Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht. Marco Gehrig
Eine zentrale formelle Qualitätsanforderung betrifft den Gesamtaufbau der Buchführung, die zu führenden Konten und ihr Zusammenhang in ihrer Anpassung an die Grösse und Eigenart des Unternehmens.48
Massgebend für den Ausbaugrad sind einerseits die Informationsbedürfnisse der Unternehmensleitung (Selbstinformation) und von Beteiligten (insbesondere Minderheiten nach OR 962 II) sowie bei grösseren Aktiengesellschaften des Verwaltungsrats als Aufsichtsorgan mit Finanzverantwortung (OR 716a). Bei einer Produktionsunternehmung genügt die Finanzbuchhaltung in der Regel nicht. Diese muss durch das betriebliche Rechnungswesen ergänzt werden.
Für die zur laufenden Erfassung der Veränderung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erforderlichen Aufzeichnungen – Buchungen – sind Geschäftsbücher zu führen. Eine nähere Umschreibung dazu fehlte im aOR 957. Diese Lücke wurde 2001 der Verordnung über die Führung und Aufbewahrung der Geschäftsbücher (GeBüV) behoben, welche die Führung eines Hauptbuchs und je nach Art und Umfang auch von Hilfsbüchern verlangt.
Anlass zu Buchungen geben sog. Geschäftsvorfälle bzw. Geschäftsereignisse (transactions) und Sachverhalte, durch welche Mengen und Werte (Aktiven, Passiven, Aufwendungen und Erträge) von bestimmten Buchungsobjekten verändert werden.
Jeder Geschäftsvorfall ist grundsätzlich einzeln zu erfassen. Zusammengefasste Buchungen sind zulässig, wenn sie nachvollziehbar in ihre einzelnen Positionen aufgegliedert werden können.
Die Buchungen erfolgen:
• chronologisch im Journal (nach GeBüV Teil des Hauptbuchs),
• systematisch geordnet auf Konten im Hauptbuch,
• ergänzend z. B. Debitoren-/ Kreditoren-/ Lagerbuchhaltung in Hauptbüchern.
Es wird jedoch nicht jede Veränderung eines Buchungsobjektes erfasst, sondern nur jene, die buchungsfähig und zudem buchungswürdig sind. Die Buchungsfähigkeit hängt von technischen Möglichkeiten der Erfassung ab. Aus der Vielzahl der buchungsfähigen Tatsachen sind jene auszuwählen, die buchungswürdig sind. Die Buchungswürdigkeit wird durch die zwingenden gesetzlichen Anforderungen an die Buchführung bestimmt49, d. h., von der Buchungspflicht sowie von den gewünschten Informationen der Adressaten ab. Bei der Auswahl der Buchungstatsachen sind der Nutzen einer Information und die damit verbundenen Mehrkosten der Aufzeichnungen abzuwägen. In der Buchhaltung werden jedoch nicht alle Geschäftsvorfälle erfasst, welche die wirtschaftliche Lage beeinflussen und nicht alle Geschäftsvorfälle lösen eine Buchung aus. Wenn eine Maschinenfabrik einen Auftrag erhält, wird zum Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nichts gebucht, wenn damit keine Anzahlung verbunden ist und somit keine Buchungsobjekte verändert werden. Geldbewegungen sind grundsätzlich immer buchungspflichtig. Geringfügige Auszahlungen werden in der Praxis im Einzelnen nicht als buchungswürdig betrachtet und daher oft nur in einer Einmalbuchung über Portokasse oder Kleine Kasse (Petty Cash) erfasst.
Buchungen erfolgen in der Form eines sog. Buchungssatzes. Dieser umfasst das Buchungsdatum, die Nennung des Soll- und des Habenkontos und den Buchungstext, welcher den Sachverhalt kurz erklärt, sowie den Geldbetrag, wobei die notwendigen Buchungsvermerke belegt werden müssen.50 Ein Verweis auf den Buchungsbeleg ist aus steuerrechtlicher Perspektive notwendig. Die im Journal in zeitlicher Reihenfolge aufgezeichneten Buchungstatsachen werden in sachlich logischer Folge auf den Konten abgebildet.
