Bon - Der letzte Highway. Jesse Fink
„Wir sprachen Bon vor der Show an und er freute sich sehr, auf echte Fans zu treffen. Er ging hinter die Bühne, um uns Autogramme von der ganzen Band zu holen. Es war ein tolles Konzert, weil sie angesichts der Location, dem fast gleichgültigen Publikum und der Handvoll verrückter junger Männer in Bühnennähe, die jeden Song bejubelten, nichts zu verlieren hatten.“
„Die Bühne erstreckte sich von Norden nach Süden und wir saßen an langen Tischen, die von Osten nach Westen verliefen. Hinter uns standen noch kleinere Tische, die Platz für vier bis sechs Leute boten. Das Set dauerte ein bisschen länger als eine Stunde, war aber auch sehr intensiv. Sie widmeten uns während des Konzerts viel Aufmerksamkeit, weil wir die einzigen zu sein schienen, die sie damals schon kannten.“
Trotz all des Einsatzes, den AC/DC an den Tag legten, fielen die Rezensionen ihrer Liveshow wieder einmal besorgniserregend schwach aus.
„Die australischen Punk-Spinner von AC/DC traten am Dienstagabend im 4 O’Clock Club in Fort Lauderdale auf“, berichteten etwa die Miami News. „Angeblich war die Band viel zu laut.“
Am nächsten Abend traten Foreigner im Café Cristal des Hotels Diplomat auf, was doch einiges über den jeweiligen Stellenwert der beiden Bands in der amerikanischen Musiklandschaft und der Sympathieverteilung im Hause Atlantic aussagte.
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Die Let There Be Rock-Tour machte als Nächstes auf dem europäischen Festland sowie in England Halt, wo die Band sich Gedanken darüber machen konnte, was man erreicht hatte und was verbessert werden müsste. Beruflich lagen sechs durchwachsene Monate hinter AC/DC. In der Provinz hatten sie massiv gepunktet, während sie in den Großstädten weniger gut angekommen waren. Und für Bon persönlich sah es auch nicht unbedingt rosig aus. Sein Alkoholkonsum explodierte förmlich und er hatte sich angewöhnt, seine Trinkerei noch mit Drogen zu würzen, obwohl er gegenüber der Band nach einer Überdosis Heroin in Melbourne im Jahr 197511, die fast zu seinem Rauswurf führte, dem Rauschgift eigentlich abgeschworen hatte.
„Bon wusste, dass er sich nach dem Vorfall in Melbourne auf Bewährung befand“, erzählte Silver Smith. „Er berichtete mir schon früh davon, dass er sich auf gefährlichen Scheiß eingelassen hätte … Er hatte sich gegenüber der Band verpflichtet, sich auf Alkohol zu beschränken.“
Allerdings räumt sie die Möglichkeit ein, dass er gewisse Angewohnheiten vor ihr verbarg, „weil ich echt sauer und beleidigt war, wenn er heimlich Hasch konsumierte und sich zulaufen ließ, woraufhin ich mich mehr als nur einmal mit den Konsequenzen herumschlagen musste.“
Er hatte sich während der Tour durch Amerika auf ungezwungene Weise mit mehreren Frauen vergnügt – etwa mit Pattee und Holly –, war aber immer noch vernarrt in Silver, die sich die Zeit genommen hatte, ihn in den USA zu besuchen. Angeblich hatte er im vorangegangenen Jahr in ihren Armen in London eine zweite Überdosis überlebt.
Einer meiner Interviewpartner beschrieb die sonderbare Anziehung, die diese Frau auf Bon ausübte, folgendermaßen: „Nachdem er ein paar Groupies flachgelegt hatte, sagte er plötzlich, dass er zu Hause sein Mädchen Silver heiraten wollte.“ Hä? Wow …
Silver besteht darauf, dass die Geschichte rund um die zweite Überdosis – der ehemalige Manager der Band, Michael Browning, schreibt in seiner Autobiografie von einem „Cocktail aus Heroin und Alkohol … dieses Mal zog er es sich durch die Nase und spritzte es sich nicht“ – auf keinen Fall der Wahrheit entspricht und Bons einziger Krankenhausaufenthalt die Folge einer Kneipenschlägerei gewesen wäre.
„Das einzige Mal, dass er ins Krankenhaus musste, war, als er sich kurz nach seiner Ankunft in Großbritannien den Kiefer brach … Die Leute bringen noch ein paar weitere Geschichten durcheinander. Es ist nichts als Bullshit.“
Interessanterweise schließt sie jedoch die Möglichkeit, dass es eine zweite Überdosis gegeben hatte, nicht gänzlich aus.
