Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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ihnen Roy Tempest vermittelte, erwiesen sich oft genug als Sprung ins kalte Wasser. Die Soulmusiker, die er nach England holte, hatten oft den Höhepunkt ihrer Karriere längst überschritten. Zudem stellte Tempest den durchreisenden Künstlern seine eigene Wohnung als Hotel zur Verfügung und berechnete den Bandmitgliedern für die bescheidene Unterkunft sogar noch Miete. Zu seiner Geschäftsstrategie gehörte es, Bands zu engagieren, die eine bestimmte Erfolgsgruppe imitierten, und lediglich das Wörtchen „Original“ dem Bandnamen hinzuzufügen, um Schwierigkeiten mit dem Copyright zu vermeiden. Er holte beispielsweise eine Band, die wie die Drifters klang, und nannte sie „Original Drifters“, um zu vertuschen, dass die Sänger nicht das Geringste mit dem eigentlichen Hit-Ensemble zu tun hatten. „Tempests Doppelgänger waren faszinierend“, berichtet Elton, „und wie es uns je gelang, die Tourneepläne einzuhalten, weiß ich nicht mehr. Tempest kam später wegen dieser Geschichte mit den nachgemachten Bands aus den USA sogar in die Zeitung … ich erinnere mich an ‚James Brown Jr.‘ und ‚The Original Supremes‘, und wir spielten ein paar Mal als Backing-Band für ‚The Original Drifters‘. Richtig leid taten mir die Ink Spots, weil das Publikum erwartete, dass sie so ähnlich wie die Drifters sein würden. Als wir im Ritz und im Plaza in Birmingham auftraten, hatten sie drei Leute engagiert, die vorn an der Bühne standen und klatschten, um die Zuschauer zumindest ein bisschen in Fahrt zu bringen. Der Laden war voll, als sie auf die Bühne gingen, und leer, als sie ihren Auftritt beendeten. Das war wirklich schade, denn sie waren total nett. Sie fingen meist mit ‚Back In Your Own Yard‘ an, den Abschluss bildete ‚When The Saints Go Marchin’ In‘, und sie spielten auch Sachen wie ‚Whispering Grass‘. Aber selbst damals waren die Zuschauer im Twisted Wheel so hip, dass sie eine echte 78er-Schallplatte der Ink Spots ins Konzert mitbrachten, die sie irgendwo auf dem Dachboden aufgestöbert hatten, und sie auf den Schultern trugen. Das Wheel und das Mojo waren die angesagtesten Läden überhaupt.“(21)

      Die aufregendste Band, mit der Reggie und seine Mitmusiker damals spielten, war zweifellos Patti LaBelle & The Bluebelles. Die vier jungen Frauen – außer Patti selbst waren noch Sarah Dash, Nona Hendryx und Cindy Birdsong dabei – stammten aus dem Süden von New Jersey und aus Philadelphia und sangen seit 1962 zusammen. Ihr erster Hit hieß „I Sold My Heart To The Junkman“, später folgten eher am Mainstream-Geschmack ausgerichtete Standards wie „Danny Boy“, „You’ll Never Walk Alone“ und „Over The Rainbow“, das aus jenem Film stammte, der später Eltons Album Goodbye Yellow Brick Road stark beeinflussen sollte: Der Zauberer von Oz.

      Als Patti, Nona, Sara und Cindy 1966 durch England tourten, hatten sie eine Phase des Stillstands in ihrer Karriere erreicht. Selbst in den USA konnten sie nicht die Charthits verzeichnen, wie sie beispielsweise die Supremes oder Martha Reeves & The Vandellas vorlegten. Dennoch stand den Bluebelles der ganz große Erfolg noch bevor.

      1967 stieg Cindy aus, um Florence Ballard bei den Supremes zu ersetzen. Patti, Nona und Sarah blieben zusammen und benannten sich 1970 in LaBelle um. Eine Weile arbeiteten sie mit demselben Manager zusammen, der auch The Who betreute, Kit Lambert. Doch erst, als sie die Zügel ihrer Karriere in die Hände einer engagierten Managerin namens Vicki Wickham legten, ging es für sie wirklich voran. Anfang der Siebziger hatten sie mit „Lady Marmalade“ einen Riesenhit, und 1975, auf der Höhe ihres Ruhms, kamen sie wieder mit Reginald Dwight zusammen – der inzwischen längst Elton John hieß.

      Sarah Dash, Nona Hendryx, Cindy Birdsong und Patti LaBelle lernten Reg Dwight 1966 kennen, als sie ihre ausgedehnte Tour durch die Clubs und Diskotheken Großbritanniens begannen. „Unsere Band trafen wir in London“, berichtete Sarah. „Man hatte den Jungs die Musik schon vorab zugeschickt, aber aus irgendeinem Grund brachten wir damals Balladen und alles Mögliche, und bei ein paar Sachen waren sie sich nicht ganz sicher, wie sie die hinkriegen sollten. Wir sangen softe Songs wie ‚You’ll Never Walk Alone‘ oder ‚Groovy Kind Of Love‘, das damals ein großer Hit war.“(22)