Konten sind Darstellungsmittel mit zwei Seiten oder Spalten über einzelne Buchungsobjekte wie Aktiven und Passiven, Aufwendungen und Erträge. Historisch bedingt wird die linke Seite mit Soll (Debit), die rechte Seite mit Haben (Credit) bezeichnet.51
Zur Erfüllung der Kontenfunktion sind die Geschäftsvorfälle getrennt nach Sach- und Personenkonten mit folgenden Angaben darzustellen: Kontenbezeichnung, Kennzeichnung der Buchungen, Saldo nach Soll und Haben, Buchungsdatum, Belegdatum, Gegenkonto, Belegnachweis, Buchungstext bzw. -schlüssel.52
Zu den formellen Anforderungen zählt auch der Ablauf der Aufzeichnungen, konkret der Ermittlungs- und Verbuchungszeitpunkt. Verbuchungen haben zeitnah zu erfolgen. Das Rechnungslegungsrecht erwähnt diese Forderung nicht und Gerichtsentscheide zu diesem Aspekt der ordnungsmässigen Buchführung fehlen.53 Wenn ein buchungspflichtiger Sachverhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht buchungsreif ist, ist es den Buchführenden überlassen, den sachgerechten Zeitpunkt zu bestimmen.54
Zur Sicherstellung eines sachlogischen Kontensystems (GeBüV II) sind ein Kontenplan und in grösseren Unternehmungen Kontierungsanweisungen55 erforderlich, damit gleichartige Buchungstatsachen einheitlich verbucht werden. Dies ist aus der Sicht der Rechnungslegung als Führungsinstrument für den unternehmensinternen Vergleich von Bedeutung. Um zwischenbetriebliche Unternehmensvergleiche aussagekräftig zu gestalten, wurden Kontenrahmen entwickelt, welche eine umfassende Zahl von Konten aufführen, indem die Unternehmung nach ihren Bedürfnissen einen Kontenplan zusammenstellen kann. Um den besonderen Verhältnissen eines einzelnen Wirtschaftszwecks Rechnung zu tragen, sind für diese besonderen Branchen Kontenrahmen entwickelt worden.
Die vom Gesetzgeber im Rechnungslegungsrecht mit den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung (kurz GoB) geforderte systematische Erfassung der Buchungstatsachen (OR 957a II, Ziff. 1) macht den Einsatz eines auf einen Kontenrahmen abgestützten Kontenplans in der Buchführung zwingend.
Die materiellen Voraussetzungen der Ordnungsmässigkeit sind mit den Grundsätzen zur ordnungsmässigen Buchführung sowie verschiedenen Einzelnormen gesetzlich geregelt. Die mangels Rechtsnormen im bisherigen Recht erforderlichen Darstellungen der Lehre erübrigen sich.
2.6.2 Formen, Sprache und Währung der Buchführung
Der schweizerische Gesetzgeber hat im OR 1936 im Gegensatz zum Deutschen Handelsgesetzbuch keine qualitativen Anforderungen an die Aufzeichnungen der kaufmännischen Buchführung gestellt. aOR 960 hält lediglich fest, dass Inventar, Erfolgsrechnung und Bilanz in Landeswährung aufzustellen sind. Auch die Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) 2002 schreibt nur die zu führenden Bücher vor, ohne die Form (Sprache, Schrift, Währung) festzulegen.
In der Rechnungslegung werden alle anderen Währungen als die Währung der Buchführung als Fremdwährung betrachtet.56 Verwendet beispielsweise die Tochtergesellschaft eines deutschen Konzerns mit Sitz in der Schweiz in der Buchführung den Euro, so gilt die Landeswährung Schweizer Franken (CHF) als Fremdwährung. Für die Buchführung schweizerischer Unternehmen ist in der Regel der Schweizer Franken als Landeswährung massgebend.
Neu erlaubt OR 957a IV für die laufende Buchführung und OR 958d III für die Rechnungslegung neben dem Schweizer Franken als Landeswährung auch die Verwendung einer anderen »für die Geschäftstätigkeit wesentliche Währung«. Als Funktionalwährung (Functional Currency) eines Unternehmens gilt die Währung des primären Wirtschaftsumfeldes, in dem das Unternehmen tätig ist und in der die Geldflüsse hauptsächlich anfallen (entsprechend der Definition in IAS 21/8).
Probleme mit der Fremdwährung ergeben sich in der Buchführung bei der Erfassung von Geschäftsvorfällen in Fremdwährung sowie bei der Buchführung und der Rechnungslegung in der Funktionalwährung, weil in der Jahresrechnung die Werte in der Landeswährung anzugeben sind. Die verwendeten Umrechnungskurse können im Anhang offengelegt und ggf. erläutert werden. Diese Information ist für die Abschlussadressaten