Immunsystem und Psyche – ein starkes Paar. Anna E. Röcker

Immunsystem und Psyche – ein starkes Paar - Anna E. Röcker


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spielen eine Schlüsselrolle, indem sie bildlich gesprochen ein Tor zur Außenwelt darstellen. Bei vielen Krankheiten, z.B. Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen, Diabetes, ist die Zusammensetzung der Darmflora, des Mikrobioms, gestört und stellt einen aufrechterhaltenden Krankheitsfaktor dar. Die Ursachen für Störungen im Mikrobiom sind vielfältig, beginnend bei einseitiger oder falscher Ernährung, zu stark chemisch veränderter oder mit Spritzgiften belastete Nahrung bis zum negativen Einfluss von psychosozialem Stress.

      Bei Stress kann die Grenze zwischen Darmbakterien und Darmwand durchlässig sein (»leaky gut«), wodurch Darmbakterien in das mesenterische lymphatische Gewebe gelangen können. Dadurch werden vermehrt Immunzellen mit Bakterien konfrontiert und Entzündung ist die Folge, die wiederum über den Vagusnerv und spinale afferente Neuronen ins Gehirn geleitet wird. Es kommt u.a. zu Erschöpfung, Müdigkeit und Stimmungsabfall (sickness behaviour, siehe unten). Auch Stoffwechselprodukte oder neuroaktive Substanzen von Bakterien geraten über eine durchlässige Blut-Darm-Schranke in den Blutkreislauf.

      Erhöhter Stress ist zudem mit einem ungesünderen Ernährungsverhalten verbunden und fördert den Gebrauch von Suchtmitteln wie beispielsweise Nikotin oder Alkohol – Faktoren, die ebenso das Mikrobiom schädigen. Magen-Darm-Erkrankungen (z.B. Gastritis, Magenulkus, Duodenalulkus, Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn, Reizdarmsyndrom) stehen in enger Verbindung zu einem erhöhten Stresserleben. Auch hier erweisen sich ganzheitliche Ansätze wie gezielte Entspannung, Imagination, Meditation und Psychotherapie als hilfreich.

      Struktur und Sicherheit durch Rituale

      Zur Festigung von sozialen Bindungen tragen Bindungsrituale bei, die wir beispielsweise aus dem Umgang mit Kindern kennen. Erst wenn die Bindung, u.a. durch wiederkehrende verlässliche Rituale, gefestigt ist, kann das Baby oder Kleinkind beginnen, die Welt zu erkunden, ohne dabei allzu großen Stress zu erleben.

      Auch im Erwachsenenleben geben Rituale (z.B. regelmäßiges Spazierengehen oder Sport zu einer bestimmten Zeit) Struktur und damit eine gewisse Verlässlichkeit und Sicherheit. Rituale unterstützen uns im Hin-und-Her-Wandern zwischen den Polen, im Auf und Ab des Lebens, wie wir es auch im Körper erleben, zwischen wiederkehrender Anspannung und Entspannung. Als wichtige Koordinaten im Tagesablauf stabilisieren sie uns und geben uns oft unbewusst Halt und Orientierung. So gesehen sind Rituale »gesunde Gewohnheiten für die Seele«, sie puffern Stress ab und erhöhen die Lebensqualität. Deshalb sind sie gerade in Zeiten von belastenden Lebensereignissen oder Krankheiten besonders wichtig (konkrete Übungen siehe 5. Kapitel).

      Der Weisheit des Körpers vertrauen

      Wie bereits beschrieben, gibt uns unser Organismus vielfältige Signale, auf die wir hören sollten. Dauernde Erschöpfung, fehlende Lebensfreude, schlechter Schlaf – mit Signalen wie diesen zeigt unser Körper, dass wir aus der Balance geraten sind. Das geschieht meist, lange bevor sich eine Erkrankung manifestiert. Es lohnt sich also, die achtsame Selbstwahrnehmung zu schulen, um diese Signale zeitgerecht wahrzunehmen und darauf reagieren zu können.

