Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink

Bon - Der letzte Highway - Jesse Fink


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UFO. „Angus kommentierte Bons Eskapaden mit einem Augenzwinkern: ‚Yeah, Bon war heute dreimal betrunken. Er war betrunken, als er heute aufwachte. Im Flugzeug war er dann wieder betrunken, schlief eine Runde und jetzt ist er in der Garderobe – und wieder betrunken.‘ Das war witzig gemeint, um uns zum Lachen zu bringen. Bei UFO tranken wir schließlich auch ziemlich heftig. Wir glaubten, dass Bon jung genug war, um das wegzustecken. Wir sahen das nicht als Problem an, schließlich sang Bon immer großartig. Er zog sein eigenes Ding durch und soweit ich weiß versuchte sich keiner um ihn zu kümmern oder sah die Angelegenheit als sonderlich problematisch an. Doch rückblickend war seine Trinkerei schon ziemlich krass. Am liebsten trank er Bourbon. Einmal erzählte er mir, dass er sich auf der Bühne gegen das Schlagzeugpodium lehnte, um nicht umzufallen. Bon war ein echt freundlicher Kerl – nur ging es bei ihm ständig ums Trinken: ‚Hey, kommst du mit an die Bar, Junge?‘ Die Drinks wollten nie versiegen.“

      Chapman erinnert sich daran, dass Bon in Amerika auch Kokain konsumierte und nicht einmal Unmengen von Alkohol ihn bremsen konnten.

      „Bon vertrug extrem viel und hatte einen Mordsdurst auf Alkohol. Mein Spitzname lautet ‚Tonka‘ [wie die Spielzeugtrucks] und ich kann auch viel vertragen, aber Bon trank mich unter den Tisch. Er war allzeit bereit. Auf Tour sagte er oft: ‚Komm schon, Tonka, auf geht’s!‘ Und ich antwortete dann: ‚Was? Du spinnst doch! Es ist vier Uhr morgens!‘“

      * * *

      Am 13. August 1977 – AC/DC traten am selben Tag im Agora in Columbus auf – stieg Let There Be Rock drei Wochen nach der Veröffentlichung auf Atlantics Sub-Label ATCO Records auf Position #154 in die Billboard-Charts ein. Doch nach den Shows in Madison und Milwaukee sowie einem Wiedersehen mit Foreigner in Dayton und Indianapolis, wo AC/DC mit jämmerlichen 250 Dollar abgespeist wurden, fiel das Album auf Platz #183 zurück. Es erholte sich noch einmal kurz und stieg im September immerhin bis auf #161, rutschte aber Mitte Oktober endgültig aus den Charts. Damit hatten sie kaum einen bleibenden Eindruck hinterlassen können. Um den Misserfolg von Let There Be Rock in einen Zusammenhang zu stellen: Fleetwood Macs Rumours hatte sich bis November desselben Jahres sechs Millionen Mal verkauft, nachdem das Album erst im Februar erschienen war. Es sollte 13 Jahre dauern, bis Let There Be Rock die Grenze von einer Million verkauften Exemplaren durchbrechen sollte. Nachdem die erste US-Tour der Band so vielversprechend begonnen hatte, erhielt die Mission, zu der sich AC/DC aufgemacht hatten – Amerika zu erobern –, einen massiven Dämpfer.

      4

      Problem Child

      Der wichtigste Mann bei Atlantic Records, wenn nicht sogar „die wichtigste Persönlichkeit der Plattenindustrie des 20. Jahrhunderts“, wie die Londoner Tageszeitung Independent es in ihrem Nachruf von 2006 formulieren sollte, begab sich in die New Yorker Bowery, um AC/DC seine Aufwartung zu machen. Doch Ahmet Ertegun war nicht sonderlich angetan von der Gruppe: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie unter Vertrag genommen hätte, als ich sie das erste Mal hörte. Sie waren sehr modern. Sie gingen an die Grenzen.“

      Die abendliche Veranstaltung war jedoch vor allem aus einem anderen Grund von großer Bedeutung; schließlich setzte Angus Young zum ersten Mal auf ein drahtlosen Funksystem namens Schaffer-­Vega Diversity System (SVDS). Hierbei handelte es sich um eine Erfindung, die die Bühnenpräsentation von AC/DC maßgeblich verändern und erweitern sollte. Ihr Entwickler Ken Schaffer war selbst ein dynamischer Exzentriker, mit dem Angus über WEA, den Mutterkonzern von Atlantic, Kontakt aufgenommen hatte, um ein Treffen in der Garderobe des Palladiums, der ehemaligen Academy of Music in der East 14th Street, zu vereinbaren, wo AC/DC den ersten von zwei Gigs an diesem Abend absolvierten. Die Bühnen teilten sich die Australier an diesem Abend mit der Michael Stanley Band sowie den Dictators.

