Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler
Charlie Watts stieg zeitweise bei ihm als Drummer ein. Brian Jones, der Mitbegründer der Stones, pflegte eine enge Freundschaft mit Alexis. Gitarrengrößen wie Eric Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page und natürlich Robert Plant, der zukünftige Sänger von Led Zeppelin, Davey Graham, der Blueser Long John Baldry, die Yardbirds und der Band-Leader John Mayall – Alexis kannte sie alle, und sie kannten ihn. In verschiedensten Besetzungen hatten sie schon mit ihm gespielt oder bei Jam-Sessions mitgemacht, die er organisiert hatte. Alexis wurde niemals die Aufmerksamkeit zuteil, die ihm gebührte.
In seiner Bude hatte ich das Gefühl, eine Verbindung mit dem großartigen britischen Blues-Revival einzugehen, einer musikalischen Bewegung, die sich von der traditionellen Jazz-Szene über den Rhythm’n’Blues entwickelt hatte und großartige Bands hervorbrachte. Wir redeten den ganzen Nachmittag, zogen einige Joints durch und tranken literweise Tee. Ich überredete Alexis zu einem Auftritt in der All Saints Hall.
Durch ihn erkannte ich, dass ich im Musikbusiness als Tourmanager arbeiten sollte. Zum Durchstarten bot er mir einen Job an. Ein kleines Festival in den Niederlanden war geplant, gefolgt von einigen Auftritten in Deutschland. Er fragte mich, ob ich Lust und Zeit hätte. Es sollte in Hoek van Holland beginnen. Von dort aus würde uns eine Fähre nach Belgien befördern, wonach die Shows in Deutschland anstünden. Alexis wollte mir die Kosten erstatten und mich einarbeiten. Natürlich ließ ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen.
Wir waren ungefähr sieben Tage unterwegs und hatten viel Spaß. Noch im Dunkeln brachen wir von London auf und verließen Großbritannien an einem kalten und trübseligen Morgen mit der Fähre. Ich stand am Heck, blinzelte in den Nieselregen und freute mich wie wild auf das wunderbare Abenteuer, das vor mir lag: Großbritannien zu verlassen, um die Musik in andere Länder zu bringen, nicht zu wissen, was als Nächstes geschieht – ja, auf Tour zu gehen! Ich war viel zu aufgeregt, um müde zu sein, wohingegen Alexis, seit Jahren ein Vollprofi, sich auf einen Stuhl hockte und schon schlief, noch bevor die Fähre den Hafen verlassen hatte.
In Bezug auf die Finanzen war Alexis ein gewiefter Geschäftsmann. Er erklärte mir mit großer Geduld die Komplikationen, die mit Geld einhergingen, ohne mir einen Penny abzugeben! Mit großer Vorfreude meinte er, wir könnten bei den jeweiligen Gigs essen, da der Veranstalter uns auf seine Kosten bewirten werde – und somit wären wieder einige Pfund gespart. Auf einer deutschen Autobahn mit leerem Magen zu fahren – mit der Aussicht auf Bratwurst, Bockwurst oder Wurst in einer anderen Form – ist allerdings nur den Helden und Tollkühnen zu empfehlen. Ich bin versucht, das als die schlimmste Erfahrung zu beschreiben, die man machen kann. Doch das ginge ein wenig zu weit. Ich habe überlebt und eine wertvolle Lektion gelernt: Verlass dich nie auf eine Beköstigung durch Konzertveranstalter.
Von Alexis erfuhr ich erstmalig etwas über die Rolle eines Werbesprechers. Er hatte eine warme und honigsüße Stimme, selbstbewusst und auf eine bestimmte Art überzeugend, eine Stimme, die jede Hausfrau dahinschmelzen ließ. Und so hörte man Alexis in zahlreichen TV-Werbespots. Als er uns bei einigen Joints erzählte, dass er hinter den Dasch-Spots steckte und die Worte „Dasch wäscht so weiß, weißer geht’s nicht“ wiederholte, kicherten wir wie Kinder, während der Transporter die Kilometer auf der Autobahn fraß. Ich war noch nie einem leibhaftigen Fernsehsprecher begegnet. Noch beeindruckender empfand ich Alexis’ Wissensschatz in Bezug auf Bruttoeinnahmen, Nettoeinkünfte, Tantiemen und den ganzen Geldfluss. Er war ein echt schlaues Bürschchen. Ich saß zwar nicht zu seinen Füßen, aber zumindest neben ihm!
Alexis besaß zwei Gitarren und einen Verstärker, die ich für ihn herumschleppte und auf der Bühne aufbaute. Wenn er schlief, übernahm ich das Lenkrad. Von ihm lernte ich, dass es klug war, immer und überall zu schlafen, wenn sich die Gelegenheit bot, denn während einer Tour kann man nie sagen, wann eine angemessene Ruhepause möglich ist. In den Niederlanden spielten wir auf einem kleinen Open-Air-Festival, wo der Regen kontinuierlich durch die über der Bühne angebrachte Plane tröpfelte. Doch alles lief mit holländischer Gründlichkeit ab, und die Bands erhielten sogar ihre Gage, was in jenen Tagen oft Glücksache war. Weil damals viele Gruppen leer ausgingen, entwickelte sich die Praxis, das Geld vor dem Konzert einzutreiben.
