Im Gespräch mit Morrissey. Len Brown

Im Gespräch mit Morrissey - Len  Brown


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wechselndes Management und ausgelaugt durch den konstanten Druck der Aufnahmen, Tourneen und Werbeaktivitäten, hatten die Smiths schlicht und ergreifend das Ende der Fahnenstange erreicht. Dazu kam, dass das alte Klischee der „musikalischen Differenzen“ als Grund für eine Bandauflösung leider auch im Falle der Smiths bedient werden konnte. Johnny Marr fühlte sich eingeschränkt und wollte daher außerhalb der Gruppe neue Horizonte erforschen, statt als B-Seiten für die Singles von Strangeways, Here We Come obskure Coverversionen von Twinkle, Cilla Black oder sogar James einzuspielen.

      Ich unternahm den Versuch, Morrissey dazu zu bringen, die Angelegenheit einmal von Johnny Marrs Warte aus zu sehen, was ich damals für sehr hilfreich hielt. Hatte es Morrissey zum Beispiel abgelehnt, für die B-Seiten der Smiths-Singles Instrumentalstücke von Marr zu verwenden?

      „Nein! Die Idee mit den Instrumentalstücken an sich stammt ursprünglich sogar von mir. Ich schlug vor, ‚Oscillate Wildly‘ als Instrumentalnummer zu spielen. Bis dahin hatte Johnny kaum Interesse an Nummern ohne Gesang gehabt. Es gab nie ein bandpolitisches Gezerre darum, ob wir nun ein Instrumentalstück spielen sollten oder nicht, ebenso wenig, wie es zwischen Johnny und mir irgendwelche Machtkämpfe gab. Allein die Vorstellung, dass sich Morrissey während der Aufnahme eines Smiths-Instrumentals in sein Zimmer zurückzieht, mit den Füßen aufstampft und gegen die Möbel tritt, war falsch! Ich war vollkommen dafür, habe aber freilich nicht selbst an der Aufnahme teilgenommen.“

      Aber Sie haben es abgelehnt, einen Text für „Money Changes Everything“ zu schreiben (das kurz nach der Trennung als „The Right Stuff“ von Johnny Marr und Bryan Ferry auf dessen LP Bette Noir erschien)?

      „Ja, aber ich wurde auch gebeten, Texte zu ‚Oscillate Wildly‘ und ‚The Draize Train‘ zu schreiben. Letzteres hielt ich für das Schwächste, was Johnny je komponiert hatte. Eines Tages kam Geoff Travis mit dem Band bei mir vorbei und sagte: ‚Das ist das Beste, was Johnny je geschrieben hat, und wenn du noch einen Text dazu beisteuerst, wird es ein Nummer-eins-Hit.‘ Aber ich sagte: ‚Nein, Geoff, es gefällt mir einfach nicht.‘ Es gab also durchaus den Druck, Texte zu schreiben, aber ich fand, es war alles gut so, wie es war.“

      Kurz nach dem Ende der Smiths im Mai 1987 erschienen Morrisseys Single „Suedehead“ und im Frühjahr 1988 sein Solo-Debütalbum Viva Hate. Es sah also so aus, als hätte sich Morrissey bereits vor Marrs Ausscheiden mit seinem neuen Partner Stephen Street, dem ehemaligen Produzenten der Smiths, zusammengetan.

      War Johnny auf Ihre wachsende Freundschaft mit Stephen Street eifersüchtig?

      „Ich hatte zu Stephen Street keine bessere Beziehung als die anderen. Wie Sie wissen, hatte Stephen seit ‚Heaven Knows I’m Miserable Now‘ mit den Smiths zusammengearbeitet, also eine ganz schöne Zeit lang. Stephens Beziehung zu den Smiths als Gruppe war daher vollkommen harmonisch und ganz natürlich. Es gab keine unterschwelligen Spannungen oder falsche Verlegenheit. Was das Schreiben mit Stephen anbelangt, so schickte er mir Ende August ein Band, als die Nachricht bereits im ganzen Land bekannt war. Es war das Allerletzte, womit ich gerechnet hatte. Er schickte einfach ein Band mit seinen Songs und sagte: ‚Würdest du die gerne aufnehmen?‘ Da war er allerdings ganz schüchtern.“

      Aus der Sicht des Fans auf den Rängen und des journalistischen Beobachters sah es so aus, als wäre der Wechsel von den unbequemen, aber modischen Schuhen der unabhängigen Plattenfirma Rough Trade zu den mit Geldscheinen voll gestopften Schaftstiefeln des EMI-Konzerns ein erster Vorbote für das Ende der Smiths gewesen. Nachdem die Band vier Jahre lang die Independent-Charts beherrscht hatte und einige triumphale, guerillaartige Vorstöße in die höheren Gefilde der britischen Top 20 unternommen hatte, erschien das im März 1987 bekannt gegebene neue Vertragsverhältnis beinahe wie ein Vertrauensbruch; ein unglaublicher Verrat an dem „Manifest“ der Smiths.