„Ob das irgendwo auf Tour passiert ist oder nicht, kann ich nicht sagen. Wenn, dann hätte er mir vermutlich nichts davon erzählt, weil er ja ohnehin schon wusste, dass ich ihn für leichtsinnig hielt.“
Silver sagte, sie hätte ihn nie Heroin rauchen oder schnupfen gesehen. Aber wenn er es getan hätte, dann „wäre es nur sehr, sehr selten vorgekommen. Jeder in meinem Umfeld wusste aufgrund der Dinge, die bereits vorgefallen waren, dass Bon mitunter echt dumme Aktionen lieferte und man ein Auge auf ihn haben musste … Du konntest dich einfach nicht darauf verlassen, dass er sich vernünftig verhielt. Schlechter Stil eben. Du besäufst dich einfach nicht vor einer wichtigen Dinnerparty oder einem Meeting. Dafür suchte man sich andere Gelegenheiten. Er scherte sich nicht um die Konsequenzen; es kümmerte ihn nicht, wie sich solche Dinge auf andere Leute auswirken würden.“
Sie war der Meinung, dass sein unberechenbares Benehmen Irene Thornton ebenso zu schaffen machte wie ihr selbst und dass dies Bon letztlich seine Ehe gekostet haben dürfte. Auch wirkte sich sein Verhalten negativ auf sein Vorhaben, Silver zu ehelichen, aus (ihr zufolge sprach er „ständig“ davon).
Als Bon zum ersten Mal um ihre Hand anhielt – auf dem Weg zum Flughafen Heathrow vor seinem Rückflug nach Australien Ende 1976 –, gab Silver ihm ohne zu zögern einen Korb: „Ich wusste schon relativ früh, dass ich mich in Bezug auf gar nichts jemals sicher fühlen würde, wenn ich bei ihm bliebe.“
Obwohl sie ihren ehemaligen Liebhaber als „großherzig“ umschrieb, war er ihr doch auch „zu unbesonnen“ und außerdem „sehr, sehr selbstsüchtig und destruktiv“.
„Ich glaube, Bon wäre verblüfft, auf welche Weise sein Mythos weiterwächst … Er brachte mich mit seiner Verantwortungslosigkeit in ein paar schreckliche Situationen“, sagte sie. „Das Problem war, dass man nicht wusste, wann etwas passieren würde. Es geschah nämlich in den unwahrscheinlichsten Momenten … Ich war immer der Meinung, dass das vermutlich der Grund dafür war, dass Irene letztendlich einen Schlussstrich zog. Ich glaube, dass ich Irene viel besser verstand als sie mich. Yeah, ich konnte verstehen, warum es ihr einfach reichte … Ich hatte es so satt, seine Babysitterin und nicht seine Partnerin zu sein.“
Es ist wichtig, anzumerken, dass keines der aktuellen AC/DC-Mitglieder jemals einräumte, Bon hätte Heroin konsumiert. Diesbezüglich waren stets nur Dementis zu hören. Auch seine Familie stritt kategorisch ab, dass er sich auf die Droge eingelassen hätte. Bons jüngster Bruder Graeme Scott, ein Matrose in der Handelsmarine, erklärte 2006 im Gespräch mit Vince Lovegrove: „Es missfällt mir, dass die Leute weiterhin behaupten, er wäre an Drogen gestorben. Es ist ausgeschlossen, dass er auf Heroin war. Wenn er es gewesen wäre, hätte ich das nämlich gewusst. Schließlich standen wir uns nahe.“
Aber offenbar nicht nahe genug.
Zwar bestätigte Silver Graemes Aussage als „so ziemlich die Wahrheit“, doch steuerte sie noch einen weiteren Aspekt bei. Ihren Angaben zufolge rauchte ein Mitglied von Bons eigener Familie gewohnheitsmäßig Heroin und hielt dies vor ihm auch nicht geheim. Diese Person konsumierte Heroin anscheinend sogar „im großen Stil“.
„Heroin erfüllte sein Leben“, ließ sie mich wissen. „Es war sein einziges Interesse. Und das war schon lange so, bevor ich diese Person zum ersten Mal traf. Na also [lacht]! Warum sollte der seine unappetitlichen Geheimnisse für sich behalten dürfen, während wir anderen alle unser Fett abbekommen?“
Er rauchte wirklich Heroin?
„Ohne Unterbrechung.“
Wir sprechen hier nicht über Cannabis, sondern über Heroin?
„Heroin … Bon nahm vielleicht auch ein paar Züge davon, wenn er auf Besuch da war. Ich womöglich auch, schließlich sage ich ja nicht, dass ich nicht mitgemacht hätte. Das ist durchaus möglich. Ob Bon] in London auf Heroin war? Wenn, dann kann das nur passiert sein, wenn er ein paar freie Tage hatte, was nur selten vorkam, und er zu Hause gewesen wäre und uns diese andere Person besucht hätte. Er traf von [geheimer Ort] aus ein. Danach flog er geradewegs dorthin zurück. Anders ausgedrückt: Er kam aus gutem Grund.“
Falls