Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten. Sam Cutler

Live dabei - Mein Leben mit den Rolling Stones, Grateful Dead und anderen verrückten Gestalten - Sam Cutler


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Band.

      In dem Pub wurde ich zum ersten Mal high, wofür ich einigen Musikern danken möchte! In einem eingezäunten Hinterhof des Ladens standen die ganzen Bierfässer und die Tische, die der Besitzer raus­gestellt hatte, um Platz für die Tanzfläche zu schaffen. Schnell merkte ich, dass sich die Band in den Pausen dorthin zurückzog. Nachdem sie ihre In­strumente abgelegt hatten und draußen Luft schnappten, ging ich in den Hof, um mich mit ihnen zu unterhalten. Sie behandelten mich mit einer gewissen Distanz, die alle Musiker wahren, wenn sie mit ihren Fans reden. Da ich noch viel zu jung war, um in ihr Revier einzudringen, störte sich niemand an mir. Sie qualmten ihre Joints, als wäre es die natürlichste Sache auf der Welt.

      Die Musiker ließen den Joint kreisen, jeder zog daran, und dabei unterhielten sie sich, ohne mich in das Gespräch einzubinden. Es war eine völlig entspannte Atmosphäre. Ich lehnte mich lässig gegen die Wand, um so richtig cool zu wirken. Wer auch immer der Mann war, der mir den Joint gab – er schaute mich dabei noch nicht einmal an und reichte mir die Wundertüte, während er angeregt mit seinen Freunden plauderte. Ich sagte kein Wort, folgte dem Ritual, das ich beobachtete hatte, ließ mir Zeit und nahm einige tiefe Züge, bevor ich den Joint weiterreichte. Doch nichts geschah, was mich ziemlich enttäuschte. Wenige Minuten später hielt ich einen neuen Joint in der Hand. Er schien stärker zu sein. Die Musiker verließen den Hof, um ein weiteres Set zu spielen, und ich verharrte wie angewurzelt auf der Stelle. Ich brauchte einige Zeit, bis mir klar wurde, dass sie schon gegangen waren. Benebelt schlich ich mich in den Pub zu Kelly. Nachdem ich mich durch die Menge gequetscht hatte, merkte ich, dass ich wegen der Geräuschkulisse kaum mit ihm sprechen konnte. Die Musik der Band dröhnte im ganzen Raum, der mir jetzt viel wärmer vorkam, und irgendwie funktionierte die Koordination zwischen meinem Gehirn und dem Mund auf einer anderen Zeitebene. Kelly und ich setzten uns an einen Tisch und beobachteten die Leute in dem brechend vollen Laden. Ich blickte auf die Tanzfläche und dachte, meine Zunge sei angeschwollen. Saß ich hier im falschen Film? Das Bier schmeckte grässlich, die Frauen waren nicht attraktiv, und Kelly wirkte wie ein Außerirdischer. Meine Nase kribbelte wie wild, ich hatte das Gefühl, jede Sekunde niesen zu müssen. Ich atmete durch den Mund und nippte teilnahmslos am Bier. Hier stank es doch wie in der Hölle! Ich murmelte einige unverständliche Worte und verzog mich aufs Klo, um einen klaren Kopf zu bekommen.

      Dort stand ich neben einem wahren Hünen und war geschockt, denn trotz des ätzenden Gestanks des Urinals konnte ich seinen Geruch noch wahrnehmen. Ich lachte in mich hinein, weil mein Zinken plötzlich so sensibel war wie der eines Hundes. Zugleich verwirrte mich diese Erfahrung. Ich drängelte mich erst mal raus aus dem Pub, um frische Luft zu schnappen. Um nach Hause zu kommen, musste ich ganze vier Meilen gehen, aber trotzdem entschuldigte ich mich bei Kelly unter irgendeinem Vorwand und machte mich auf den Weg.

      Der Nachgeschmack des Biers war echt schrecklich. Ich hätte alles in der Welt für ein Glas Wasser gegeben. Doch als ich die frische Luft gierig einsog, fühlte ich mich schon lebendiger. Auf dem Weg dachte ich über meine Lebenssituation nach. Ich musste noch fast ein Jahr in der Schule über mich ergehen lassen, da Mutter mir das unumstößliche Versprechen abgerungen hatte, dass ich von dem Laden erst mit 16 abginge. In der Zwischenzeit – bevor ich mein Zuhause, die Schule und Großbritannien verlassen konnte – brauchte ich eine sinnvolle Beschäftigung. Mir fehlte einfach die Lebensfreude. Ich ging zügiger, und plötzlich erschien mir Croyden, das ich bislang verabscheut hatte, gar nicht so schlecht zu sein. Beim Gedanken, nun ein Kiffer zu sein, bekam ich sofort gute Laune. Doch ich wusste nicht, wo man sich das neu entdeckte Lebenselixier besorgte. Aber das sollte mir vorerst egal sein. Zumindest hatte ich eine Aufgabe und musste nicht an der Theke abhängen, ein Bier nach dem anderen kippen und von der Bedienung träumen.

      Ja, in diesem zarten Alter wurde aus mir ein waschechter Kiffer. Bis zum heutige Tag bin ich davon überzeugt, dass ich nur so das letzte, quälend langweilige Jahr in der Schule überstand. Ich steckte in der Klemme und musste auf meine Zeit warten. Ich redete wenig, las so viel wie möglich und hörte die ganze Zeit über Musik. Nach dem Jazz interessierte ich mich für den Blues, der schnell von Gene Vincent und Elvis Presley abgelöst wurde. Fast mühelos fand ich den Weg zu dem, was ich liebte.

