Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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Verlag von Dick James hatte ebenfalls eine interessante Geschichte. James war 1920 als Isaac Vapnick geboren worden, änderte jedoch bald seinen Namen und wurde Schnulzensänger. 1956 hatte er in England einen recht großen Hit mit der Titelmelodie der Fernsehserie The Adventures Of Robin Hood. Mit dem Wissen, das er als Sänger über das Musikgeschäft erworben hatte, gründete er einen erfolgreichen Musikverlag, den er Dick James Music (DJM) nannte.

      1963 war der Schallplattenproduzent George Martin verzweifelt auf der Suche nach einem Verleger, der sich um die Songs der aufstrebenden jungen Band kümmern wollte, die Martin vertrat. Die damals noch unbekannte Gruppe nannte sich The Beatles. Beinahe jeder Verleger rund um die Londoner Denmark Street hatte schon abgelehnt, als Martin in der New Oxford Street 71–75 vorstellig wurde. Dass Dick James die Werke der Beatles unter dem Namen Northern Songs verlegte, war einer der größten Treffer seiner ganzen Karriere. Als die vier Liverpooler ein Jahr später zur heißesten Nummer im ganzen Musikgeschäft wurden – und es bis zum Ende der Sechziger bleiben sollten –, verdiente sich Dick James eine goldene Nase.

      Nachdem er die Beatles für sein Unternehmen verpflichtet hatte, ging er auf die Suche nach potenziellen neuen Songwriter-Legenden aus dem Rockbereich, die es vielleicht ähnlich weit bringen würden. So kümmerte er sich beispielsweise auch um die Hollies, für deren Songs er einen eigenen Subverlag gründete. Aus den Vornamen der drei wichtigsten Bandmitglieder – Graham Nash, Allan Clarke und Tony Hicks – bastelte er den Verlagsnamen Gralto, und dies war der Firmenzweig, bei dem Elton und Bernie unterschrieben.

      Von diesem Augenblick an waren Elton John und Bernie Taupin so gut wie unzertrennlich. In den Siebzigern, als Eltons Ruhm seine ersten Höhen erreichte, stellten sich natürlich viele die Frage, ob die beiden ein Paar waren oder nicht. Elton fand Bernie in verschiedener Hinsicht sicherlich auch attraktiv, und er hatte nie zuvor eine so innige und lange Freundschaft gehabt wie mit Bernie. War er in Bernie verliebt? „Oh ja“, gab er später zu. „Aber es war nie etwas Sexuelles. Ich hätte mich nie an ihn herangemacht. Ich bewunderte ihn vielmehr, so wie einen Bruder. Sicher habe ich ihn geliebt, aber nicht körperlich. Er war der Seelenverwandte, nach dem ich mich mein ganzes Leben gesehnt hatte.“(12)

      Als Bernie beschloss, nach London zu ziehen und hauptberuflicher Songwriter wie Elton zu werden, hatte er zunächst keine Wohnung. Kein Problem. Sheila und Derf sprangen kurzerhand ein. Sie waren offenbar bereit, alles zu tun, damit Elton glücklich war und sich geliebt fühlte. Es war dennoch sehr großzügig, Taupin in die kleine Drei­Zimmer-Maisonettewohnung einziehen zu lassen, die sie am Frome Court bewohnten. Damit sie beide in Eltons winzigem, mit Schallplatten vollgestopften Schlafzimmer Platz hatten, kauften Sheila und Derf ein Etagenbett für die beiden Jungs, die damals 20 und 17 waren. Sie lebten zusammen, sie schrieben zusammen Songs, und sie arbeiteten hart daran, sich im Musikbusiness einen Namen zu machen, das von Ehrgeiz und Wettbewerb geprägt war.

      Obwohl sie sich so nahe waren, schrieben John und Taupin jeder für sich. „Selbst als wir zusammen wohnten“, erklärte Elton, „gab er mir die Texte, und ich ging dann ins Zimmer nebenan und setzte mich ans Klavier. Wenn er dabei war, konnte ich keine Songs schreiben, dann fühlte ich mich total befangen. Er hat sich nie neben mich auf die Klavierbank gesetzt und gesagt: ‚Dies oder das gefällt mir nicht.‘ Manchmal meinte er, dass ein Titel ganz anders geworden war, als er es sich vorgestellt hatte. Das hat ihn immer wieder überrascht. Aber die Texte habe ich einfach ihm überlassen.“(13)

      An anderer Stelle sagte Elton über ihre Zusammenarbeit: „Wir sind die einzigen, die auf diese Weise arbeiten – dass Bernie nur die Texte schreibt und ich ausschließlich die Musik mache. Abgesehen von Keith Reid und Gary Brooker [von Procol Harum], bei denen es ähnlich läuft. Ich brauche ungefähr zwanzig Minuten, um Musik für einen Song zu schreiben, aber Bernie brütet viel länger über seinen Texten.“(14)

