Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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Außerdem, fügte Eric hinzu, habe Baldry den Eindruck vermittelt, dass sein Privatleben niemanden etwas anging: „Es umgab ihn schon eine Art dunkles Geheimnis, etwas, an das ich nie wirklich herankam. Ich spürte einfach nur, dass er Probleme hatte. Ich weiß nicht, ob er sich in dieser Phase seines Lebens wirklich schon mit seiner Sexualität ausgesöhnt hatte. In den Siebzigern war er dann ja sehr viel offener, nachdem er sich geoutet hatte, obwohl ich gar nicht weiß, ob er das jemals offiziell getan hat. Aber im privaten Bereich war es auf alle Fälle bekannt, dass er schwul war.“(40)

      Im Juni 1967 veröffentlichten die Beatles ihr psychedelisches Meisterwerk Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, und der „Summer of Love“ wurde ausgerufen. Plötzlich war der so genannte „Hippie-Chic“ angesagt, man trug farbenfrohe Kleidung und bunte Halsketten. Baldry beschloss, dass auch Bluesology auf diesen Zug aufspringen sollten. Elton: „Es war der Höhepunkt der Flower-Power-Zeit, und wir gingen übergangslos von den Jimmy Witherspoon-Songs zum Sound von Pink Floyd über. Einmal spielten wir in der Floral Hall in Scarborough, und Baldry brachte uns dazu, Schlaghosen und Kaftans zu kaufen – es war total schrecklich. Über Nacht wechselten wir von Satinhemden mit Rüschen ins komplette Love & Peace-Outfit.“(41)

      Wie alle anderen, die durch die Clubs zogen – Reggie Dwight eingeschlossen –, sehnte sich auch Long John Baldry nach dem großen Durchbruch. Er schaffte es 1967 mit einer schmalzigen Popsingle, die den Titel „Let The Heartaches Begin“ trug.

       „Als Baldry mit ‚Let The Heartaches Begin‘ seinen großen Hit hatte, trennte er sich ziemlich schnell von Stuart, Alan und Marsha“, berichtete Elton, „weil es schlicht unökonomisch war. Baldry war der fairste Typ, mit dem ich je gearbeitet habe. Ich mochte ihn unglaublich gern, und der einzige Grund, weshalb ich so lang bei ihm blieb, war der, dass es einfach so viel Spaß machte, für ihn zu arbeiten. Damals hatten wir eine ziemlich gute Band beisammen: Neil Hubbard an der Gitarre, Freddy Gandy am Bass, Pete Gavin am Schlagzeug, Elton Dean spielte Saxophon und Marc Charig Trompete. Es war die letzte Bluesology-Besetzung. Baldry schleppte ein Tonbandgerät zu allen Auftritten mit und spielte die Orchesterbegleitung für ‚Let The Heartaches Begin‘ darauf ab. Wir brachten unseren Set, bis Baldry den großen Hit ankündigte und das Publikum kreischte, und dann dröhnte das große Orchester los. Einmal ereignete sich eine ganz lustige Geschichte. Baldry hatte einen Club in Haverford West voll und ganz ausverkauft, und er war mitten in diesem Song, dem großen Hit, mit dem nach all den Jahren gar keiner mehr gerechnet hatte, als sich ein Mädchen wild an sein Mikrofon klammerte und er plötzlich brüllte: ‚Wenn du mein Mikrofon kaputt machst, dann zahlst du mir fünfzig Pfund!‘ Dann schlug er ihr richtig auf den Kopf. Sowas mochte ich an Baldry.“(42)

      Baldrys großer Hit war jedoch auch für Reggie ein großer Segen. „Let The Heartaches Begin“ war natürlich die A-Seite der Single gewesen, aber für die B-Seite hatte Baldry den von Reginald Dwight komponierten Song „Oh Lord, You Made The Night Too Long“ aufgenommen, und so bekam Reggie für jedes verkaufte Exemplar Tantiemen als Songwriter. Später sagte er: „Ich habe enorm viel Geld dadurch eingenommen, und ich bekomme heute immer noch gelegentlich einen Scheck aus Italien über vier Pence, wenn mal wieder ein paar Stück umgesetzt worden sind.“(43)

      Doch allmählich strebte Reggie nach Höherem, als nur der Keyboarder für Bluesology und Long John Baldry zu sein. Er hatte keine Lust mehr, nur im Hintergrund zu stehen, und außerdem bekam er allmählich das Gefühl, dass seine Band ihn auf der Karriereleiter nicht mehr viel weiter nach oben würde bringen können. Er wollte auf eigene Rechnung Rock’n’Roll spielen, und Bluesology schienen in kreativer Hinsicht längst an einem toten Punkt angelangt zu sein.

