Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht. Marco Gehrig
Darstellungswährung (Presentation Currency) wird nach IAS 21/8 jene Währung bezeichnet, in der die Abschlüsse veröffentlicht werden. Weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien finden sich Erläuterungen zur Ermittlung der Angaben in der Darstellungswährung Schweizer Franken (CHF), wenn die Buchführung in der Funktionalwährung erfolgt. Sofern jedoch die Rechnungslegung nicht in Schweizer Franken erfolgt, sind nach OR 958d II im Anhang die verwendeten Umrechnungskurse anzugeben.
Es sind zwei Optionen offen57:
• Die Bilanzpositionen (ohne Eigenkapital) werden zum Stichtageskurs umgerechnet, jene der Erfolgsrechnung und der Geldflussrechnung zum Durchschnittskurs der Geschäftsperiode. Das Eigenkapital wird zu historischen Kursen fortgeschrieben. Die entstehende Umrechnungsdifferenz wird über eine entsprechende Position in den Gewinnreserven direkt im Eigenkapital dargestellt.
• Die Eigenkapitalpositionen werden in CHF geführt und in der Bilanz in der Fremdwährung zum Stichtageskurs bewertet. Unrealisierte Verluste werden der Erfolgsrechnung belastet, unrealisierte Gewinne dagegen in der Bilanz in Funktionswährung als Abgrenzungskosten nach Imparitätsprinzip erfasst. Die Umrechnung der gesamten Jahresrechnung erfolgt zum Stichtageskurs.
Wird für die Erfolgsrechnung ein Durchschnittskurs verwendet, ist die daraus entstehende Differenz zum Jahresergebnis bewertet zum Stichtageskurs in der Erfolgsrechnung darzustellen.58
Für die Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Fragen wie Gewinnverwendung, Kapitalverlust und Überschuldung ist die Landeswährung massgebend.
Auch bei Unternehmen mit einer ausländischen Funktionalwährung werden alle Gewinne und Kapitalsteuern in Schweizer Franken veranlagt. Daraus ergeben sich verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Umrechnung eines Abschlusses in der Funktionalwährung in Schweizer Franken, für welche auf die Fachliteratur verwiesen wird.59
In Anlehnung an das HGB war es nach Auffassung der Lehre jedoch zulässig, für die laufende Buchführung – mit gewissen Einschränkungen – eine lebende Sprache zu verwenden. Nur die Jahresrechnung musste in einer der vier Landessprachen erstellt werden. Wegen steuerrechtlichen Vorgaben war die Buchführung in einer Landessprache oder eine Übersetzung auf Kosten des Steuerpflichtigen vorzulegen. In OR 957a IV wird Englisch den Landessprachen gleichgestellt. Damit wird der wachsenden Internationalisierung der Wirtschaft und den Anliegen der zahlreichen in der Schweiz mit Tochtergesellschaften vertretenen ausländischen Konzerne Rechnung getragen.
OR 957a V legt die zulässigen Formen fest: »schriftlich, elektronisch oder in vergleichbarer Weise«, d. h., unverändert wie in aOR 957 II. Werden die Geschäftsbücher elektronisch oder auf vergleichbare Weise geführt, so sind die Grundsätze der ordnungsmässigen Datenverarbeitung einzuhalten (GebüV). Wesentlich ist der Grundsatz der Integrität, welcher fordert, dass die Geschäftsbücher so geführt und aufbewahrt werden, dass sie nicht geändert werden können, ohne dass sich dies feststellen lässt.60
Nach OR 958d sind die Zahlen des Vorjahres ebenfalls aufzuführen. Dies betrifft die Bilanz, die Erfolgsrechnung und den Anhang. Bei grösseren Unternehmen, die der ordentlichen Revision unterstehen, auch die Geldflussrechnung.
2.7 Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung (GoB)
2.7.1 Bedeutung der Grundsätze
Weder das bisherige Buchführungsrecht (aOR 957 I) von 1936 noch die modernere Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) von 2002 hielten fest, welche Anforderungen zu beachten sind, damit die Bücher ordnungsgemäss geführt sind. Deshalb sind Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung (kurz GoB) von der Lehre61 und Praxis62 entwickelt worden. Mit dem neuen Rechnungslegungsrecht hat der schweizerische Gesetzgeber diese erstmals auch gesetzlich verankert. Die Grundsätze stellen allgemeine Regeln dar, welche bei der Erfassung der Buchungstatsachen zu beachten sind. Sie weisen naturgemäss einen geringeren Konkretisierungsgrad auf und sind deshalb im Vergleich zu den gesetzlichen Einzelnormen auslegungsbedürftig.
