Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler


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einfließen lassen. Für mich stellte das neue psychische Empfinden ein wichtiges Element dar, eine Straße, die mich zu einem höheren Bewusstsein führte, das ich erforschen wollte. In ganz Europa und den USA zogen jungen Menschen dieselben Schlüsse.

      4. Schatten und Licht

      Der unmittelbare Effekt des LSD bewirkte aber auch einen leichten „Knick“ meines Selbstbewusstseins. Mein Verständnis der Welt war schlagartig auf den Kopf gestellt. Ich erkannte, dass ich keine Ahnung von der subjektiven Natur der individuellen Wahrnehmung der Realität hatte. Mein Ich schien Zuflucht bei einem neuen Bewusstsein gefunden zu haben, und ich musste täglich kämpfen, um die gerade gemachten Erfahrungen mit dem täglichen Leben eines Lehrers in Einklang zu bringen.

      Nach einem zweijährigen Kampf zwischen meinen Lust-Dämonen und der Knochenmühle des Lebens gab ich den Lehrerjob auf. Das Gehalt reichte kaum zum Leben, außerdem konnte ich die anderen Lehrer nicht leiden.

      Na ja, um ehrlich zu sein, erschienen mir Genuss und Hedonismus attraktiver und machten auch mehr Spaß! Der ursprüngliche Enthusiasmus und Idealismus waren wie weggefegt, hatten sich an den von Natur aus konservativen Richtlinien des Bildungssystems abgerieben. Die Kids interessierten mich, die Erwachsenen hingegen langweilten mich zu Tode. Nachdem ich die Schule verlassen hatte, vermisste ich die Kinder, und ich hoffte, auch sie würden noch oft an mich denken.

      Ich zog mit Freunden in eine Wohngemeinschaft an der Inverness Terrace im Herzen Londons und widmete meine ganze Energie den Aktivitäten des Musikgeschäfts und dem wohl wichtigsten Faktor im Leben eines jungen Mannes – Spaßhaben.

      London war ein brodelnder Hexenkessel, dessen süßliche Rauschwaden gen Himmel zogen. Meine neue Bude lag gleich links um die Ecke von der U-Bahn-Station Queensway aus gesehen. Über die Straße hinweg erstreckte sich das Grün des Hydeparks. Dort bemerkte ich kleine Gruppen junger Leute, die sich in wahnsinnig bunten Klamotten wie feminin wirkende Dandys aus der Regency-Zeit kleideten, den Tag an sich vorbeiziehen ließen und insgeheim Joints rauchten. Man konnte sich ganz ungezwungen zu einer Gruppe Fremder setzen und mit ihnen einige Worte wechseln. Die Leute teilten gerne das, was sie besaßen – außer man war ein Langeweiler oder ein Polizeibeamter.

      Im Richmond Park, im Westen Londons, graste eine große Herde Hirsche. Nach verregneten Nächten gingen wir schleunigst in den Park, um Magic Mushrooms zu suchen, die auf dem Kot der Tiere wuchsen, die gemächlich auf dem Grün grasten. Die kleinen, glockenförmigen Pilze sprossen in ungeahnter Geschwindigkeit empor und wackelten auf den spindeldürren Stämmchen. Kein Problem, die Dinger zu finden.

      Im frühen Morgennebel schlichen jungen Menschen lachend und kichernd durch das nasse Gras. Die Polizei hatte natürlich keine Ahnung von diesen „frühen Vögeln“, die „neue Würmer“ fingen.

      Dann fuhren die Leute nach Wales, um Pilze zu sammmeln; hier waren diese im Übermaß zu finden. Schnell bildete sich eine ganze Bewegung ehemaliger Stadtbewohner, die nun in den walisischen Tälern lebten. Plötzlich standen Indianerzelte zwischen den Hügeln, die schon seit einer Generation kaum ein Mensch betreten hatte, weil die Farmen unwirtschaftlich geworden waren. Haschisch wie Schwarzer Afghane oder Roter Libanese waren in London und den angrenzenden Grafschaften an jeder Ecke zu haben. Bei einem Spaziergang über den Kensington Market oder die Kings Road hinunter roch man überall Joints. Fast von Minute zu Minute wurde die Mode flippiger und abgedrehter. Nie sahen die Frauen schöner aus.

      Wir steckten mitten in einem Generationswechsel. Die Veteranen des Zweiten Weltkriegs rissen nun die Macht an sich.

      Die politische Ausrichtung der Studenten in Großbritannien verlief synchron mit den Geschehnissen in Paris, wo im Mai 1968 der Protest junger Menschen mit Unterstützung von Gewerkschaftlern in gewalttätige Demonstrationen mündete und in die Besetzung von Universitäten und Fabriken. Die amerikanische Vietnampolitik radikalisierte dekadente Popstars, und sogar Mick Jagger – das rechne ich ihm bis in alle Ewigkeiten hoch an – nahm an einer riesigen Demonstration gegen den Vietnamkrieg teil, bei der ich mit meinem Freund Hubert aus Paris in der ersten Reihe das Banner trug. Das Logo der Kampagne für nukleare Abrüstung war überall zu sehen.

