Elton John. Mark Bego
ich jedoch nicht zum Vorschein bringen konnte. Dabei war das normalerweise meine große Stärke, die Talente der Kinder, die ich unterrichtete, zu erkennen und zu fördern. Aber bei Reggie gelang mir das nicht, weil ich schlicht die falsche Musik anbot.“(1)
Piena erinnert sich auch daran, wie Reginald ihr davon erzählte, dass er seine Schulausbildung komplett abbrechen wollte, um seine Popmusikträume zu verfolgen, und wie sie versuchte, ihm das auszureden. „Ich sah ihn immer an, wie er da auf dem Hocker neben mir saß“, berichtete sie, „und ich versuchte eine Dreiviertelstunde lang, ihn dazu zu überreden, zur Universität zu gehen. Aber er sagte immer: ‚Nein, aus meiner Familie hat niemand studiert, das mache ich auch nicht.‘ Leider konnte ich ihn nicht überzeugen.“(2) Es dauerte nicht lange, bis er den Musikunterricht aufgab.
Obwohl er die samstäglichen Stunden an der Academy offenkundig langweilig fand, räumte er später ein: „Ich bin sehr froh, dass ich eine klassische Musikausbildung bekam, weil man dabei die verschiedensten Arten von Musik zu schätzen lernt. Es hilft einem auch beim Songwriting, weil man als Pianist in der Regel mehr Akkorde verwendet, als wenn man auf der Gitarre komponiert. Bei mir hatte das viel mit meinem Klavierspiel zu tun, meiner Liebe für Chopin und Bach und mit meiner Begeisterung für das Singen im Chor. Meine Songs sind bestimmt stärker klassisch geprägt als die Titel von Künstlern, denen diese Musikausbildung fehlt, und dafür bin ich dankbar.“(3) Tatsächlich bekam Reggie an der Royal Academy Of Music den musikalischen Schliff, der ihm später als Komponist sehr zugute kam. Nicht nur er profitierte davon: Zwei seiner späteren Mitstreiter, der Orchesterarrangeur Paul Buckmaster und der Produzent Chris Thomas, wurden ebenfalls an der Royal Academy ausgebildet.
Reggies Engagement im Northwood Hills Hotel erwies sich vor allem gegen Ende der zwei Jahre als recht nützlich, um Bluesology weiter voranzubringen. Er legte so viel Geld wie möglich beiseite, um sich irgendwann einen eigenen Verstärker für zusätzliche Clubauftritte leisten zu können, und er konnte gelegentlich auch die Bühne der Bar benutzen, um mit Bluesology zu proben.
Bei der Namensfindung hatte sich die vierköpfige Band von dem belgischen Jazzgitarristen Django Reinhardt und seinem musikalischen Meisterwerk „Djangology“ inspirieren lassen. Da Reggie und seine Freunde nun einmal Blues spielten, schien „Bluesology“ ideal, um schon mit dem Namen einen Hinweis auf ihren Sound zu geben. Zur Besetzung gehörten anfangs Rex Bishop am Bass, Stuart A. Brown an der Gitarre, Mike Inkpen am Schlagzeug und Reginald Dwight an den Keyboards. Wenig später beschloss die Band, zusätzlich noch einen Saxophonisten, Dave Murphy, hinzu zu holen.
Zunächst waren Bluesology nichts weiter als eine ordentliche Pub- und Bar-Band. Sie spielten überall, wo man sie auf die Bühne ließ. Elton erinnerte sich: „Wir spielten in Pfadfinderhütten und bei Tanzveranstaltungen von Jugendclubs – mit einem Zehn-Watt-Verstärker und akustischem Klavier. Aber wir spielten immer die falschen Sachen. Bluesology kamen entweder zwei Monate zu spät oder waren drei Jahre zu früh dran. Wir sprachen ein Minderheitenpublikum an und dachten, wir wären unheimlich hip, weil wir Songs von Jimmy Witherspoon spielten.“(4) Für Reggie und seine Bandkollegen galt es als Zeichen größter Coolness, das Material von Musikern wie Witherspoon zu covern, einem schwarzen Bluesmusiker aus Alabama, der mit Songs wie „Ain’t Nobody’s Business“, „Big Fine Girl“, „No Rollin’ Blues“ und „Times Getting Tougher Than Tough“ bekannt geworden war.
1965 ergab sich schließlich die große Chance für den siebzehnjährigen Reginald Dwight. Über seinen fußballspielenden Cousin Roy Dwight, der nach Stanleys Scheidung weiterhin mit Sheila und Reggie in Kontakt geblieben war, kam die Verbindung zu einem Musikverlag zustande, aus dem sich tatsächlich ein Job entwickeln sollte. Über einen Fußballkollegen war Roy mit Pat Sherlock bekannt, der bei dem Verlag Mills Music arbeitete, und Pat erklärte sich schließlich bereit, sich Roys kleinen Cousin einmal anzusehen.