2.7.2 Vollständigkeit, Richtigkeit (wahrheitsgetreu), Systematik
Die Vollständigkeit bildet einen wesentlichen Bestandteil der Rechnungslegung. Wenn die Buchungstatsachen nach dem Auswahlprozess feststehen, müssen Regeln für deren ordnungsmässige Erfassung beachtet werden. Die Bestände von Aktiven und Passiven aus der Eröffnungsbilanz sind vollständig auf die Konten zu übertragen. In der Folge sind alle Sachverhalte, welche eine Auswirkung auf die Höhe, Zusammensetzung und Entwicklung der Vermögenswerte, des Fremdkapitals sowie den Periodenerfolg haben, buchführungspflichtig und laufend, lückenlos und periodengerecht zu erfassen.63
Die Zeitnähe ist im Rechnungslegungsrecht nicht ausdrücklich erwähnt. Die Buchungstatsachen müssen in jenem Zeitpunkt erfasst werden, in dem sie rechtlich und/oder wirtschaftlich wirksam werden. Für kleine Unternehmen werden zeitliche Buchungsrückstände nicht ohne Weiteres als ordnungswidrig betrachtet.64
Die Richtigkeit steht in Verbindung mit der wahrheitsgetreuen Erfassung von Geschäftsereignissen. Bereits das bisherige Buchführungsrecht 1936 forderte die wahrheitsgetreue Erfassung, denn die in der Marginalie von aOR 959 erwähnte Bilanzwahrheit setzte die Wahrheit der laufenden Buchführung voraus. Angesichts des unpräzisen Inhalts des Begriffs Wahrheit mit dem damit verbundenen Absolutheitsanspruch verwendet Leffson65 den Begriff der Richtigkeit. In der Buchführung ist die Forderung nach Richtigkeit eingehalten, wenn die Belege und Buchungen den zu Grunde liegenden Geschäftsvorfällen, der Sache wie der Höhe nach entsprechen. Der Begriff Willkürfreiheit bedeutet, dass der für die Buchführung Verantwortliche persönlich die Bezeichnung der Konten und Buchungstexte für eine korrekte Aussage über die zu Grunde liegenden Sachverhalte hält. Die erfassten Daten müssen vollständig, unverfälscht und richtig kontiert sowie gemäss den Regeln des gewählten Standards, z. B. Swiss GAAP FER, korrekt verbucht werden.66 Die Ausnützung des gesetzlichen Buchungs- und Bewertungsspielraums (beispielsweise gemäss OR 960a IV, 960e III, Ziff. 4) verletzt den Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit nicht, obwohl damit die gesetzliche Pflicht zur wahrheitsgetreuen Erfassung von Buchungstatsachen erheblich relativiert wird.
Aus der Pflicht zur systematischen Erfassung der Buchungstatsachen ergibt sich in der Regel (Ausnahme OR 957 II) die Notwendigkeit der doppelten Buchhaltung. Hiermit wird die geforderte Systematik erfüllt. Die GebüV fordert die chronologische und lückenlose Erfassung in einem Journal und eine sachlogische Gliederung der verbuchten Geschäftsvorfälle und Sachverhalte auf Konten. Dies setzt einen aus einem Kontenrahmen abgeleiteten unternehmensspezifischen Kontenplan voraus.
Unter einem Kontenrahmen versteht man ein nach bestimmten Grundsätzen strukturiertes Ordnungsschema zur Kontenklassifikation, welches dem einzelnen Unternehmen zur Erstellung des systematischen und umfassenden Kontenverzeichnisses, des Kontenplans, dient.
Der Kontenrahmen erleichtert in der Informationstechnologie (IT) die Buchführung und die Homogenisierung der betriebs- und branchenübergreifenden Software zur Kontenverwaltung. Damit soll gewährleistet werden, dass gleichartige Buchungstatsachen stets gleichartig und willkürfrei verbucht werden.
Das Konzept der systematischen Erfassung der Konten in einem Kontenrahmen geht auf Eugen Schmalenbach zurück.