      Es war nicht einfach zu erraten, welche Songs Erfolg versprachen und welche nicht. Die beiden lieferten jeden Monat Dutzende von Songs ab und fühlten sich manchmal sehr entmutigt. Elton zufolge war es seine Mutter, die sie dann ermutigte, durchzuhalten: „Wenn Taupin und ich darüber nachdachten, die Flinte ins Korn zu werfen, dann sagte sie immer: ‚Na schön, schmeißt einfach alles hin, der Gemüsehändler an der Ecke sucht gerade einen neuen Verkäufer.‘ Und wir brummten dann: ‚Na ja, das wollen wir ja auch nicht.‘ Aber es gab auch Leute, die uns ermutigten, vor allem Steve Brown, Lionel Conway, Roger Cooke und Roger Greenaway, die alle bei Dick James Music arbeiteten.“(15)

      Zu den ersten Erfolgen der beiden aufstrebenden Songwriter zählten die Songs „The Tide Will Turn For Rebecca“, das von Edward Woodward aufgenommen wurde, und das später auch von Cilla Black gesungene „I Can’t Go On Living Without You“. Genau diesen Song reichte Dick James auch für den Grand Prix Eurovision de la Chanson ein, und Lulu, die das Vereinigte Königreich vertreten sollte, nahm ihn zusammen mit einigen anderen Titeln probeweise auf.

      „Damals schrieben wir alles Mögliche für unsere zehn Pfund in der Woche“, meinte Elton, „und ‚I Can’t Go On Living Without You‘ war einfach ein Glücksfall. Es war einer unserer alten Songs, der noch bei Dick im Büro herumlag. Von den sechs Titeln, die [für Großbritannien] in die Vorauswahl kamen, landete er auf dem letzten Platz. Es war ein schrecklicher Song, und ich hatte selbst den Text geschrieben, weil Taupin nichts damit zu tun haben wollte. Er war grässlich: ‚I can’t go on living without you, oh yeah, baby/Oh no, I can’t go on living without you.‘ So richtig übel.“(16) Dennoch wussten Elton und Bernie genau, dass ein einziger Hit genügen würde, um ihrem Schicksal eine andere Wendung zu geben. Sie versuchten weiter, ihre handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern und die Erfolgsformel für eine Chartplatzierung zu finden.

      Offenbar blieb damals so ziemlich jeder, der bei Dick James arbeitete, abends länger im Büro, um die Aufnahmegeräte zu nutzen und Demos der vom Verlag vertriebenen Songs einzuspielen, in der Hoffnung, selbst ein Star zu werden. Elton und Bernie waren nicht anders. Als James entdeckte, dass man seine Geräte ohne seine Erlaubnis verwendete, feuerte er seine halbe Belegschaft.

      Elton erinnerte sich an diese Entlassungsorgie: „Wir hatten etwa fünfzig oder sechzig Songs geschrieben. Ursprünglich standen wir ja bei Gralto unter Vertrag, und die machten überhaupt nichts mit dem ganzen Material. Eines Tages gab es dann plötzlich den großen Kehraus bei Dick James Music, weil viele Bands dort umsonst Demos eingespielt hatten, ohne dass Dick gefragt worden war. Als er das mitbekam, machte er richtig Kahlschlag, bis Caleb fast auf den Knien in sein Büro rutschte und ihm versicherte: ‚Reg und Bernie sind es wert, dass man für sie kämpft.‘ Nachdem Dick ein paar unserer Songs gehört hatte, nahm er uns direkt unter Vertrag. Dafür müssen wir Caleb wirklich sehr dankbar sein.“(17)

      Elton und Bernie wurden dafür bezahlt, Songs für jene Stars zu schreiben, die damals in den Top Ten vertreten waren. James hatte kein Interesse daran, dass Elton zum gefeierten Solokünstler wurde, er wollte lediglich, dass er und Bernie Taupin ein paar lukrative Hits für die großen Namen schrieben, die in den späten Sechzigern den Mainstream bedienten. „Eins muss man ihm lassen, er ließ uns sehr viel Freiheit“, sagte Elton, „aber auf der anderen Seite drängelte er auch dauernd: ‚Ihr müsst Top-Forty-Hits schreiben für Cilla Black und Engelbert Humperdinck‘, und zwei Jahre unseres Lebens verschwendeten wir tatsächlich damit, das zu versuchen. Dann aber stieß Steve Brown als Promoter zur Firma und sagte uns, dass unsere Songs zwar ganz okay seien, aber eben doch noch nicht das gewisse Etwas hätten. Sie waren nicht so gut, wie sie seiner Meinung nach hätten sein können, und er fragte uns nach dem Grund. Daraufhin schilderten wir ihm unseren Zwiespalt – dass wir einerseits Songs schreiben wollten, wie sie uns gefielen, während wir andererseits das tun mussten, was Dick von uns verlangte, nämlich Hits zu entwickeln. Und wir bekamen ums Verrecken keinen zustande. Deswegen sagte Steve irgendwann, wir sollten Dick einfach vergessen und schreiben, was uns gefiel. Der erste Titel, den wir daraufhin komponierten, war ‚Skyline Pigeon‘, dann kam ‚Lady Samantha‘, und seitdem haben wir keinen Song mehr geschrieben, der uns nicht gefallen hätte.“(18)

      „Lady Samantha“ zählte zu den Songs, die Elton nun ganz offiziell selbst aufnahm. Dick James verfolgte damit nicht etwa die Absicht, dem jungen Komponisten zum Durchbruch zu verhelfen, er wollte lediglich dafür sorgen, dass die Titel gehört wurden und andere Leute – echte Stars – sie


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