Tales of Beatnik Glory, Band I (Deutsche Edition). Ed Sanders

Tales of Beatnik Glory, Band I (Deutsche Edition) - Ed Sanders


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zu veranstalten, und Karkenschul stolperte natürlich prompt über die entsprechenden Anzeigen in der Village Voice und hetzte seine Spezialisten los. Die machten den Managern verschiedene Auflagen und klärten sie darüber auf, dass sie erst mal ganz klein werden und sich um eine Konzession für Kleinkunst bewerben müssten, wenn sie die Absicht hätten, mit ihren Gedichten weiterzumachen. Derzeit existierte — und existiert wahrscheinlich heute noch — ein Gesetz in New York, das jegliche Unterhaltung in Lokalen auf drei Saiteninstrumente und ein Klavier beschränkte. Dichterlesungen waren verboten und Gesang ebenfalls. Für diese Fälle war die sogenannte Konzession für Kleinkunst erforderlich — ein bürokratischer Albtraum von Inspektoren, die man bestechen, Künstlern, die sich bei den Behörden anmelden und ständig ihre Identitätsmarken mit sich herumschleppen mussten, und so weiter und so weiter.

      Eine andere Sache, die die Behörde zur Weißglut brachte, war die Nachgiebigkeit des Total-Assault-Managements. Sie brachten es einfach nicht fertig, ihren Gästen zu verbieten, auf dem Fußboden zu übernachten, obwohl das den Vermieter langsam, aber sicher wahnsinnig machte. Mitten in der Nacht kamen die Bullen vorbei und leuchteten mit ihren Taschenlampen ins Frontfenster: Dann sah der vordere Raum aus wie eine Konservenbüchse voller Schlafsäcke. Dabei konnten die Typen sowieso höchstens sechs Stunden Schlaf rausschinden, denn morgens um zehn rückten John und Paul an und weckten alle wieder auf, weil sie saubermachen und ihre Brote in den Ofen schieben mussten, ehe der übliche Mittagsansturm auf die Suppe einsetzte.

      Das Total Assault war eigentlich mehr Gemeindezentrum als bloßes Restaurant. Hinter einem Streifen Gaze, der quer durch den vorderen Raum gespannt war, lag die Küche, komplett mit wackeligem Kühlschrank von der Heilsarmee, riesigem Backofen, selbst gebastelten Speisekammern aus Holzkisten und einer langen Theke aus lackiertem Kiefernholz. Die ganze linke Wand war mit Collagen, Bulletins, Flugblättern und ähnlichem übersät, und etwas weiter hinten, zum Hof zu, lag auch die Druckerei. Sie war mit wunderbaren schwarzen chinesischen Wandschirmen abgegrenzt, und nur Ptah allein konnte vielleicht Auskunft darüber geben, wie sie ausgerechnet hierher gekommen waren. Die andere Wand war von oben bis unten mit Bücherregalen bedeckt. »People’s Library« nannte John das, und ständig schleppten die Leute hier Bücher weg, ohne sie jemals wieder zurückzubringen. Mehrere Sofas vom Sperrmüll waren für die, die sich beim Essen gern ein bisschen langlegten, um einen großen Tisch gruppiert. Die Fußleisten waren fast überall mit Deckeln von Konservendosen vernagelt, um den Ratten die Löcher zu stopfen. Die auffallenderen Risse in der Wand hatten sie mit einer Mischung aus Brillo Pads und Gips zugeschmiert. Gleich neben dem Fenster, das nach vorn zur Straße hinausführte, stand ein Klavier mit einer sauber aufgeschichteten Pyramide aus Schlafsäcken obendrauf, die nachts für die Liegewiese verwendet wurden.

      Da die eine Wand ausschließlich für Flugblätter und Collagen reserviert war, klebten da am Ende des ersten Jahres von der Decke bis zur Fußleiste mindestens tausend Zettel, immer wieder neue über den alten. Übrigens bewahre ich in meinem Keller eine Kiste auf mit Postern und dem ganzen Zeugs, was da mal gehangen hat. Na, worauf wartet ihr denn noch, ihr Macker von der New York Graphic Society?

      Versammlungen, Versammlungen und nochmals Versammlungen — in der Total Assault Cantina müssen es mindestens hundert pro Monat gewesen sein. Jeden Abend pünktlich um sieben fand ein New York Times-Sneer-In statt. Wir wechselten uns der Reihe nach ab, Artikel, die an diesem Tag erschienen waren, vorzusingen oder laut zu deklamieren. Es war jedes Mal ein wildes Durcheinander von Geschrei, Gelächter und Wutausbrüchen. Über die zehn Topsprünge des Tages an der Börse machten wir uns besonders lustig. Und wenn die Aktien um ein paar Punkte fielen, erhob sich ein ohrenbetäubender Applaus. Manchmal, wenn sie mal wieder so richtig in den Keller gesackt waren, ging Paul hin und stellte ein Schild mit der erfreulichen Neuigkeit ins Frontfenster.

      Ich selbst stand vor allem auf die Bürgerversammlungen Dienstag abends. Das waren nämlich die reinsten Schreiwettbewerbe. Außerdem wurde hier so mancher grandiose Plan aus dem Nichts geschmiedet, zum Beispiel die Idee einer freien Klinik für Medizin und Zahnmedizin. Dieses Projekt existiert sogar heute noch, aber vieles andere war auch einfach nur Gelaber, bei dem Ende doch nichts rauskam. Jedenfalls hatte ich öfters Gelegenheit, meine Jodelkünste aufzufrischen, wenn die Debatten sich mal wieder endlos und langweilig dahinschleppten.

