Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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„entdeckte“ sowohl Rod Stewart als auch Elton John und sah sie beide dann einen Starstatus erlangen, der seinen eigenen Ruhm bei weitem überragte. Doch sie beide boten Baldry, als sie selbst zu Superstars aufgestiegen waren, ihre Unterstützung an und übernahmen die Koproduktion der beiden berühmtesten Alben seiner ganzen Karriere.

      Seinen Spitznamen hatte der „lange“ John Baldry wegen seiner Größe von lichten zwei Metern bekommen, und er war überall, wo er erschien, eine imposante, gediegene Erscheinung. Der große Junge mit der klangvollen Stimme, der am 12. Januar 1941 zur Welt gekommen war, hatte zunächst im Kirchenchor gesungen, bevor er im Alter von zwölf Jahren den Blues entdeckte. Er liebte vor allem die Songs schwarzer Bluesmusiker wie Muddy Waters, Willie Dixon und Huddie „Leadbelly“ Ledbetter, die dafür sorgten, dass sich seine musikalischen Interessen grundlegend wandelten. Mit 15 stand Baldry das erste Mal in der Acton Town Hall auf der Bühne eines Clubs. Später beherrschte er auch die 12-saitige Akustikgitarre hervorragend und ging mit der Folk-Ikone Ramblin’ Jack Elliott auf Europa-Tournee.

      In London trat er häufig mit dem Gitarristen Davy Graham auf, und gemeinsam mit Cyril Davies und Alexis Korner wurde Baldry bald zu einem der führenden Musiker im berühmten Folkclub The Roundhouse in der Wardour Street. In den frühen Sechzigerjahren zog Baldry nach Dänemark, kehrte dann aber nach London zurück und machte sich einen guten Namen in der Clubszene, wo er mit seiner Art, Bluesgitarre zu spielen, Musiker wie Eric Clapton und Spencer Davis beeindruckte.

      Elton John kannte Baldry von seiner Musik und von der Bühne her. „Er war ein phantastischer Bluesgitarrist, insbesondere, wenn er ganz allein Sachen von Leadbelly brachte. Er war einfach überragend. Er war ein Pionier der britischen Bluesmusik und ganz weit vorne. Ohne John hätte es gar keine Bluesszene gegeben. Er war auf einer Höhe mit Alexis Korner und Cyril Davies. Und er trug immer schicke Anzüge und Krawatten und war ein unglaublich großer, imposanter Mann mit einem phantastischen Gespür für Mode.“(30)

      In London gab es damals eine Szene, in der sich alle Musiker, die in den Siebzigern Furore machen sollten, über den Weg liefen. Dabei spielte das Hotel auf Eel Pie Island im Londoner Bezirk Richmond, das viele Konzerte veranstaltete, eine besondere Rolle. Baldry trat dort oft als Headliner auf und traf dabei auch alle anderen Künstler, die sich damals bemühten, ein Publikum für ihre Art von Blues, Rock oder Jazz zu finden, darunter auch die Rolling Stones.

      Die Themse-Insel Eel Pie Island hatte ihren Namen erhalten, weil einst König Heinrich VIII. dort gern Aalpastete gegessen hatte. Etwa vierhundert Jahre später wurde sie zur Keimzelle einer ganz neuen Art britischer Popmusik. Der ehemalige Rolling Stones-Bassist Bill Wyman erinnerte sich: „Es gab dort einen tollen Rockclub. Wir spielten immer im Eel Pie Island Hotel. Früher war es einmal ein Jazz Club gewesen, aber das war, bevor wir dort anfingen. Es waren die Rolling Stones, die den Rock’n’Roll auf diese Insel brachten!“(31)

      Am 7. Januar 1964 spielte Long John Baldry mit seiner damaligen Band, Cyril Davies’ R&B Allstars, im Eel Pie Island Hotel. Cyril war in der Nacht zuvor überraschend gestorben, und der ehemals zweite Sänger der Gruppe, Baldry, übernahm nun die Leadstimme. Auf dem Heimweg hörte Baldry auf dem Bahnsteig, wie ein junger Mann laut Bluessongs grölte, und er war sofort beeindruckt.

      „Roderick David Stewart traf ich ungefähr zehn Minuten vor Mitternacht auf dem Bahnsteig der Twickenham Southern Railway Station, auf dem die Züge Richtung London abfahren“, erinnerte sich Baldry. „Es war eine kalte, feuchte, neblige Nacht, und der Bahnhof war damals noch ganz im viktorianischen Stil gehalten und von Gaslampen beleuchtet. Der Bahnsteig war leer, die dicke Nebelsuppe dämpfte alle Geräusche, und es war die perfekte Szenerie für einen Gruselfilm. Dann plötzlich drang durch den Nebel eine Mundharmonika an mein Ohr. Es war das Riff von Howlin’ Wolfs ‚Smokestack Lightning‘ und es war echter, unverfälschter Blues!“(32)

      Als die beiden ins Gespräch kamen, zeigte sich, dass der junge Mann mit der Mundharmonika eine sehr gute Stimme hatte, und so lud Baldry ihn ein, am darauf folgenden Freitag in sein Konzert und zu ihm auf die Bühne zu kommen. Stewart berichtete: „Wenn ich den Abend auf Eel Pie Island verbracht hatte, war ich meist sturzbesoffen, aber ich erinnere mich, dass dieser Typ verdammt groß war, und deswegen ging ich auf seine Idee ein. Am nächsten Morgen, als ich wieder nüchtern war, fragte ich mich allerdings dann doch: ‚Ach du lieber Gott, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?‘“(33)

      Rod und Long John wurden enge Freunde, und es dauerte nicht lange, da sang Rod Stewart in Baldrys Band. Obwohl es viele Theo­rien darüber gibt, wie eng diese Freundschaft wirklich war, betonte Rod später, dass er und Long John nie miteinander ins Bett gingen, sondern sich wirklich nur platonisch sehr mochten.