Zwei der Auftritte in Deutschland fanden in kleinen Clubs statt, die vor Blues-Fans aus ihren Nähten platzten. Diese Jungs kifften wie wild und tranken eimerweise Bier. Allerdings gab es wenig Geld, und zum Ausgleich spielten wir in einem amerikanischen Militärclub in der Frankfurter Kaserne. Mich beeindruckte der technisch bestens ausgestattete Veranstaltungssaal, in dem sicherlich 1.000 Zuschauer Platz fanden. Endlich stand Alexis auf einer großen Bühne mit einer guten Lichtanlage und spielte vor vollem Haus. Allerdings standen im Publikum überwiegend Afroamerikaner. Man bekam schnell das Gefühl, mitten in Deutschland in „Little America“ aufzutreten. Wir wurden in Dollar bezahlt, und so besorgten wir uns in dem auf der Basis gelegenen Shop für die Armeeangehörigen Kippen und Alk. Ich brachte als Trophäen eine Flasche Wild Turkey und eine Stange Camel mit nach Hause.
Als der ganze Tross nach Hause zurückgekehrt war, wurde mir klar, mit welchem Job ich mein Leben verbringen wollte. Vielen Dank an den Griechen, der den Blues spielte.
5. Free Music – aber bitte britisch!
Blackhill präsentierten die Floyd, doch es zeigten sich Risse im Gefüge des Psychedelic-Acts. Die Band musste sich zögerlich von Syd Barrett verabschieden und ihn durch David Gilmour ersetzen. Andrew und Peter hatten Syd mit ihrer Manager-Energie „aufgeladen“ und ihm das Gefühl gegeben, er sei das Genie von Pink Floyd. Sie glaubten wahrscheinlich, dass die Gruppe ohne ihren charismatischsten Musiker kaum mehr eine Erfolgschance habe.
Syd wurde zu einem Fall für den Psychiater, was viele Menschen heute noch zutiefst bedauern, und der Rest, ist wie man so schön sagt, Geschichte.
Blackhill vertraten auch Marc „T. Rex“ Bolan bis zu seinem viel zu frühen Tod. Mit einigen ihrer Künstler hatten sie jedoch Pech. Bands zu managen erschien mir oft wie ein Glücksspiel, ein Geschäft, bei dem man den Ausgang nie hundertprozentig voraussagen und kontrollieren konnte. Einige Jahre später stellte sich meine Beobachtung als wahr heraus – was mich verdammt viel Geld und Nerven kostete.
Doch damals waren wir noch idealistisch, optimistisch und begeisterungsfähig. Was kümmerte uns schon die nächste Woche, ganz zu schweigen vom nächsten Jahr? Das Leben fand jetzt statt, und nur das zählte.
Blackhill hatten einen geschickten Vertrag ausgehandelt, um in Londoner Parks Festivals zu veranstalten. Mir überließen sie den Job des Produktionsleiters vor Ort, der sich um die ganze Drecksarbeit kümmern musste, da die Typen im Büro ja viel zu beschäftigt waren. Queen Elizabeth II (Gott segne sie!) war praktisch die Eigentümerin aller Parks in der Stadt. Eine Regierungsstelle verwaltete die grünen Lungen im Londoner Mief. Ich kümmerte mich um die banalen Dinge, wie den Bühnenaufbau, die Abfallentsorgung, die Zufahrtswege für Transporter und Tausende anderer langweiliger, aber dennoch wichtiger Einzelheiten.
Ohne großartige Erfahrungen gemacht zu haben, gelangen uns wunderschöne Veranstaltungen. Die britische Art, sich Problemen mit der Würde eines Gentlemans zu stellen (und eine gelegentliche Haschpfeife zur Nervenberuhigung durchzuziehen), reichte meist aus, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Das überraschte die Anzugträger der Verwaltungsstellen, während wir zufrieden – und stoned – lächelten.
Es begann alles mit einer Show, „The Midsummer High Weekend“ betitelt, bei der Roy Harper, Jethro Tull und Tyrannosaurus Rex mit Pink Floyd als Headliner auftraten. Die Parkverwaltung (Royal Parks Commission) erteilte uns mutig die Genehmigung für das Festival. Erstmalig war es gelungen, dass jemand aus dem „Underground“ auf offizieller Ebene mit Regierungsvertretern zusammenarbeitete.
Diese Show brachte Blackhill Anerkennung von allen Seiten ein. Gleichzeitig stellte es die ideale Promotion-Plattform für die eigenen Künstler dar. Bemerkenswert ist die Tatsache (und gleichzeitig ist es ein interessanter Zufall), dass Pink Floyd bei der 68er Hyde-Park-Show David Gilmour als Nachfolger von Syd Barrett präsentierten, wohingegen die Stones am selben Ort, ein Jahr darauf, den Ersatz für Brian Jones vorstellten.
Doch nicht alle Blackhill-Shows wurden zu einem gigantischen Erfolg. Ein Konzert mit Fleetwood Mac in den Parliament Hills entwickelte