      In Notting Hill konnte ich die Veränderungen hautnah miterleben. Die Menschen schienen diese grimmige Verdrossenheit abgelegt zu haben, mit der die Briten der Welt gegenübertreten. Auf den Londoner Häuserwänden tauchten merkwürdige Slogans auf: „Wenn Wahlen etwas veränderten, würde man sie sofort abschaffen.“ Oder: „Haschisch ist das neue Opium des Volkes.“

      Scheinbar jeder diskutierte über radikale Alternativen zu den alten Systemen, junge Menschen beäugten die Musikindustrie mit Argwohn und spekulierten über einen neuen Ansatz. Wir hatten den Eindruck, dass das Musikbusiness nur von alten Säcken bestimmt wurde, die auf Fotos mit ihren dicken Zigarren arrogant posieren. Der Management-Ansatz von Larry Parnes/Tito Burns/Larry Parnell schien hoffnungslos überaltert zu sein, weil nur noch greise „Betonköpfe“ die Fäden zogen. Einige der alten Manager tricksten nicht nur mit dubiosen Geschäftsmethoden, sondern arbeiteten auf die gleiche Art und Weise wie schon seit Millionen von Jahren. Für uns waren das nur noch Fossilien.

      Als naiv konnte uns niemand bezeichnen. Jeder wusste, dass einige dieser Typen die Künstler in jeglicher Hinsicht kontrollierten und nicht viel besser als sexuelle Raubtiere agierten. Ihnen lag viel daran, einen „Stall“ junger Männer als Stars aufzubauen und davon zu profitieren – in welcher Hinsicht auch immer. Wir fanden das alles hochverdächtig.

      Eine Zeitlang bestimmten gut aussehende Jungs in Röhrenhosen mit ausgebeultem Schritt das Geschehen, die den Massen musikalische Pappgerichte servierten. Sie tauchten im Fernsehen auf, und ihre Platten schossen in die Charts. Wenn wir die „Künstler“ sahen, zogen alle verächtlich die Oberlippe hoch und kicherten: „Voll eins auf den Arsch, es trifft den Richtigen.“ Wir führten uns wie besserwisserische Lehrer auf, die den Dummen den Hintern verdreschen können.

      All diese Papp- und Plastikmusik wirkte sich glücklicherweise nicht auf die Acts aus, die nach Alternativen suchten: Soft Machine, Pink Floyd und Arthur Brown, der Bandleader von The Crazy World of Arthur Brown. Diese Bands waren viel zu „far out“ für die alten Knacker, die das Musikbusiness leiteten. Sie hatten panische Angst, eine Beziehung zu diesen drogenschluckenden, langhaarigen Typen werde einen Hauch des Skandals in ihr sonst „grundanständiges“ und allgemein akzeptiertes Leben bringen.

      Die alternative Musik benötigte zumindest zu Beginn ein alternatives Management, doch es dauerte nicht allzu lange, bis die Haie der Industrie ihre Zähne in einige der psychedelischen Bands schlugen. Glücklicherweise befand ich mich da schon in den USA und führte ein tolles Leben.

      Die All Saints Church Hall, nahe der Westbourne Grove in Notting Hill, gehörte zu den ersten Orten, an denen die alternative Musikszene aufblühte. Dort spielten die Bands nur so aus Spaß, und die Zuschauer zahlten am Eingang einen beliebigen Betrag. Ich arbeitete dort umsonst und war zufrieden, wie all die anderen auch. Die All Saints Church Hall entwickelte sich in der Zeit ihres Bestehens zu einem legendären Veranstaltungsort. Musiker wie Arthur Brown und Charlie Watts traten dort vor einem aufnahmebereiten und zahlreich erschienenen Publikum auf. Ich freundete mich dort mit Nick Mason an, dem Schlagzeuger von Pink Floyd.

      Ganz kurz glaubte ich, dass ich mich total in die Schwester der Frau verknallt hätte, die später Nick heiraten sollte, doch damals liebte ich eigentlich alle Mädchen, die sich in der Musikszene tummelten. Ein Hauch göttlicher Erhabenheit umgab sie, sie waren begehrenswert, und ich wollte mit allen ins Bett! Ich liebte die Liebe und musste nur noch herausfinden, was ich mit meinem Herzen anstelle.

      Zu den Pink-Floyd-Konzerten erschienen regelmäßig die schärfsten Frauen, besonders als noch Syd Barrett, ihr erster Sänger und Frontmann, in der Band spielte. Wann immer ich Syd traf, der manchmal wie ein verängstigtes Reh in den Scheinwerfern eines Wagens aussah, wurde er von einer bezaubernden Dame begleitet, die wie eine Göttin durch den Raum schwebte. Wir freuten uns für ihn und sein Glück. Ich beobachtete, wie die „andersweltigen“ Frauen Syd ausnahmslos und ohne zu zögern ins Visier nahmen. Er schenkte ihnen wenig Aufmerksamkeit und war mit seinen launenhaften Stimmungsschwankungen beschäftigt, obwohl er ihrer Fürsorge bedurfte. Syd


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