      Der Schallplattenproduzent Jimmy Horowitz meinte dazu: „Ich kenne Rod recht gut, und ich kannte auch Long John sehr gut, und ich bin mir sicher, dass es zwischen den beiden nie etwas gab. Rod ist ziemlich hetero und zog immer mit langbeinigen Blondinen herum. Er ist sich seiner Heterosexualität so sicher, dass er solche Gerüchte einfach nur ziemlich lustig findet. Es wurde immer viel darüber geredet, aber das war kompletter Blödsinn.“(34)

      Rod erinnerte sich belustigt: „John nannte mich auf seine schwule Tour gerne Phyllis. Später verpasste er Elton den Namen Sharon. Paul Jones [aus Manfred Manns Band] bekam den Spitznamen Pimply Pearl, weil er so furchtbar schlechte Haut hatte. Das war alles Johns Idee. Er war der große Boss.“(35)

      Baldry versuchte den großen Durchbruch mit einer Reihe von Bands. Sein nächstes Projekt nannte er The Hoochie Coochie Men; hier teilte er sich den Leadgesang mit Rod. Dann stießen Brian Auger und Julie Driscoll dazu, und sie nannten die Band Steampacket. Als auch Steampacket nicht den Sprung in den Mainstream schaffte, löste Baldry die Gruppe auf und suchte sich neue Mitstreiter.

      Eines Abends erschien er im Cromwellian Club, und dort stand eine Band auf der Bühne, die sich Bluesology nannte und bei der ein strebsam wirkender Musiker namens Reginald Dwight am E-Piano saß. Reggie und seine Kollegen kannten Baldry zumindest vom Sehen, so wie man sich in der Londoner Clubszene eben kannte. Und ehe man sich versah, heuerte Baldry Bluesology als seine neue Begleitband an.

      Elton John erinnerte sich an den schicksalhaften Abend: „John Baldry tauchte auf und fragte: ‚Hättest du nicht Lust, bei mir einzusteigen?‘ Und ich erwiderte: ‚Na, zumindest ist es ein Schritt in die richtige Richtung.‘ Ein Jahr spielten wir mit John, und am Anfang hatten wir ziemlich viel Soul im Programm. Unser Sänger Stuart A. Brown, Marsha Hunt, noch ein Sänger namens Alan Walker und Baldry selbst übernahmen den Gesang.“(36)

      Bluesology waren damals gerade wieder nach London zurückgekehrt, nachdem sie zuvor ein Konzert in Schweden gegeben hatten. „Nach unserer Rückkehr aus Stockholm taten wir uns mit Long John Baldry zusammen“, berichtete Elton. „Baldry hatte seit der Auflösung von Steampacket nichts mehr gemacht, und als er uns eines Abends im Cromwellian sah, bot er uns einen Job als Begleitband an. Er wollte wohl wieder etwas Ähnliches wie Steampacket auf die Beine stellen, mit Stuart A. Brown, Alan Walker und Marsha Hunt. Sie sang im alten Studio 51 Club vor und brachte eine A-capella-Version von ‚Love Is A Many Splendored Thing‘ – und sie war ziemlich übel. Baldry aber sagte: ‚Großartig, meine Liebe, du bist dabei.‘“(37)

      Weshalb Baldry sie einstellte, obwohl sie beim Vorsingen nicht überzeugt hatte, war für Elton klar: „Sie sah gut aus, und Marsha ist auf den ersten Blick eine beeindruckende Person. Sie war hübsch, und Baldry reichte es, dass sie schwarz war und einigermaßen singen konnte. Das war’s, was er wollte: Ein schwarzes Mädel, zwei Jungs und er selbst am Mikrofon.“(38)

      Natürlich stellt sich die Frage, weshalb Reggie Dwight, der ja immerhin auf der A-Seite der ersten Bluesology-Single selbst gesungen hatte, nicht ebenfalls in die erste Reihe drängte. „Ich wollte nicht der Leadsänger sein“, behauptete Elton allerdings. „Ich wollte die Backing-Vocals machen, die ‚Ooohs‘ und ‚Aaahs‘. Aber ich durfte nicht mal das. Als wir mit Baldry loslegten, gab es vier Leadsänger, von daher bestand absolut kein Bedarf an weiteren Stimmen.“(39)

      Reggie mochte und bewunderte John Baldry, und die beiden blieben Freunde, solange Long John lebte. Es war damals nur dem innersten Freundeskreis des Bluesgitarristen bekannt, dass er homosexuell war. Eric Clapton erklärte: „Er war sehr elegant


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