      Während der 1986er-Tournee zum Album The Queen Is Dead durch Großbritannien und die USA war es jedoch zu schweren internen Krisen gekommen – persönliche Zankereien, Alkohol- und Drogenprobleme, musikalische Unstimmigkeiten, Versäumnisse des Managements. In diesem Kontext befanden Morrissey und Marr offensichtlich, dass ein weiteres nationales und vor allem internationales Fortkommen nur mit der Unterstützung einer großen Plattenfirma zu bewerkstelligen sei.

      War Morrissey froh, endlich von Rough Trade loszukommen?

      „Ganz ehrlich gesagt, ja! Das Jahr 1985 bei Rough Trade war entsetzlich, es kam zu ungeheuren Reibereien. Ich finde, während der gesamten Zeit, als wir Meat Is Murder und die Singles veröffentlichten, die es nicht in die Top 20 schafften, verhielt sich Rough Trade den Smiths gegenüber viel zu aggressiv. Wir wurden wie irgendeine unerfahrene Band aus Harrogate behandelt, und nirgendwo bei Rough Trade wurde anerkannt, dass die Smiths ein gutes Pferd im Stall waren, dass mit den Smiths auch eine Menge Geld verdient wurde. Wir waren in heller Aufregung, weil nichts geschah, um unser Projekt voranzubringen. Da wir kein ordentliches Management hatten, musste ich persönlich um jede einzelne Werbemaßnahme kämpfen. Erst nach der neunten Single konnte sich Rough Trade überhaupt dazu durchringen, wenigstens ein bisschen schwarz zu plakatieren, obwohl unser erstes Album auf Platz zwei in die Charts eingestiegen war und wir bereits eine Reihe erfolgreicher Singles veröffentlicht hatten. Man hatte bei Rough Trade immer den Eindruck, dass sie jederzeit abspringen könnten und glücklich mit dem wären, was sie ohne größere Spekulation erreicht hätten. Wie die Teilnehmer an einer Quizsendung, die sich mit fünf Pfund zufriedengeben und gar nicht erst versuchen, die fünf Millionen abzuräumen, obwohl sie locker für zwanzig Pfund Sprit verfahren haben, um zum Studio zu gelangen.“

      Wie wirkte sich der Vertrag mit der EMI auf die Band aus? Waren denn alle vollkommen überzeugt von dieser Entscheidung?

      „Ganz und gar nicht! Aber als die Smiths bei EMI unterschrieben, wurde das Leben mit Rough Trade viel leichter und erblühte in einer Art und Weise, wie es nie zuvor der Fall gewesen war.

      „Es macht mir zwar keinen Spaß, Rough Trade anzuschwärzen, da ich ihre Dilemmas sehe und sie durchaus verstehen kann – ich finde abschließend aber einfach, dass man uns nicht als den kleinen Schatz betrachtete, der wir in Wirklichkeit waren. So, wie ich das sehe, war ich das einzige Bandmitglied, dem man überhaupt ein wenig Respekt entgegenbrachte. Für Johnny, Mike oder Andy hatten sie nichts übrig.“

      Hat sie das verletzt?

      „Ja. Sie und mich. Als die Smiths bei EMI unterschrieben, sagte Geoff Travis außerdem gegenüber dem Guardian, die Smiths hätten den Vertrag nur aus reiner Gier heraus abgeschlossen. Das glaubte er zwar selbst nicht ganz, aber es war der Tropfen, der das Fass vollends zum Überlaufen brachte. Es hatte zuvor schon mehrere letzte Tropfen gegeben, aber das war eben der letzte der letzten!“

      „Paint A Vulgar Picture“ war also ein Seitenhieb auf Rough Trade?

      Er lacht: „Nein, um Rough Trade ging es darin überhaupt nicht. Deshalb war ich ja auch ein bisschen verwirrt, als Geoff Travis, der große Boss von Rough Trade, es so schlimm fand und so dagegen wetterte. Es handelte ganz allgemein von der Musikindustrie, von praktisch allen, die gestorben sind und eine Legende hinterlassen haben, die sich auch heute noch gut verkaufen lässt. Billy Fury, Marc Bolan …“

      Was ist mit „You Just Haven’t Earned It Yet Baby“?

      „Geoff mochte den Song überhaupt nicht, weil er dachte, er wäre persönlich an ihn gerichtet.“

      Und? Richtete er sich persönlich an Geoff Travis?

      Er lacht lauthals: „Ich habe nie behauptet, dass sich der Song persönlich an ihn richtet. Das ist nur eine sehr, sehr grausame Interpretation Ihrerseits.“

      Waren Sie enttäuscht, dass die letzten Singles bei Rough Trade nicht erfolgreicher waren?

      „Ich hatte erwartet, dass sie allesamt größere Hits würden. Natürlich finde ich, dass die Leute Smiths-Platten hören sollten. Unter den gegebenen Umständen hätte ich auch leicht sagen können: ‚Wir nehmen überhaupt nichts auf‘, aber ich bin sehr stolz auf diese Songs. Ich stimmte der Veröffentlichung zu, weil ich eben finde, dass die Leute diese Songs hören sollten. ‚Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me‘ und ‚I Started Something I Couldn’t Finish‘ waren großartige Songs,


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