      Das drahtlose Gerät – eine Funk-Apparatur, die das Signal von der Gitarre an den Verstärker weiterleitete – war an Angus’ Gitarrengurt befestigt, was den Leadgitarristen nicht zufriedenstellen konnte.

      „Ich erinnere mich, dass Angus’ Gitarre bei mir in der Werkstatt landete und mir per Notiz oder Telefonat sein Wunsch mitgeteilt wurde, das Gerät in die Gitarre einzubauen“, erzählt Schaffer. „Daran hatte ich selbst auch schon oft gedacht, es aber noch nicht versucht. Ich fürchtete mich davor, Löcher in jemandes Gitarre zu fräsen [lacht]. Ein paar der Jungs, die für mich arbeiteten und geschicktere Gitarrenbauer waren, halfen mir dabei, eine Aussparung zu fräsen oder auch eine Abdeckung zu entfernen – das weiß ich echt nicht mehr so genau –, um das Funksystem einzubauen. Dann versiegelten wir das Ganze. Allerdings gingen wir dabei nicht sonderlich professionell vor. Vielleicht verwendeten wir Klebeband oder so [lacht].“

      Der britische Rock-Journalist Phil Sutcliffe beschrieb ausführlich, was sich nun zutrug:

      „Angus ließ den Rest der Band mitsamt seinem Amp im Theater zurück und marschierte acht Blocks weit, bevor er schließlich kehrtmachte. Die Band berichtete ihm, dass das Funksignal sich trotz der Betonhochhäuer und der Taxifunk- und Radiowellen überhaupt nicht verschlechtert hätte.“

      „Es war verblüffend mitanzusehen“, sagte Bon. „Angus grinste über das ganze Gesicht und es schienen ihm fiese Gedanken durch den Kopf zu schießen, als ob er darüber nachdachte, was für ein Chaos er mit dieser kleinen Erfindung entfesseln könnte.“

      Am selben Abend geriet eine scheinbar harmlose Fotosession mit zwei Promogirls im Palladium für Bon zu einem alles andere als unverfänglichen Unterfangen. Holly X, eine gut entwickelte 17-jährige Blondine, und ihre Freundin Gigi Fredy, die beide aus Miami stammten, kreuzten in T-Shirts auf, auf denen „AC“ bzw. „DC“ stand. Hollys Shirt war in Schwarz und Gigis in Weiß gehalten.

      Angus und Bon posierten mit ihnen für den Fotografen Chuck Pulin. Schon auf dem allerersten Foto des zukünftigen Paars zeigt sich Bon angetan von Holly und albert herum.

      „Bon war niemand, der seine Emotionen versteckte“, erzählt sie. „Ich hatte damals keine Ahnung, wer AC/DC waren, und hatte noch nie einen Song von ihnen gehört. Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich mich wunderte, wie klein Bon doch war. Immerhin war ich mit meinen Absätzen über einen Meter achtzig groß, weshalb ich buchstäblich auf ihn hinunterblicken konnte. Wir begannen zu lachen. Wir lachten einfach viel miteinander. So sah unsere Beziehung aus.“

      * * *

      Die Dictators sollten schließlich auf Tour in über einem halben Dutzend Städten mit AC/DC auftreten – von Tennessee im Südosten der Vereinigten Staaten bis hin nach Nebraska im Mittleren Westen. Ihr Rhythmusgitarrist Scott Kempner sah das Ausmaß von Bons Trinkerei aus nächster Nähe.

      „AC/DC waren viel größere Trinker als wir. Ich selbst trank nie übermäßig viel, während sie nichts ausließen. Eines Tages saß ich gerade in einem Aufenthaltsraum, als ich vor der Tür irgendeinen Krach hörte. Zuerst Gepolter, dann ein Stöhnen. Als Nächstes schwang die Tür auf und da stand Bon. Er sah beschissen aus. Wie ein fehlgeschlagener Versuch in puncto Wiederauferstehung. Und das war noch vor der Show. Es stellte sich schließlich heraus, dass er gar nicht betrunken war, sondern am Abend zuvor getrunken hatte. Ich fragte ihn: ‚Jesus, Bon, alles in Ordnung mit dir?‘ Er antwortete: ‚Ach, Kumpel, ich fühle mich nicht besonders. Heute Morgen bin ich am unteren Endes eines Treppenaufgangs aufgewacht.‘ Im echten Leben war er, zumindest was ich miterlebt habe, ein absolut herzensguter Typ. Ruhig, vielleicht sogar ein bisschen schüchtern, und liebenswert. Er gönnte sich seinen Spaß, aber auf mich wirkte er wie jemand, der gelernt hatte, was wirklich zählte und was bloß Bockmist war. Bon war sehr höflich und wusste sich zu benehmen. Er erkundigte sich etwa bei allen, ob er ihnen etwas mitbringen sollte, wenn er sich ein Bier oder so aus der Garderobe holte. Es wirkte so, als würde er sich seine Wildheit, sein ganzes Rowdytum für die Bühne und die Show sparen. Nicht


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