Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht. Marco Gehrig
ist eine ordnungsgemässe Verfahrensdokumentation, welche aus der Anwenderdokumentation, der technischen Systemdokumentation sowie der Betriebsdokumentation besteht.94 Die Anwenderdokumentation muss alle Informationen enthalten, die für eine sachgerechte Bedienung einer IT-Anwendung erforderlich sind. Die technische Systemdokumentation enthält eine technische Darstellung der IT-Anwendung als Grundlage für die Einrichtung eines sicheren und geordneten IT-Betriebs sowie für die Wartung der IT-Anwendung durch die Programmersteller. Die Betriebsdokumentation dient der Information für die ordnungsmässige Nutzung der IT-anwendungsrelevanten Verfahren.
• Aufbewahrungspflichten
Erforderlich ist die Aufbewahrung der zum Verständnis der Buchführung notwendigen Unterlagen.
• Prüfpfad
Die Ordnungsmässigkeit der Buchführung verlangt, dass die Spur von der Erfassung des Buchungstatbestandes über die Verarbeitung in der IT bis zur Darstellung der Information in der Rechnungslegung nicht abreisst und nachvollziehbar ist. Damit dies gewährleistet ist, kommen im Umfeld der IT in den meisten Fällen Referenzierungen (Belege, Journal, Artikel, Batchnummern, usw.) zum Einsatz.95 Nachdem in fast allen Unternehmen in der Buchführung und Rechnungslegung IT-gestützte Systeme zum Einsatz kommen, ist der organisatorischen Ausgestaltung der IT-Darstellung durch die Verantwortlichen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.96
2.11 Rechtsfolgen der nicht ordnungsmässigen Buchführung
Mit strafrechtlichen Normen sollen die buchführungspflichtigen Unternehmen angehalten werden, die Vorschriften zur Buchführung und Rechnungslegung einzuhalten.
Nach StG 325 wird mit Haft oder Busse bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig der gesetzlichen Pflicht, Geschäftsbücher ordnungsmässig zu führen oder aufzubewahren, nicht nachkommt. Es handelt sich um eine Übertretung. Wie die Kriminalstatistik zeigt, sind Urteile selten, weshalb StG 325 in der Praxis kaum von Bedeutung ist. Dies erstaunt nicht, weil in kleinen Personenunternehmen und selbst Kleinkapitalgesellschaften mit einem Opting-out bei der Abschlussprüfung Dritte nur in Ausnahmefällen überhaupt von der ordnungswidrigen Buchführung erfahren.
Anders bei den von StG 116 erfassten Sachverhalten. Als Folge der Konkurseröffnung oder der Ausstellung von Verlustscheinen nach Pfändung (SchKG 43) sind die Unternehmensgläubiger durch das Unterlassen einer ordnungsgemässen Buchführung geschädigt worden. Gefängnis oder Busse ist die strafrechtliche Sanktion.
An die Qualität der Rechnungslegung knüpfen die Strafbestimmungen von StG 152 (unwahre Angaben über kaufmännisches Gewerbe) und StG 251 (Urkundenfälschung) an. StG 152 spielt in der Praxis nur eine unbedeutende Rolle, während die Urkundenfälschung das »Königsdelikt« ordnungswidriger Rechnungslegung darstellt.97
Eine falsche Buchung erfüllt den Tatbestand der Falschbeurkundung, wenn sie ein falsches Gesamtbild der Buchführung zeichnet und dabei Buchungsvorschriften und -grundsätze verletzt, die errichtet worden sind, um die Wahrheit der Erklärung und damit die erhöhte Glaubwürdigkeit der Buchführung zu gewährleisten. Solche Grundsätze werden namentlich in den gesetzlichen Bestimmungen über die ordnungsgemässe Rechnungslegung in den Bilanzvorschriften in Art. 958 ff. OR aufgestellt (BGE 132 IV 12).
Als Urkunden gelten alle Elemente der kaufmännischen Buchführung wie Belege, Bücher, Buchhaltungsauszüge über einzelne Konten, Bilanzen, Erfolgsrechnung, Anhang (BGE 129 IV 130).98
Die Steuerbehörden wählen den Weg der strafrechtlichen Verfolgung für Steuer- bzw. Abgabebetrug im Zusammenhang mit ordnungswidriger Buchführung eher selten.99 Als Sanktion steht ihnen in eigener Kompetenz die Erhebung einer Strafsteuer im Sinne eines Steuerbetrugs zur Verfügung (DBG 186). Zu ergänzen ist, dass ein Steuerbetrug und auch eine Steuerhinterziehung oft im Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemässen Buchführung stehen.
In Ergänzung bestehen auch zivilrechtliche Prozessweg offen, wonach Gläubiger aufgrund der nicht ordnungsgemässen Buchführung Klage erheben können. Die dadurch drohenden Reputationsrisiken für Unternehmen können beachtlich sein und auch zu weiterem ökonomischem Schaden führen.
15 Bis zum Inkrafttreten des Rechnungslegungsrechts vom 23. Dezember 2011.
16 Der umfassendere Begriff der Rechnungslegung wurde vom Gesetzgeber erstmals in den Sondervorschriften für die Aktiengesellschaften 1991 verwendet.
17 Der E-OR 957 des Bundesrates (BBI, S. 1787) wurde bei der parlamentarischen Beratung abgeändert.
18 Die von aOR 958 geforderte Inventarpflicht verlangte ein Verzeichnis aller Aktiven und Passiven nach Gattung, Menge und Wert auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Bilanz.
19 Die unpräzise Bezeichnung Betriebsrechnung wurde in der Fachliteratur als Erfolgsrechnung ausgelegt.
20 Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, S. 209.
21 Eine gemischte Holdinggesellschaft übt neben dem Halten von Beteiligungen auch noch eine operative industrielle oder Dienstleistungstätigkeit aus.
22 HWP, 2014, S. 30.
23 Böckli, Neue Rechnungslegungsrecht, S. 69. veb.ch empfiehlt deshalb eine minimale doppelte Buchhaltung.
24 Diese Grundsätze wurden allerdings schon vor dem Rechnungslegungsrecht durch die Lehre umfassend und vereinzelt auch die Rechtsprechung konkretisiert und jeweils im Handbuch der Wirtschaftsprüfung (HWP), letztmals 2009, erläutert. Pfaff/Ganz/Stenz/Zihler, Kommentar zu OR 857a, Anmerkung 916, S. 96.
25 Grundlegend dazu Leffson: Die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung (Düsseldorf 1987). Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, S. 37.
26 Honsell/Vogt/Walter, Obligationenrecht II.
27 Ergänzungsband Revidiertes Rechnungslegungsrecht 2013, Hrsg. Roberto, V./ Trueb, H.R. Kommentarverfasser L. Lipp (Zürich 2013).
28 Pfaff/Ganz/Stenz/Zihler, Kommentar zu OR 957, Anmerkung 6 – 18, S. 69 ff.
29 Botschaft 2007, S. 1698. Diese leitet die Pflicht zur doppelten Buchhaltung ausdrücklich aus OR 957a II, Ziff. 1 ab.
30 Bossard, Kommentar zu OR 957, Anmerkung