Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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einen Freudenschrei ausstoßen können. Doch dieses Mondlicht hatte nichts von jener anheimelnden Wärme, die in Gigliolas Kammer geherrscht hatte. Es war kalt und abweisend, und es wurde in kurzen Zeitabständen von Wolken verdüstert, die der Wind vorübertrieb.

      Blacky wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als seine Kräfte endlich zurückkehrten und er den Schmerz bis auf einen geringen Rest bezwingen konnte. Er richtete sich vollends auf und taumelte noch ein wenig, stand dann aber sicher auf den Beinen.

      Der Raum, in dem er sich befand, war rund. Es gab vier schmale Fenster, die von außen vergittert waren. Zwei Fenster waren undicht, die Zugluft, die er wahrgenommen hatte, strömte in scharfen kleinen Stößen herein. Der Fußboden bestand aus jenen Steinplatten, die er bereits ertastet hatte. Was sich über der Decke aus dunklen Brettern befand, konnte er nicht herausfinden – vermutlich das Dach.

      Denn es war eine Turmkammer, in die sie ihn gesteckt hatten.

      Draußen konnte er das Meer sehen. Ein auflandiger Nachtwind hatte dem Wasser deutliche weiße Schaumkronen aufgesetzt.

      Landeinwärts befanden sich Gebäude und Parkanlagen. Ein Castello. Einzelheiten waren in der geringen Helligkeit nicht zu erkennen.

      In der Mitte der Turmkammer stieß Blacky mit der Fußspitze gegen eine Kante. Er ging in die Knie, um tastend herauszufinden, was es war. Seine Fingerkuppen berührten Holzbohlen von zwei Zoll Stärke.

      Eine Luke, ebenfalls kreisrund wie der ganze Raum.

      Vorsichtig hob er die Luke an, nur um Handbreite.

      Aus unendlich scheinender Tiefe drang ein Tosen und Gurgeln herauf.

      Blacky spähte durch den Lukenspalt. Etwas Eisiges kroch über den Rücken.

      Nur undeutlich, durch den weißschäumenden Gischt wenig erhellt, ließen sich Einzelheiten erkennen. Es schien aber eindeutig, daß der Turm über einem Felsenkamin gebaut war. Insgesamt mußte er eine Tiefe von mindestens 200 Fuß haben. Dort unten brodelte und schäumte das Wasser über die Uferklippen.

      Blacky schloß die Luke.

      Das Tosen war nicht mehr zu hören.

      Es änderte nichts daran, daß seine Zukunft alles andere als rosig aussah.

       4.

      Die Holzscheite im Kaminfeuer prasselten und krachten unter den Flammen.

      Don Marcello hob sein Glas, so daß er den Wein vor dem Hintergrund des Feuers betrachten konnte.

      „Ein achtundachtziger Frascati“, sagte er schwärmerisch. „Mein Gott, die Römer haben schon immer gewußt, was gut ist. Hast du jemals einen köstlicheren Tropfen genossen, Emiliano?“

      Emiliano Cóstola, der Mann mit dem Rabengesicht, zog gequält die Mundwinkel nach unten. „Machen Sie sich nicht über mich lustig, Don Marcello. Sie wissen, ich bevorzuge Rotwein.“

      „Aber den Weißwein der Römer trinkst du doch nicht nur mit mir, um mir einen Gefallen zu tun, sondern weil er dir schmeckt! Wenn du den Frascati so verabscheuen würdest, rührtest du ihn nicht an. Habe ich recht?“

      Cóstola sah den dunkelblonden Mann mit dem kantigen Gesicht an und bemühte sich, seine innere Verzweiflung nicht zu zeigen. Manchmal war es verteufelt schwer, die richtigen Antworten zu geben. Er wußte, in diesem Moment wollte ihn Don Marcello dazu bringen, sich selbst zu widersprechen, um dann in lärmenden Triumph auszubrechen.

      Dabei wurde ihm nicht klar, daß er solchen Triumph nur aufgrund seiner Macht erlangte. Wenn man einmal wagte, seine wirkliche Meinung zu äußern, mußte man sehr behutsam sein und zuvor genau prüfen, in welcher Stimmung sich Don Marcello gerade befand. Seine Reaktionen waren höchst unterschiedlich.

      Andererseits hatte er, Emiliano Cóstola, seine Position als Rechtsberater und Stellvertreter des Don nicht durch puren Zufall erlangt.

      Er wußte, wie er mit Don Marcello umzugehen hatte.

      Und Don Marcello war sich darüber im klaren, daß er in ihm den zuverlässigsten und treuesten Mann innerhalb seiner gesamten Organisation hatte.