      „Bluesology frustrierten mich schließlich sehr“, erklärte Elton, „weil keiner von den Jungs wirklich den Ehrgeiz hatte, höher hinaus zu kommen. Es war eine gute Band mit guten Musikern, aber ihnen reichte es, wenn sie am Ende der Woche ihre vierzig Pfund bekamen. Ich war immer echt neidisch, wenn ich andere Bands beim Proben beobachtete, wie zum Beispiel einmal The Move in Birmingham. Ich wusste, dass sie es schaffen würden, weil sie so viel Energie hatten. Aber in unserer Band fehlte eben gerade dieser Ehrgeiz, sie blieb aus Loyalität zusammen. Mir gab es schließlich den Rest, als wir in den kleinen Theatern auftraten. Es ist so grässlich, wenn man vor Leuten spielt, die Fish and Chips essen und auf ihren Tellern rumtrommeln. Wenn ich je wieder auf diese Bühnen muss, wäre das mein Ende.“(44)

      Reggie Dwight hatte das Gefühl, dass er mit Bluesology und Long John Baldry so weit gekommen war wie möglich. Er war inzwischen zwanzig Jahre alt, und obwohl er mitten in der Londoner Musikszene steckte, spürte er, dass er einen Sprung nach vorn wagen musste. Er war überzeugt, dass er nur dann den Durchbruch schaffen würde, wenn er seinen neuen Traum konsequent weiterverfolgte: den Traum, ein erfolgreicher Songwriter zu werden.

      Für Reggie Dwight begann eine neue Zeit. Er hatte beschlossen, auf sein Glück zu vertrauen, und er war bereit, dafür alles in seinem Leben zu ändern. Er träumte immer noch davon, eines Tages selbst ein großer Star zu sein, und er fühlte, dass die Zeit gekommen war, diesen Traum voranzutreiben. Reg hatte miterlebt, wie sein Bandkollege Long John Baldry mit „Let The Heartaches Begin“ plötzlich einen Nummer-Eins-Hit gelandet hatte. Er hatte gesehen, wie eine einzige Platte die Karriere eines Musikers für immer verändern konnte, und er sehnte sich danach, selbst eine solche Chance zu bekommen.

      Schon bald plante er den Ausstieg aus Bluesology – er wollte nicht länger in einer Begleitband versauern. Über sein Leben damals sagte er später: „Ich wollte einfach auf der Bühne stehen und den Leuten zeigen, was ich konnte, und deswegen deprimierte mich Bluesology so sehr – ich war dort ein Nichts. Es spielen so viele Leute in Bands, die Angst davor haben, den großen Sprung zu wagen, oder die niemals die Chance dazu bekommen. Sie wollen wirklich vorankommen, trauen sich aber nicht. Ich selbst habe es auch nur gewagt, weil ich so verzweifelt und elend war, dass mir praktisch nichts anderes übrig blieb.“(1)

      Eine Weile glaubte Elton, ihm würde der Absprung am ehesten gelingen, wenn er zu einer etablierten Band wechseln und deren Sänger und Frontmann werden könnte. Auf dem Weg zum Ruhm musste er einige Enttäuschungen hinnehmen, als er von durchaus namhaften Künstlern abgelehnt wurde. Er stellte sich bei zwei verschiedenen Bands vor, die damals gerade einen neuen Sänger suchten, und probierte es bei den Avantgarde-Rockern King Crimson sowie bei den Artrockern von Gentle Giant, die beide absagten. Sein Schicksal hätte sicher einen ganz anderen Verlauf genommen, wäre er mit King Crimson erfolgreich geworden – vielleicht würde er heute bei seinen Konzerten nicht „Your Song“ als besonderes Schmankerl bringen, sondern den psychedelischen Klassiker der Band, „Lark’s Tongues In Aspic“.

      Es waren noch einige Veränderungen nötig, bevor Reg die Höhen erklimmen konnte, nach denen er sich so sehnte. Das erste große Hindernis auf dem Weg zum Starruhm war sein Name. Wer konnte sich schon einen schillernden Rockstar vorstellen, der Reginald ­Kenneth Dwight hieß – und der mit seiner dicken Brille auch noch wie ein Bücherwurm aussah?

      Der frustrierte Sänger beschloss, seine ganze Bühnenpersönlichkeit von Grund auf umzukrempeln. „Während meiner Zeit bei Bluesology flogen Caleb und ich einmal von Schottland zurück nach London, und im Bus von Heathrow in die Stadt sagte ich zu ihm: ‚Wenn ich selbst Platten aufnehme, dann will ich das nicht als Reg Dwight tun … das hört sich doch schrecklich an, oder?‘ Mir gefiel der Name Elton, weil unser damaliger Saxophonist so hieß. Es ist ein guter Name, den auch nicht allzu viele Leute tragen. Caleb sagte dann: ‚Wieso nimmst du nicht Baldrys Namen?‘ Und so kamen wir auf Elton John.“(2) Und das war’s. Seit dieser Zeit nannten ihn nur noch die Leute, die ihn von früher kannten, Reg. Es war die Geburt des Rockstars, der später weltweit als Elton John bekannt wurde.

      Nachdem er seinen Bühnennamen gefunden hatte, machte sich Elton daran, auch die übrigen Veränderungen voranzutreiben. Ihm war klar, dass er finanziell nicht in der Lage war, den alten Job hinzuwerfen, bevor er nicht einen neuen hatte oder zumindest einen klaren Weg vor sich sah, den es sich einzuschlagen lohnte. „Ich wusste ja, dass ich jede Woche gutes Geld verdiente, aber ich fing an, mich nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Ich bewarb mich auf einen Posten als Plattenpromoter


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