Elton John. Mark Bego

Elton John - Mark  Bego


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Pfund für ein solches Instrument leihen würde; Hill erklärte jedoch, dass er sich das augenblicklich nicht leisten könnte.

      Dem Schlagzeuger Mike Inkpen gelang es schließlich, einen Investor aufzutreiben, der das nötige Kleingeld mitbrachte. Inkpen arbeitete damals für einen Londoner Schmuckhersteller und hatte einen Chef in den Dreißigern, der Arnold Tendler hieß. Er lud seinen Boss zu einem Konzert ein, als die Band auf einem Kirchenfest in Pinner auftrat, und der war beeindruckt. Tendler wurde der erste Manager von Bluesology.

      Seinen ersten Eindruck von Reggie schilderte Tendler später so: „Am Klavier saß ein kleiner, rundlicher Junge, der Sachen anhatte, die selbst mir spießig vorkamen. Aber wenn er spielte, war er großartig. Schon damals stieß er den Klavierhocker weg und spielte auf dem Boden sitzend weiter.“(10)

      Elton hatte weniger gute Erinnerungen daran: „Ich musste auf einem alten Klavier spielen, das völlig verstimmt war, und ich sang über einen kleinen Verstärker. Einige Male musste ich aus dem Fenster springen, weil üble Schlägereien ausbrachen. Nach einiger Zeit fand ich den Job richtig furchtbar. Zum einen war ich ziemlich nervös, und zum anderen hatte ich angefangen, Rockmusik zu machen. Eigentlich spielte ich da nur noch, weil ich für ein E-Piano von Hohner sparte. Sobald ich das Geld zusammen hatte, hörte ich in dem Pub auf, weil Bluesology ohnehin immer mehr Auftritte bekamen.“(11)

      Mit der Band ging es nun, da sie einen Manager hatte, schneller voran. Die Musiker nahmen jedes Auftrittsangebot an. „Wir haben verdammt viel gearbeitet“, sagte Elton später. „Einmal hatten wir vier Gigs an einem Tag. Wir spielten erst in einem Club eines amerikanischen Militärstützpunktes, dann fuhren wir nach Birmingham und traten dort in zwei verschiedenen Tanzsälen auf. Um sechs Uhr morgens waren wir zu einem Auftritt im Cue Club, einem schwarzen Pub in London, wieder zurück.“(12)

      Doch schon bald gab es bei Bluesology Meinungsverschiedenheiten, was die musikalische Richtung betraf. Der Leadsänger Stuart Brown stand mehr auf den Blues Marke Jimmy Witherspoon, Reggie mehr auf Rock’n’Roll. Tendler buchte die Band damals für die unterschiedlichsten Konzerte. „Wir spielten beispielsweise bei der South Harrow British Legion“, sagte Elton, „und wir waren in jeder Hinsicht eine ziemlich snobistische Band. Meist waren wir einen Schritt hinter allen anderen zurück. Wir spielten Songs von Jimmy Witherspoon wie ‚Times Are Getting Tougher Than Tough‘ oder ‚When The Lights Go Out‘ – unser Sänger, Stuart Brown, war ein totaler Fan von Jimmy Witherspoon. Bei dem Gig vor der South Harrow British Legion tauchten diese ganzen Rocker mit ihren Motorrädern auf, die drohten, unsere Instrumente kurz und klein zu schlagen, wenn wir keinen Rock’n’Roll bringen würden. Mir kam das sehr entgegen, schließlich spielte ich zu der Zeit sowieso am liebsten Songs von Little Richard und Jerry Lee Lewis.“(13)

      Arnold Tendler organisierte nicht nur die Konzerte, er brachte vor allem genug Geld mit, um die erste Aufnahme von Bluesology zu bezahlen. Die Band spielte ein Demo mit zwei Songs ein, die am 3. Juni 1965 in einem Aufnahmestudio in Rickmansworth aufgezeichnet wurden, das Jack Jackson gehörte, dem Sohn eines in Groß­britannien sehr bekannten Bandleaders.

      Für Reggie war es besonders aufregend, weil seine erste Komposition „Come Back Baby“ zu den beiden ausgewählten Titeln gehörte. Er hatte sie nicht nur geschrieben, er übernahm auch den Leadgesang. Und Mills Music, für die er immer noch als Teekocher arbeitete, verlegten Musik und Text des Liedes. Den zweiten Song, der an diesem Tag aufgenommen wurde, sang wie üblich der Bluesology-Sänger Stuart Brown. Dass er nicht auch Reggies „Come Back Baby“ brachte, hatte Elton zufolge einen einfachen Grund: „Er konnte es nicht singen. Er hatte eine sehr, sehr tiefe Stimme.“(14)

      Der nächste Schritt bestand natürlich darin, eine Plattenfirma auf das Material aufmerksam zu machen. Reggie verschwendete keine Zeit und wandte sich an Phillips Records. Er erzählte später: „Zuerst schrieb ich den Song, und ich erinnere mich nicht mehr, wie es mir überhaupt gelang, einen Vorspieltermin zu bekommen. Ich ging zu Jack Baverstock bei Phillips Records und stellte ihm das Demo vor, das wir in Jacksons Studio eingespielt hatten, und ihm gefiel der Song. Wir gingen ins Studio, und in drei Stunden nahmen wir ‚Come Back Baby‘ und die B-Seite, Jimmy Witherspoons ‚Times Getting Tougher And Tougher‘, auf.“(15)