      Im Fall einer Infektion manifestiert sich in vielen Fällen ein spezifisches entzündungsassoziiertes Erleben und Verhalten, das als Warnsignal gedeutet werden kann. In der Psychoneuroimmunologie sprechen wir in diesem Zusammenhang von »sickness behaviour«. Wenn wir uns mit einem Erreger infiziert haben und der Körper mit Entzündungsanstiegen reagiert, werden wir über Transmittermoleküle, die ins Gehirn gelangen, in die psychophysiologische Situation gebracht, Energie für die Auseinandersetzung mit dem Erreger zu sparen. Wir werden müde, möchten ins Bett gehen, haben weniger Appetit und ziehen uns sozial zurück.

      Sickness behaviour fördert so unsere Gesundung, indem es unsere Energie in Richtung der Erregerabwehr lenkt. Es ist wichtig, diese Signale nicht zu übergehen oder zu unterdrücken, um nicht zu Gegenspielern unserer Selbstheilungskräfte zu werden.

      Wir wissen aus der Psychoneuroimmunologie auch, dass wir eine sogenannte Verhaltensimmunität besitzen, die uns einerseits angeboren ist und die andererseits auch erworben und erlernt wird. Beispielsweise ekeln wir uns vor etwas Schädlichem (wie verdorbenem Fleisch), das uns schaden oder sogar töten könnte, wenn es in unseren Körper gelangt. Ekel, Widerwille, Angst oder Furcht gehören wie das Immunsystem zu den angeborenen Schutzfunktionen. So gehen wir natürlicherweise auf Distanz, wenn jemand beispielsweise in der Grippe-Zeit laut schnieft, hustet oder krank aussieht, da er oder sie eine potenzielle Infektionsgefahr darstellt.

      Unsere Natur gibt uns also die Chance, selbst- und fremdverantwortlich zu handeln, und ermöglicht so unser Überleben. In der beschleunigten Leistungsgesellschaft der westlichen Welt stellt es oftmals eine große Herausforderung dar, diese Körpersignale achtsam wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren.

      Worte, Gedanken und Gefühle als Starkmacher

      Worte können Mut machen, Vertrauen stärken und heilend wirken. Worte können aber auch im Negativen sehr mächtig sein. Sie können verletzen und krank machen. Es ist also ausschlaggebend, wie Menschen miteinander umgehen. Ähnliches gilt auch für Gedanken. Auch sie haben einen weitreichenden Einfluss auf unser Leben. Gedanken können bis in die biologische Ebene hineinwirken, wie wir heute in Experimenten nachweisen können. Dabei hat sich z.B. gezeigt, dass buddhistische Mönche allein durch die Kraft der Gedanken in der Lage waren, ihre Körpertemperatur und andere Körperfunktionen messbar zu beeinflussen. Wir haben es dabei mit einer hochdynamischen Wechselwirkung, mit einem komplexen Miteinander zu tun, das ein biopsychosoziales Denken erfordert.

      Bezogen auf unser Gesundheitssystem ist es dabei ausschlaggebend, wie Ärzt*innen/Menschen in Heilberufen mit ihren Patient*innen in Beziehung gehen und kommunizieren. Die Art der Kommunikation bestimmt maßgeblich, wie der Patient/die Patientin seine/ihre Symptome/Erkrankung einordnet und welche positiven und negativen Erwartungen er zu einer Therapie oder einem Symptom entwickelt. Auch die Einstellung zu Heilungsprozessen und das Ausmaß des Angsterlebens hängen davon ab. All diese Faktoren beeinflussen wiederum die Immunologie des Patienten/der Patientin und damit dessen/deren Heilung. Erst seit Kurzem ist das Fach »Ärztliche Gesprächsführung« fest in den Lehrplänen der Medizinischen Universitäten verankert. Meiner Meinung nach ist das ein wichtiger erster Schritt, dem viele weitere Schritte folgen müssen. Die Qualität der professionellen Beziehungsgestaltung und der Gesprächsführung stellen einen Hauptfaktor im ärztlichen Wirkgeschehen dar.

      In vielen Kliniken bekommen Patient*innen, wenn es z.B. um eine schwerwiegende Diagnose geht, psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung angeboten. Auch das halte ich für einen wichtigen Schritt. Aus der Forschung wissen wir beispielsweise, dass traumatische Erfahrungen, die nicht ausreichend verarbeitet wurden, das Stresssystem auf eine Weise fordern, die das Immunsystem in eine krank machende Schieflage bringen. Auch andere psychologische Negativfaktoren wie Angst,


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