      Ich besuchte öfter einen Freund und nahm immer meine Gitarre mit. Er war ein großartiger Fingerpicking-Gitarrist; während wir uns einen Joint teilten, zeigte er mir einige Blues-Licks. Damals lebte er bei seiner Mutter Jeannie, einer wirklich scharfen Lady britisch-indischer Herkunft, die in der Vergangenheit in Londons Windmill Theatre als Tänzerin gearbeitet hatte. Wenn sie von der Arbeit kam, wurde sie von zwei kichernden Teenagern empfangen, die ihren Spaß hatten.

      Manchmal tanzte sie zu unserem Gitarrenspiel. Während mein Blick über ihren Körper glitt, wurde mein Mund immer trockener. Ich begehrte sie, doch ich hätte niemals mit meinem Freund darüber reden können. Ich wollte von ihm so viel wie möglich über das Gitarrenspiel erfahren und ihn bloß nicht verärgern. Ein Spruch wie „Ich stehe auf deine Mutter, und, ach ja, wie greift man einen F-Dominantsept-Akkord?“ wäre wohl nicht klug gewesen.

      Der Einzige, mit dem ich über meine Gefühle reden konnte, war ein Kumpel namens Brian. Schon bald machte ich mich auf den Weg zu seinem Haus, um ihm von meinem sexuellen Frühlingserwachen zu berichten. Wir hockten uns in sein Zimmer, und während Brian einen Joint kurbelte, versuchte ich ihm von Jeannie zu erzählen, doch ich kam nicht zu Wort, weil Brian wortgewandt von einem Buch schwärmte. Ich hörte aufmerksam zu, als er mir von den Figuren und der Handlung erzählte. Es handelte von den USA und zog mich augenblicklich in den Bann.

      Brian überreichte mir feierlich Jack Kerouacs On the Road.

      Ich ging nach Hause, machte es mir in meinem Zimmer bequem und begann mit der Lektüre. Es war für mich eine unvergleichliche Offenbarung. Zum ersten Mal hielt ich ein Buch in Händen, das einen Neubeginn schilderte, das die Lust des Aufbruchs und des Reisens beschrieb – all das, was ich mir schon immer gewünscht hatte, was ich schon als kleines Kind verwirklichen wollte. On the Road handelte von Jazz, Sex, Dope und von der Hoffnung. Ich war mir sicher, in diesem ruhelosen Romantizismus die Vorlage eines Lebensentwurfes für mich gefunden zu haben, und liebte jede einzelne Seite mit zügellosem Enthusiasmus. Das Werk überragte alles, was ich bis zu dem Zeitpunkt gelesen hatte.

      On the Road war das erste Buch, in dem ein Drogenrausch beschrieben wurde. Mich beruhigte die Tatsache, dass auch andere kifften und dann sogar noch Werke darüber verfassten. Schnell erkannte ich, dass der Erzähler Sal Paradise, in der Handlung ein Schriftsteller, den schwierigen, aber trotzdem magischen Dean Moriarty liebte. Ich sehnte mich nach einem Menschen in meinem Leben, der solch eine Magie ausstrahlte. Nachdem ich erst mal Dean Moriarty zu meinem Helden auserkoren hatte, überraschte mich nichts und niemand mehr. Alles schien möglich.

      Durch dieses Buch inspiriert, wollte ich die USA von Küste zu Küste bereisen, immer weiter westwärts fahren, bis die Brandung des Pazifiks meine Knöchel umspülte. Ich wollte in zwielichtigen Kaschemmen mit durchgeknallten Typen kiffen, mich ohne Ziel treiben lassen, einfach die pure Lebenslust spüren und alles genießen, was ich sah und erlebte – und später dann nach Mexiko City fahren. In dem Buch wurde aus einer Reise durch die USA mit hoher Geschwindigkeit die Metapher für eine Reise ins Innerste der Psyche.

      Bis zum heutige Tag gehört On the Road zu den wenigen Romanen, die ich von vorne bis hinten gelesen habe, ich hielt inne und machte weiter – drei Mal. Nach der Lektüre erkannte ich, dass ich ein „Beatnik“ bin. Oder, um genau zu sein, ganz nach dem Vorbild des Werks ein Beat werden wollte.

      Jahre später erfuhr ich, dass die Figur des Dean Moriarty aus On the Road auf Neal Cassady basierte, dem Freund des Schriftstellers Ken Kesey, der den Bus der Merry Pranksters fuhr. (Die Pranksters waren eine Gruppe von Freigeistern und Suchenden, die sich 1960 um Kesey scharten.) Die Grateful Dead kannten Neal Cassady und hielten große Stücke auf ihn. In der Zukunft sollte ich mich also um eine Band kümmern, die tatsächlich einem meiner Helden begegnet war! Um mich frei entfalten zu können – und das wollte ich dringend –, musste ich die Schule aufgeben und verdammt noch mal aus Großbritannien verschwinden.

      Die Aussicht, genau wie mein Vater ein Lohnsklave zu werden, erfüllte mich mit großer Angst. Soweit ich es einschätzen konnte, sahen die Lehrer in mir einen Handwerker mit großem Potenzial, vielleicht einen Klempner,


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