Im Gespräch mit Morrissey. Len Brown

Im Gespräch mit Morrissey - Len  Brown


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wurden, schien das Ende der Smiths zum passenden Zeitpunkt zu kommen. Trotzdem dachte ich, wenn es eine letzte Gelegenheit gäbe, mit unserer Musik in den Äther vorzustoßen, dann sollten wir sie nutzen. Ich finde außerdem, dass die Smiths die Sprache der Popmusik erweitert haben, indem sie eine neue Art von Texten einführten, die man in einem Top-40-Kontext bislang noch nicht gehört hatte. Und das ist sehr wichtig. Mir fällt gerade keine andere Band ein, die das momentan macht.“

      Wie denken Sie über die schwachen B-Seiten – alte Mixe und Livemitschnitte – der letzten Rough-Trade-Singles?

      „Ich kann damit leben. So schlecht sind sie auch wieder nicht. ‚Pretty Girls Make Graves‘ hielt ich allerdings für … [Grimassen]. Ich habe es erst mehrere Wochen nach der Veröffentlichung angehört. Die Platte mit ‚Some Girls Are Bigger Than Others‘ habe ich erst aufgelegt, als sie wieder aus den Charts war.“

      Ich erinnere mich daran, wie Sie es in der Brixton Academy gespielt haben.

      „Der Gesang war nicht besonders gut, aber soo schlecht ist es auch wieder nicht.“

      Wie steht’s mit der Coverversion von James’ „What’s The World“?

      „In einer anderen Zeit, mit einer voll funktionstüchtigen Band wäre das nie passiert. Es war einfach … Füllmaterial für die Kassetten-Version von ‚I Started Something I Couldn’t Finish‘.“

      Und das angekündigte Live-Album der Smiths bei Rough Trade?

      „Nun, es ist sehr gut, also freut es mich eigentlich, dass es herauskommt. Und da viele dieser Songs nie wieder live zu hören sein werden, ist es doch interessant, sie irgendwie dokumentiert zu haben.“

      Könnte Rough Trade weiterhin Smiths-Singles veröffentlichen?

      „Ja, das können sie. Ich glaube, sie wollen ‚This Charming Man‘ neu veröffentlichen, weil es seit 1932 oder so auf Halde liegt.“

      Warum erschien „There Is A Light That Never Goes Out“ nie als Single? Das hätte Ihr größter Hit werden können.

      „Man muss Rough Trade zugutehalten, dass sie das Stück als den Song auf The Queen Is Dead haben wollten, aber innerhalb der Band fand dies keine Zustimmung. Wir wollten ‚Bigmouth Strikes Again‘ haben. Ich glaube, dass danach ‚There Is A Light That Never Goes Out‘ kommen sollte, doch bis es so weit war, hatten wir schon ‚Panic‘ geschrieben und wollten es unbedingt … in die Pop-Wildnis hinausschleudern.“

      Aber was kann Rough Trade daran hindern, bis in alle Ewigkeit Singles neu aufzulegen?

      „Realistisch betrachtet, glaube ich nicht, dass sie das tun können. Es ist einfach vorbei. Sie haben mit der letzten Smiths-Veröffentlichung noch einmal alles herausgeholt, aber ich denke, Rough Trade wissen selbst ganz gut, dass sie nicht viel weiter gehen können. Wenn noch eine Best-Of-Platte erschiene, würden die Leute auf sie losgehen und Geoff Travis steinigen.“

      Würde Sie das nicht freuen?

      Er kichert. „Nein, ich würde keinen einzigen Stein werfen. Im Allgemeinen bin ich ein friedliebender Bürger.“ (Jahre später verglich er den wieder aufgewärmten Songkatalog der Smiths mit „einem Fisch, der ganz langsam an der Hafenmauer verendet“.)

      Was geschah mit der Single „Stop Me If You’ve Heard This One Before“?

      „Die Veröffentlichung war mir ungemein wichtig. Rough Trade verschickte Weißpressungen an Radio One, doch sie sagten, sie würden die Platte wegen der Zeile über Massenmord unter gar keinen Umständen spielen. Sie sagten, die Leute würden das sofort mit [dem Massaker von] Hungerford in Verbindung bringen, und Tausende würden sich Maschinengewehre kaufen und ihre Großeltern umbringen. Ich finde, Rough Trade hätten ‚Death Of A Disco Dancer‘ veröffentlichen sollen, nur um ihnen eins auszuwischen.“

      Weil Sie darauf Klavier spielen?

      Er kichert. „Genau! Gibt es einen besseren Grund? Zur Seite, Lieutenant Pigeon!“

      Sagen Sie das, weil die Mutter des Bandleaders von Lieutenant Pigeon damals auf einem Stück Klavier gespielt hat?