      „Ich weiß“, sagte Cóstola nach einer Weile des Überlegens, „welche große Vergangenheit der römische Wein hat. Man spürt das mit jedem Schluck, den man von so einem kostbaren Tropfen nimmt. Dessen bin ich mir immer bewußt. Wenn ich aber einen einfachen roten Landwein aus den Bergen Sardiniens trinke, dann habe ich das Gefühl, ein Teil dieses Landes zu sein, das uns hervorgebracht hat – das Gefühl, in der Tradition dieses einzigartigen Landes zu stehen, verwurzelt zu sein mit …“

      „Emiliano, du bist ein Schlitzohr“, unterbrach ihn Don Marcello grinsend. „Ich hatte fast angenommen, du würdest mir erzählen, wie sehr du toskanischen Wein verabscheust – um mich abzulenken.“

      „Das wäre denn doch etwas zu einfach gewesen“, entgegnete Cóstola mit dem Knopfaugenblinzeln eines listigen alten Raben.

      Don Marcello Struzzo, der einen Hausmantel aus tiefblauer Seide trug, leerte sein Glas und schenkte aus einer kristallenen Karaffe nach. Das Stichwort „toskanisch“ war geeignet, seine gute Laune zu trüben.

      Dieser verfluchte Eindringling aus der Toskana war wie eine schwere Last, die man immer wieder vergeblich abzuschütteln versuchte.

      Don Cesare di Montepulciano lebte nun schon seit zehn Jahren wie eine Made im Speck.

      Und so sieht er auch das, dachte Don Marcello in einem Anflug von grimmigem Spott.

      Es änderte aber alles nichts daran: Don Cesare di Montepulciano hatte sich in unmittelbarer Nachbarschaft von Cagliari eingenistet, und keine Macht der Welt schien ihn vertreiben zu können. Im Gegenteil. Der fette Kerl, der Wein, Weib und Gesang liebte wie kein anderer, hatte angefangen, seine Machtfühler immer mehr auch nach Cagliari auszustrecken. Dorthin, wo über Generationen stets nur die Familie Struzzo den Ton angegeben hatte.

      Seine Ländereien in Montepulciano in der Toskana hatte der saubere Don Cesare einem Schwager zur Verwaltung übergeben. Denn der riesige Gutshof, den er hier, auf Sardinien geerbt hatte, bot zehnmal höhere Einkünfte. Don Marcello wußte darüber genau Bescheid, weil er Erkundigungen eingezogen hatte.

      Aber nicht nur die Einkünfte waren es, die dem Eindringling in seiner neuen sardischen Heimat so sehr gefielen. Die vielen kleinen Pächter, die für seinen Gutsbetrieb arbeiteten, hatten viele ansehnliche Töchter und gelegentlich auch ansehnliche Ehefrauen.

      Es war ein offenes Geheimnis, daß der toskanische Hurensohn einen beträchtlichen Anteil der Pachtraten in seinem Lotterbett abgelten ließ. Stolze Sardinnen wurden auf diese Weise entehrt und gedemütigt. Es war eine Schande.

      Als noch größere Schande empfanden es manche in Cagliari, daß ihr Schutzpatron, Don Marcello, nicht in der Lage war, den Eindringling mit einem Tritt in den Hintern außer Landes zu jagen.

      In den ersten Jahren seiner schmarotzerhaften Anwesenheit hatte sich Montepulciano noch zurückgehalten und war den Einheimischen kaum aufgefallen. Seit mindestens acht Jahren aber ging er Don Marcello und den meisten anderen mächtig auf die Nerven. Don Marcello hatte es zu offenen Auseinandersetzungen kommen lassen, und geglaubt, den Kerl mit Waffengewalt vertreiben zu können.

      Er hatte Lehrgeld bezahlt.

      Don Cesare di Montepulciano verfügte über eine beachtliche kleine Streitmacht, gegen die kein Kraut gewachsen war. Es handelte sich um blasierte Kerle, die er aus seiner vornehmen Heimat mitgebracht hatte.

      Allerdings verstanden diese Kerle ihr Handwerk. Es hatte nicht den geringsten Sinn, daß man sich über sie amüsierte. Dadurch schaffte man das Problem am allerwenigsten aus der Welt.

      Don Marcello und Don Cesare hatten sich im Laufe der kriegerischen Auseinandersetzungen mehrmals blutige Rache geschworen. Das war immer dann der Fall gewesen, wenn Don Marcellos Leute Ansiedlungen und Pächterhöfe im Machtbereich Montepulcianos verwüstet hatten. Und umgekehrt,


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