      Trotz des positiven, kommunistisch angehauchten Dharma-Karmas entwickelte sich die Kneipe zu einem finanziellen Desaster. Über der Kasse hing ein Schild mit der prophetischen Aufschrift: »Hier wird kein Profit gemacht!« Das meiste Geld ging für die Essensschnorrer drauf. Im Fenster stand eine Badewanne aus Porzellan, in der John und Paul jeden Tag einen riesigen Gemüsesalat anrichteten. Daneben eine Kanne Tee und ein Topf mit Suppe, alles gratis. Mit glasigen Augen kamen die Leute reingelatscht wie die reinsten Fressroboter und bedienten sich reichlich aus Salatwanne und Suppentopf. Danach erhob sich ein allgemeines Geschlürfe und Geschlabber. In Windeseile schlug sich jeder den Wanst voll und verschwand dann wieder, ohne auch nur einen Cent bezahlt zu haben. Es gab eben einfach zu viele, die Hunger hatten. Allerdings kamen auch Leute, die Kohle hatten und sich trotzdem für eine freie Mahlzeit anstellten. Sogar ich muss gestehen, die Total Assault Cantina um Berge von Reis und schüsselweise Suppe gelinkt zu haben, obwohl mir die Moneten in der Tasche klimperten. Zuerst hatten John und Paul versucht, Getränke- und Essensmarken an die Kunden auszugeben, aber sie wurden entweder völlig aufgeweicht auf den Tischen vergessen oder zum Wegwischen von Flecken benutzt. Jeden Tag backten die beiden frisches Brot. Und prompt fingen die Typen an, ganze Brotlaibe auf einmal zu klauen. Sie kamen reingeschlurft, bestellten sich einen Kaffee und waren plötzlich flink wie die Wiesel mit dem Brot unterm Arm zur Tür herausgehuscht — und das auf dem Nachhauseweg von ihrem Job.

      Eins der New Yorker Wochenmagazine brachte eines Tages in seiner Beilage eine Story über die Kneipe und nannte sie »einen duften Platz, wo man prima und umsonst essen kann«. Das hatte beinah ein Chaos zur Folge. Die Leute kamen bis aus New Jersey, nur um einmal in ihrem Leben eine Beatnikmahlzeit zu schnorren. Hunderte standen draußen auf dem Bürgersteig Schlange und drinnen war es kaum auszuhalten. Spätestens jetzt hätten John und Paul einen klaren Strich ziehen müssen — von mir aus jedem einen Teller Suppe geben, aber alles andere berechnen sollen. Es kam sogar so weit, dass die Leute in der Druckerei herumschnüffelten, und das brachte mich auf die Palme, weil wir grad versuchten, Wehrpässe und falsche Personalausweise für Wehrdienstverweigerer zu drucken. Um die Flut der Wochenendbeatniks einzudämmen, kamen wir auf die wahnwitzige Idee, eine Speisekarte mit so abschreckenden Spezialitäten wie »Augäpfel au gratin« oder »Froschärschchen am Spieß« zu drucken und zehn bis fünfzehn davon an die Frontfenster der Cantina zu kleistern. Dann füllten wir die Salatwanne bis zum Rand mit einem widerlichen Brei, der aussah, als stamme er mindestens vom Mars, warfen die abgehackten Köpfe von circa einem Dutzend unheimlich echt aussehenden Gummischlangen in die schleimige Suppe, würzten alles mit Puppenköpfen, Unkraut aus dem Park und ein paar Ratten und klebten obendrüber ein Schild mit der Aufschrift GRATIS.

      Ich führte die Druckerei, wo wir uns auf Protestaufrufe, Gedichtsammlungen, Wehrpässe, Personalausweise und Flugblätter spezialisiert hatten. Ich hatte alle Hände voll zu tun, und dann kamen die Typen von draußen rein und laberten mir stundenlang die Ohren voll. Am Schluss stand ich immer wie ein Zombie neben der Druckerpresse. Verrückte Macker mit unmöglichen Geschichten. Da waren zum Beispiel welche, die bestanden allen Ernstes darauf, dass ich sofort alles andere liegen ließ und erst mal ihren Gedichtband oder Aufsatz druckte. Oder auch sechs Jahre Tagebuch, wo sie von ihren Experimenten mit Trance-Tanz nach der Zen-Sufi-Methode berichteten, im arabischen Petra. Selbstverständlich erwarteten sie, dass ich die Papierkosten übernahm. Eines Tages kriegte ich Ärger mit einer von den ansässigen Straßengangs — ich glaube, sie nannten sich Visagenknacker oder so ähnlich, jedenfalls wurden sie echt sauer, als ich ihnen nicht meinen Werkzeugkasten aus der Druckerei borgen wollte, damit sie ihre Kanonen wieder auf Vordermann bringen konnten. Am nächsten Tag hatten wir ein eingeschlagenes Fenster.

      Natürlich war keine Kohle da, um es reparieren zu lassen, und erst recht keine Versicherung, also mussten wir uns wohl oder übel nach einer Lösung auf der Straße umsehen. Zu der Zeit steuerte die Szene grade in eine Art Drogenpanik. Die Junkies sanken sogar so tief, dass ihnen nichts Besseres mehr einfiel, als das Total Assault auszuräumen. Sie klauten fünfzehn


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