schließlich einen schmalen Pfad — hoppla — war bloß eine Sackgasse, die auf ein Handballfeld führte. »Wir hätten wirklich ’ne Taschenlampe einstecken sollen«, stöhnte Paul und versuchte die Karre zu stoppen, ehe sie mit voller Wucht gegen die Mauer krachte.

      Endlich fanden sie eine halb versteckte Öffnung, die auf ein Spielfeld zu führen schien. Und dahinter, nur ein paar hundert Meter weiter, wälzte sich der Fluss entlang. Vor Angst schwitzend schoben sie den Karren über das Mittelfeld in Richtung Zweite Avenue, Heimat, Unterschlupf und aha! — da war ja auch endlich ein Tor! Es führte zum Wasser. Bündelweise schleuderten sie die Gewehre in den stinkigen East River und brachen anschließend halb ohnmächtig auf dem Spielfeld zusammen. Erst nach einer geschlagenen Stunde konnten sie sich wieder einigermaßen bewegen.

      Wir sangen und schrien bis tief in die Nacht hinein, knallten uns zur Feier des Tages eine Wasserpfeife nach der anderen in den Kopf und triumphierten über die schwachsinnigen Schmuggler der Operation Thunder.

      Es dauerte noch gut ein Jahr, ehe die Total Assault Cantina endgültig dichtmachte. Die beiden Manager hatten einfach keine Lust mehr, sich dauernd mit irgendwelchen Scherereien herumzuschlagen. Paul hat die Stadt verlassen und lebt zurzeit in Arroya Aeternitas, New Mexico. Wenn man seinen Worten Glauben schenken darf, erwartet er in Kürze seine Wiedergeburt als Föhre.

      John ist immer noch voll dabei, wenn auch grenzenlos enttäuscht von der Tatsache, dass die Russen ihre Dichter ins Gefängnis stecken. »Ich weiß, ich würde es nie schaffen, in meiner eigenen Revolution zu überleben«, schrieb er mir vor ein paar Tagen.

      Ich selbst bin in den Keller gezogen, ein paar Jahre nachdem der Mafia das kleine Missgeschick mit dem Feuer passiert war. Ich stolperte sozusagen mitten rein. Zu der Zeit arbeitete ich grade aushilfsweise als Zeitungsreporter bei einem schnieken uptown-Nachrichtenmagazin — Stringer nennen sie solche Typen. Ich kassierte hundert Dollar für jeden Bericht, den ich ablieferte, und damals war das noch mehr als genug, um genügend Zeit zu haben, meinen »neuen Roman« fertig zu schreiben. Schließlich hatten die Kritiker mir in ihren Rezensionen ja mehr als einmal versichert, dass sie ganz wild darauf waren, ihn zu lesen. Na ja, jedenfalls war ich eines Nachts unterwegs und streunte in der Post-Hippie-Desaster-Gegend der Lower East Side herum — für eine dieser »Wo-sind-all-die-Blumen-hin«-Stories, ihr wisst schon. Tja, ich war also schon ganz schön wacklig auf den Beinen von meinen ausgiebigen Recherchen in der Pee Wee’s Bar und stolperte um zwei Uhr morgens die Avenue A entlang und auch an der alten Total Assault Cantina vorbei. John hatte mir erst kürzlich erzählt, dass im Keller immer noch ein paar Heuballen von dem Gras-Deal herumliegen müssten; also liftete ich die Metalldeckel, zündete ein Streichholz an und wankte die Treppe hinunter. Und das war’s dann auch schon. Nachdem ich erst mal die ganzen Wanzen und Ratten erledigt hatte, liebte ich diesen anheimelnden Keller gradezu. Ich beschwatzte den Vermieter, der mich für total übergeschnappt hielt und mir das Loch für neunundvierzig Dollar pro Monat überließ.

      Und ich wohne immer noch hier, möglicherweise sogar jetzt noch, wenn ihr die Story lest. Ich schreibe sie auf meiner uralten Schreibmaschine, die auf einem der vergangenheitsträchtigen Heuballen balanciert. Aber allmählich wird es Zeit für mein Abendessen. Und ich zieh los, drücke den scheppernden Eisendeckel auf und klettere hinaus auf die Straße. Dann geht’s rüber zur Pizzeria am St. Marks Place, und die Wühlerei in der Quelle aller Quellen beginnt: Es ist eine weiße Mülltonne aus Metall, mit einem runden Deckel obendrauf und einer glänzenden Aluminiumklappe. DRÜCKEN steht da drauf. Die Tonne steckt immer bis zum Rand voll mit vergammelten Resten von Pizzavierteln, die drüben in der Pizzeria in viereckige Fetzen Wachspapier eingeschlagen werden. Nicht zu vergessen ein gelegentlicher Schluck Traubensaft, der in einem zerquetschten Plastikbecher übriggeblieben ist.

      Im Allgemeinen ist es so, dass ich jeden Abend gegen sechs an der Pizza-Tonne zu Abend esse — falls es unter euch einen gibt, der früher auch in der Total Assault Cantina rumgehangen hat und vielleicht Lust drauf hat, mal vorbeizuschauen und in der Vergangenheit zu wühlen.

       CHESSMAN

      Er stellte das Radio an. Scheiße, die Nachrichten. Es war ein verbeultes Kofferradio, das er in einem leeren Schuhkarton aufbewahrte, und er brauchte sich gar keine Hoffnung zu machen, irgendwo auf den Frequenzen das zu finden, worauf er jetzt am meisten Bock hatte: ein bisschen Jazz nämlich oder ein paar Bläser.

       Caryl Chessman, der am 22. Mai 1948 in siebzehn von achtzehn Anklagepunkten überführt und der Entführung mit schwerer Körperverletzung, des Raubes, der Notzucht in zwei Fällen und des Autodiebstahls für schuldig befunden worden ist, wird am kommenden Montag um zehn Uhr morgens in der Gaskammer des San-Quentin-Zuchthauses in San Rafael, Kalifornien, ein paar Meilen nördlich von San Francisco, hingerichtet.

       Chessman ist unter dem Spitznamen Red Light Bandit bekannt geworden. Auf dunklen Landstraßen lauerte er im Umkreis von Los Angeles Liebespärchen auf, die er dann mit einem roten Scheinwerfer stoppte und überwältigte. Seine Opfer hielten ihn für eine Polizeistreife. In den zwölf Jahren, die er in der Todeszelle von San Quentin verbrachte, hat Chessman beharrlich seine Unschuld beteuert. Hier in San Quentin entstand auch sein Bestseller. Gouverneur Brown hatte kürzlich die Urteilsvollstreckung noch einmal um sechzig Tage ausgesetzt, um damit der Legislative von Kalifornien die Chance zu geben, ein Gesetz gegen die Todesstrafe zu erlassen. Diese Frist läuft jedoch in diesen Tagen ab, ohne dass ein neues Gesetz in Kraft getreten ist.

       Es sieht also ganz so aus, als ob Chessman am nächsten Montag tatsächlich eine Ladung Pfirsichduft in die Lunge geblasen kriegt ...

      Er stellte das Radio ab. Plötzlich setzten die Halluzinationen ein. Er phantasierte von Zyankalikugeln und Todesgas und kalte Schauer liefen ihm über den


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