      „Ja, aber erinnern Sie sich noch an die Nachfolgesingle? Das Stück hieß ‚Desperate Dan‘. Derselbe Song, aber ohne das Pfeifen.“

      Im Winter des Achtziger-Pop mit seinen Wegwerfikonen und seinem bankrotten Hang zum Kannibalismus sollte die Bedeutung von Steven Patrick Morrissey auf keinen Fall unterschätzt werden. Mit den Smiths wurde er zum provokativsten Kommentator und wortgewandtesten Textdichter des Jahrzehnts. Es schien jedoch bereits, als nähmen wir post mortem eine pathologische Untersuchung an einem wunderbaren Wesen vor, das Morrissey und Marr zusammen erschaffen hatten (nicht vergessen werden darf freilich der hochenergetische Beitrag der Spießgesellen Rourke und Joyce); es war ein Wesen, das ich, wie viele andere, geliebt hatte und nun beweinte.

      Ob Morrissey & Marr als Komponisten einmal in einem Atemzug mit Lennon & McCartney, Lieber & Stoller oder Goffin & King (vielleicht sogar Flanders & Swann) genannt werden, wird erst die Zukunft zeigen. Morrissey war jedoch eindeutig nicht gekommen, um die Smiths zu beerdigen, sondern um ein Loblied auf sie zu singen.

      „Auf der Bühne waren die Smiths eine kraftvolle Einheit und beinahe unantastbar, wie ich persönlich finde. Die einzelnen Bandmitglieder waren in einem körperlichen Sinne ziemlich harte Burschen – Johnny, Mike und Andy spielten ihre Instrumente sehr aggressiv. Das Gefühl von Kraft auf der Bühne war, als würde einem jemand mit dem Staubsauger … über den Rücken fahren! Das Gefühl kennen Sie bestimmt sehr gut!“

      Johnny Marr hatte begonnen, mit den Pretenders zu arbeiten („Es würde mich sehr überraschen, wenn er dort auf ein ähnliches Interesse und eine ähnliche Resonanz stoßen würde wie bei den Smiths“), Rourke und Joyce spielten zusammen entweder bei The Adult Net oder für Sinead O’Connor. War eine Wiedervereinigung der Smiths also bereits unwahrscheinlich?

      „Ich denke die ganze Zeit darüber nach“, sagte Morrissey traurig zu mir. „Eine negative öffentliche Meinung oder arrogante künstlerische Zustimmung zur Trennung der Band lassen mich dabei eher unbeeindruckt. Ich würde eine Wiedervereinigung voll und ganz begrüßen – was nicht heißen soll, dass ich Zweifel an meinem Soloalbum oder der unmittelbaren Zukunft hege. Wenn wir nie wieder zusammenfinden, bin ich sicherlich auch ganz zufrieden mit meinem Leben. Doch ja, ich spiele mit dem Gedanken, und sobald jemand in den Schoß der Familie zurückkehren und Platten aufnehmen will, bin ich dabei!“

      Nun, die Hoffnung besteht … Marr ist jung …

      „Er ist fast noch ein Kind, er ist vierundzwanzig.“

      Es ist also noch reichlich Zeit.

      „Nein, weil ich fast neunundzwanzig bin. In ein paar Jahren bin ich tot.“

      Dann werden Sie nicht der Bing Crosby unserer Generation?

      „Die Janet Street-Porter vielleicht.“

      2.: Die Welt verändert sich

      „Das waren schlimme Zeiten damals“ – Tante Ada, Saturday Night And Sunday Morning

      Morrissey und die Smiths traten an einem wichtigen Wendepunkt in mein Leben. Die frühen Achtziger waren politisch und für mich persönlich trostlos. Mein jüngerer Bruder Don und ich waren in den Siebzigern in Newcastle-Upon-Tyne aufgewachsen und hatten den dortigen wirtschaftlichen Niedergang miterlebt. Im Jahre 1979 zogen wir in den Süden, um in London Arbeit zu finden. Ich fand schließlich einen Job als Sportreporter bei der East End News (dazu gehörte die Berichterstattung über die Spiele in West Ham und die regelmäßigen Veranstaltungen des Repton Boxing Club in der York Hall in Bethnal Green), während Don sich am Londoner University College einschrieb, um Altphilologie zu studieren.

      Harte Zeiten. Neben Massenarbeitslosigkeit, Inflation, dem aufkommenden Thatcherismus und dem zunehmenden Mangel an auch nur halbwegs interessanten Karriereaussichten ereignete sich noch eine ganze Menge anderer Dinge, die einem sensiblen Menschen aufs Gemüt schlagen konnten. Die Ermordung John Lennons Ende 1980, Bob


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