      Auch an den 19-jährigen Reggie Dwight erinnerte sich Sarah: „Er war ein kleiner, rundlicher Kerl mit Brille. Er war einfach süß, immer guter Laune und ein ganz angenehmer Typ, der ja auch einige Jahre jünger war als wir. Er war noch ein Teenager, immer gut drauf und ein bisschen kindlich. Außerdem fand er es total aufregend, mit einer Band aus Amerika zusammenzuarbeiten. Damals hatte ich keine Ahnung, dass er ein so vielseitiger Songwriter war. Für mich war er der Typ in der Band, der den Sound zusammenhielt. Es gab ein paar Momente, in denen es nicht so gut lief, aber wir mussten ja durchhalten.“(23)

      LaBelle und Bluesology traten nicht nur in der britischen Hauptstadt auf, sondern reisten im Zickzack durch ganz Großbritannien. „Wir spielten in zahllosen Clubs im Norden, und das war wirklich harte Arbeit“, berichtete Dash. „Weil wir so lange in England waren, mieteten wir uns eine Wohnung. Das erste Mal blieben wir für drei Wochen, und wir mussten immer Shilling-Münzen in die Gasuhr werfen, damit die Heizung lief. Für uns war das ein ganz schöner Kulturschock. Später hatten wir dann allerdings ein wenig mehr Luxus auf Tour.“(24)

      Sarah, aber auch die anderen drei Bluebelles, freundeten sich eng mit Reggie Dwight an. „Wir trafen uns bei den Proben. Sie spielten ja für uns. Hinter der Bühne war es oft langeweilig, wenn wir in Orten wie Manchester festsaßen. Patti liebte damals Ingwerkekse, ebenso wie Elton, den wir damals noch Reggie nannten. Es gibt ein Foto von Patti und Elton, auf dem sie beide diese runden Ingwerkekse wie kleine Kreise im Mund haben. Elton war uns gegenüber immer sehr respektvoll. Es war eine schöne Zeit. Er war einfach ein rundlicher, aufgeweckter kleiner Bursche.“(25)

      Auf die Frage, wie es war, Bands wie Patti LaBelle & The Bluebelles zu begleiten, meinte Elton: „Hart. Ich meine, wir waren zunächst mal nicht die beste Band der Welt. Damals brachten LaBelle langsame Sachen wie ‚Over The Rainbow‘ und ‚Danny Boy‘; Sachen, die in den Clubs die völlig falsche Auswahl waren. Am besten kamen Songs wie ‚I Sold My Heart To The Junkman‘, ‚Groovy Kind Of Love‘ oder ‚All Or Nothing‘ an. … Seien wir ehrlich, wir waren eine sehr durchschnittliche Begleitband, und wenn man Patti LaBelle heute fragen würde, dann würde sie sicher ebenfalls sagen, dass Bluesology nicht die beste Truppe war, als sie zum ersten Mal nach England kam. Und sie hätte Recht!“(26)

      Dennoch hatte Patti nur lobende Worte für Elton übrig. „Zu Beginn der Tour taten wir uns mit der energiegeladenen englischen Band Bluesology zusammen, die damals viele amerikanische Künstler begleitete. Nach den Konzerten kamen sie oft mit zu uns, und wir betranken uns und spielten Karten. Der Pianist Reggie Dwight spielte Klavier wie kein anderer Weißer, den ich je gehört habe.“(27)

      Vor und nach den Konzerten saßen die Musiker gern beim Kartenspiel zusammen. Patti spielte am liebsten Tonk, eine Abart von Rommé, für das man ein Standarddeck von 52 Karten benötigt. „Reggie dachte aus irgendeinem Grund, er sei mit den Karten genauso gut wie am Klavier“, berichtete Patti amüsiert. „Er gab nicht auf, bis ich das ganze Bisschen Geld gewonnen hatte, das er besaß. ‚Komm schon, Patti‘, sagte er immer mit seinem süßen britischen Akzent. ‚Noch eine Runde Tonk, und dann gewinne ich meine ganzen Scheine zurück.‘ Dabei hat er nie etwas gewonnen außer meiner Sympathie. Ich hätte ihn mit leeren Taschen nach Hause gehen lassen können, aber ich ließ nie zu, dass er hungern musste. Wenn ich sein ganzes Geld gewonnen hatte, kochte ich Reg das größte, schärfste Abendessen, das er je gegessen hatte. Anschließend saßen wir zusammen und unterhielten uns – über Musik, die USA, über seine Träume.“(28)

      Einige Monate später gingen Patti LaBelle & The Bluebelles erneut auf Großbritannien-Tournee, und wieder waren Bluesology mit Reg Dwight ihre Begleitband. „Als wir zurückkamen, spielte er nicht mehr mit denselben Leuten, sondern hatte sich eine neue Besetzung gesucht“, sagte Sarah Dash.(29) Bluesology war im stetigen Wandel begriffen, und eine Weile sah es so aus, als ob Reggie das einzige Element war, das die Band zusammenhielt.

      Die dritte und letzte Bluesology-Phase wurde durch einen rockenden Bluesmusiker eingeläutet, der sich Long John Baldry nannte. Er hatte sehr großen Einfluss auf die Entwicklung, die aus Reg Dwight schließlich Elton John werden ließ. Baldry vermittelte Reg neue musikalische Erfahrungen, und er war der erste, der ihm in die Augen sah und rundheraus erklärte, er werde nie viel Glück bei Frauen haben – weil er schwul sei.

      Die Karriere von Long John Baldry verlief in vielen Phasen ähnlich


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