      Im Anschluss an die Veröffentlichung der Single waren Bluesology plötzlich sehr gefragt. „Wir gaben neun oder zehn Gigs die Woche“, berichtete Elton. „Dafür bekamen wir jeder 15 Pfund, von denen wir aber auch unsere gesamten Spesen bestreiten mussten: Hotels, Benzin, Raten und Reparaturen der Instrumente, aber irgendwie kamen wir rum. Wir mussten nie hungern, weil man damals in Städten wie Manchester oder Newcastle durchaus für fünf oder sieben Shilling eine Übernachtung mit Frühstück bekam. Anstrengend war dabei lediglich, dass wir unsere ganze Ausrüstung selbst tragen mussten, weil wir keine Roadies hatten … und dass unser Bus gelegentlich liegen blieb [seufzt]. Das waren die einzigen Unannehmlichkeiten, ansonsten war ich eigentlich immer bester Laune.“(16)

      Einer der erinnerungswürdigsten Auftritte fand im berühmten Cavern statt, jenem Liverpooler Club, in dem die Beatles einmal angefangen hatten. „Im Cavern spielten wir zweimal“, berichtete Elton, „und es war definitiv einer der übelsten Läden, wo wir wahnsinnig darauf aufpassen mussten, dass nichts von unseren Sachen geklaut wurde; einer von uns stand dauernd Wache. Und auf dem Männerklo liefen die Abflüsse über, es war total eklig. Trotzdem war es ein toller Ort für ein Konzert. Wenn ich heute an diese Zeiten zurückdenke, hatten wir wirklich unheimlich viel Spaß. Ich kann mich nicht daran erinnern, schlecht drauf gewesen zu sein oder Hunger gehabt zu haben. Ich wohnte noch zu Hause und musste keine Miete zahlen, aber trotzdem frage ich mich heute, wie es mir gelang, mit nur 15 Pfund in der Woche zurechtzukommen.“(17)

      Die Karriere von Bluesology gliederte sich in drei Abschnitte. Im ersten versuchten sie, aus eigener Kraft den großen Durchbruch zu landen. In der zweiten konzentrierten sie sich darauf, als Begleitband für amerikanische Sänger zu fungieren, die durch Großbritannien tourten. Und in der dritten wurden sie die Backup-Band für den britischen Bluesrock-Sänger Long John Baldry. Als „Come Back Baby“ sich nicht sofort als großer Chartstürmer erwies, versuchten Reggie, Mike, Rex, Stuart und Dave, mit einer anderen Strategie zu Stars zu werden.

      1966 ließen sie sich von amerikanischen Showgrößen engagieren, die für ihre Konzerte Begleitmusiker brauchten. „Im Gaumont State in Kilburn spielten wir bei Roy Tempest vor, und er sagte ‚Ja‘“, berichtete Elton. „Er bot uns einen Job als Band für Wilson Pickett an, und wir probten wie die Wilden … bis Pickett dann kam, sagte, dass wir lausig waren, und wieder nach Amerika fuhr. Wie man sich vorstellen kann, waren wir ziemlich enttäuscht. Allerdings nicht lange, denn wir bekamen gleich das nächste Engagement als Begleitband für Major Lance. Das war der Punkt, an dem wir beschlossen, Profimusiker zu werden. Wir begleiteten noch viele andere amerikanische Künstler wie zum Beispiel Patti LaBelle mit ihren Bluebelles.“(18)

      Major Lance, der Bluesology nach der Ablehnung durch Wilson Pickett eine neue Chance gab und ihnen den Schritt ins Profilager ermöglichte, hatte damals einige große Hits wie „The Monkey Time“ (1963), „Hey Little Girl“ (1963) oder „Um, Um, Um, Um, Um, Um“. Für Bluesology boten diese Gigs zudem eine hervorragende Möglichkeit, sich vor einem unvoreingenommenen Publikum zu beweisen, das die Band noch nicht kannte.

      Elton erinnert sich: „Major Lance war der erste, mit dem es losging, und dann folgte eine ganze Reihe weiterer Künstler. Wir spielten zweimal mit Patti LaBelle & The Bluebelles, hatten zwei Konzerte mit den Original Drifters, eine ganze Tournee mit Doris Troy und eine mit den Ink Spots und Billy Stewart. Zwischendrin, wenn wir keine anderen Musiker unterstützten, leisteten wir die obligatorischen Auftritte in Hamburg ab. Das war noch so eine Erfahrung, die mich erwachsen werden ließ und wirklich weiterbrachte. Danach fuhren wir nach Schweden und einen Monat nach Südfrankreich. Wir machten eben so ganz mittelmäßige Dinge.“(19)

      Billy Stewart brachte Bluesology entscheidend voran. Er war ein echter Musikprofi, der in den 1950er-Jahren von Bo Diddley entdeckt worden war; seine ersten eigenen Aufnahmen hatte er 1956 eingespielt. Von Bluesology erwartete er, dass sie auf der Bühne richtig abrockten, und er duldete es nicht, wenn jemand nicht sein Letztes gab. Die Forderung nach punktgenauen Arrangements und prägnantem Zusammenspiel auf der Bühne wusste Elton später sehr zu


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