„Ich sehe ihn noch vor mir, wie er in meinem Büro saß“, erinnerte sich Sherlock, und ich dachte: ,Für einen Pianisten hat er aber kleine Hände.‘ Er hatte die Angewohnheit, sich immer wieder nervös die Brille auf der Nase hochzuschieben, und so einen lustigen, schmollenden Gesichtsausdruck.“(5)
Reginald war bei dem Vorstellungsgespräch so engagiert, dass Sherlock ihm sofort einen Job als Bürogehilfe bei Mills Music anbot, zum fürstlichen Lohn von fünf Pfund die Woche. Reggie fällte die wichtigste Entscheidung seines jungen Lebens: Er war bereit, für diesen schlecht bezahlten Posten bei einem Musikverlag im West End die Schule abzubrechen.
Das führte zu großen Spannungen innerhalb der Familie. Stanley war entsetzt von der Vorstellung, dass sein Sohn alles hinwerfen wollte, und das nur wenige Monate vor seinem Abschluss. Aber Reggie hatte sich entschieden. Später erzählte Elton einmal: „Ich habe immer noch einen Brief von meinem Vater, in dem es heißt: ‚Er muss diesen ganzen Pop-Quatsch aus dem Kopf bekommen, sonst kommt er noch auf die schiefe Bahn, und er sollte sich einen vernünftigen Job bei der BEA oder Barclays Bank suchen.‘ Ich habe mich wirklich einmal bei der BEA beworben. Aber meine Mutter hat nie versucht, mir die Musik auszureden.“(6)
Reginald Kenneth Dwight ließ sich von den Ansichten seines Vaters nicht beirren. Am 5. März 1965 besuchte er zum letzten Mal den Unterricht an der Pinner Grammar School, und er bereute seinen Ausstieg nie. Wenn er wirklich ernsthaft Karriere im Musikgeschäft machen wollte, dann würde er eine bessere Ausgangsbasis haben, wenn er für einen anerkannten Musikverlag arbeitete.
Als Reggie seinem Geschichtslehrer von seinen Plänen erzählte, gab ihm Bill Johnson einen guten Rat: „Ich sagte ihm, wenn er es mit dem Musikgeschäft versuchen wollte, dann sei das vermutlich der vernünftigste Weg. ‚Wenn du vierzig bist‘, erklärte ich, ‚dann bist du entweder ein wirklich erfahrener Bürogehilfe – oder aber Millionär.“(7) Johnson sollte Recht behalten – für Reggie wurde die zweite Möglichkeit wahr.
Bei Mills Music handelte es sich um den Londoner Zweig eines amerikanischen Musikverlags, der unter anderem die Songs von Legenden wie Fats Waller, Leroy Anderson und Duke Ellington verlegte; die Londoner Tochter hatte einige Hits für den britischen Popsänger Cliff Richard verzeichnen können und Klavierstücke von Russ Conway herausgebracht.
Reggie arbeitete im hinteren Teil des Büros, das sich in einem Lagerhaus am Denmark Place befand. Der damalige Geschäftsführer hieß Cyril Gee; er erinnerte sich später, als man ihn nach dem jungen Reginald Dwight fragte, an „einen moppeligen Jungen“, der ihn stets mit „Sir“ ansprach, und er fügte hinzu: „Eines Tages kam er zu mir und fragte, ob er in der Mittagspause auf einem der Klaviere des Arrangeurs spielen dürfte.“(8)
Es war sicherlich nicht der aufregendste Job der Welt, aber Reggie arbeitete im Musikgeschäft und hatte das Gefühl, ein Profi in der Unterhaltungsindustrie zu sein. Er war der „Teekocher“, denn es gehörte zu seinen Aufgaben, die gesamte Belegschaft mit Tee zu versorgen. „Außerdem musste ich die Pakete zum Postamt bringen, das etwa eineinhalb Kilometer entfernt lag“, sagte er. „Ich arbeitete in der Packstation, packte alles ein und brachte die Sendungen dann mit einer Karre zur Post auf dem Kingsway in der Nähe des Oasis-Bads. Außerdem musste ich Joe Loss Nachrichten überbringen, das fand ich immer wirklich aufregend. Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, dann hat mir die Arbeit dort wirklich viel Spaß gemacht. Die Leute waren nett, und wir haben uns immer gut amüsiert.“(9)
Als Botenjunge oder „Teekocher“ stieg man auf der untersten Ebene der Londoner Musikverleger ins Geschäft ein. Reggie freundete sich in dieser Zeit mit einem Jungen namens Caleb Quaye an, der damals als Bürogehilfe für den Musikalienhandel Paxton’s in der Old Compton Street arbeitete. Er kam jeden Tag zu Mills Music und lieferte Bestellungen ab; in den nächsten zehn Jahren sollte Caleb bei den verschiedenen musikalischen Unternehmungen Elton Johns eine große Rolle spielen.
Eine Weile lief Reggies Engagement im Northwood Hills Hotel weiter, während er gleichzeitig bereits mit seiner Band Bluesology probte. Es fiel ihm nicht leicht, eine feste Einkommensquelle aufzugeben, aber schon bald wurde es unumgänglich, seine ganze Zeit und Energie in Mills Music und Bluesology zu stecken.
Reggie trat noch eine Weile weiter in der Bar auf, vor allem, um Geld für besseres Equipment zusammenzubekommen. Georgie Fame hatte gerade mit dem Song „Yeh Yeh“ einen großen Hit