Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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Emiliano? Ist es eine neue Offensive, die der Bastard eingeleitet hat?“

      Cóstola nahm einen Schluck von dem römischen Wein und erwiderte den Blick seines Herrn über den Rand des Glases hinweg. „Ehrlich gesagt, ich rechne nicht mit einer wirklichen Offensive. Es wird eher ein Geplänkel sein, aber eins, das wir ernst nehmen müssen.“

      Don Marcello rieb sich das Kinn. „Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, daß dieser Bursche für Montepulciano arbeitet.“

      Cóstola antwortete mit einer entschiedenen Handbewegung. „Daran habe ich nun meinerseits nicht den geringsten Zweifel. Der Mann fiel mir bei dem Zwischenfall auf der Piazza sofort auf. Die Toskaner rühmen sich stets ihrer besonderen Raffinesse. Das habe ich in meine Überlegungen einbezogen, und es paßt alles zusammen.“

      „Nämlich?“ Don Marcello lehnte sich wieder zurück.

      „Der Mann ist eindeutig Norditaliener. Er gibt sich als Engländer aus und radebrecht mit einem Akzent, der zugegebenermaßen sehr gekonnt ist. Sie werden sehen, Don Marcello, unter der Folter wird er auf einmal fließend Italienisch sprechen.“

      Struzzo nickte. „Ein Todesbote also, den Montepulciano aus seiner lausigen Heimat hat holen lassen – mit dem alleinigen Auftrag, mich zu töten.“

      „Das ist leider zu befürchten“, sagte der Mann mit dem Rabengesicht, und seine Knopfaugen waren voller Ernst und Sorge.

      „Für einen bezahlten Mörder“, sagte Don Marcello gedehnt, „war dieser Bursche allerdings reichlich unvorsichtig. Warum mischte er sich in so einen läppischen Streit an Nócciolos Marktstand ein?“

      „Er hat sich nicht eingemischt“, widersprach Cóstola. „Es war die kleine Händlerhure Gigliola, die ihm den Kopf verdreht hat. Warum, so dürfte er sich gesagt haben, sollte er sich nicht die Abwechslung eines Abenteuers erlauben, bevor er in Cagliari zur Tat schreitet?“

      Don Marcello Struzzo ließ ein nachdenkliches Brummen hören. Nach einer Weile grinste er bösartig. Er leerte sein Glas mit dem perlenden weißen Frascati, als gelte es, einen Erfolg zu feiern.

      „Nun“, sagte er, „wir werden dem Drecksack Montepulciano einen Denkzettel verpassen, den er so schnell nicht wieder vergißt.“

      Bob Grey war für die letzte Deckswache an Bord der Schebecke eingeteilt, und er erlebte das Schauspiel des Sonnenaufgangs an der östlichen Kimm. Durch die Masten der im Hafen vertäuten Segler konnte er das offene Meer sehen. Vor dem Feuerball, der langsam über die scharfe Linie der Kimm aufstieg, erschienen Masten und Takelage wie ein gigantisches Ölbild, das in ausschließlich schwarzer Farbe vor blutigrotem Hintergrund gemalt worden war.

      Der drahtige blonde Engländer wandte sich um, überquerte das Hauptdeck zur gegenüberliegenden Verschanzung und blickte zu den Häusern von Cagliari, die sich mit ihren Schindeldächern fast planlos um die winkligen Gassen gruppierten.

      Die Stadt erwachte.

      Rauch von Kochfeuern quoll aus den Schornsteinen und wurde vom Wind davongetragen. Die Bäcker hatten ihre Öfen schon vor Stunden angeheizt, noch bei Dunkelheit. Jetzt wehte der Duft frisch gebackenen Brotes bis zum Hafen, und Bob spürte als Reaktion darauf ein Hungergefühl in seinem Magen. Aber der Kutscher und Mac Pellew schlummerten in ihren Kojen. Bis zum Frühstück waren es noch drei Stunden.

      Bob seufzte. Er würde den knurrenden Bären in seinem Magen besänftigen müssen.

      Er wollte sich abwenden, als er die Schritte hörte – dumpfe Schläge von harten Stiefelabsätzen auf der Pier. Erstaunt blickte er zur Kaiseite der Pier, wo sich die Giebelwände der Lagerhäuser aneinanderreihten. Er rechnete mit einer Streife der Stadtgarde, was das einzig Wahrscheinliche zu dieser frühen Stunde war.

      Doch die vier Männer, die da heranstelzten, trugen keine Helme und keine Brustpanzer, keine Uniformen. Alle vier waren schlank und schwarzhaarig, ihre Kleidung elegant, die Waffen hochwertig.

      Bob Grey mußte unwillkürlich an die geschniegelten Burschen denken, von denen der Profos und die anderen berichtet hatten, die am Abend gemeinsam losgezogen waren.

      Die Eleganten steuerten denn auch tatsächlich auf den Dreimaster zu.

      Vor dem Schanzkleid blieben sie stehen. Sekundenlang musterten sie den Engländer aus schmalen Augen.

      „Wache?“ schnarrte der älteste der drei, dessen silbergraue Haarsträhnen nur aus unmittelbarer Nähe zu erkennen waren.

      „So ist es“, entgegnete Bob Grey.

      „Rufen Sie Ihren Kapitän. Ich habe mit ihm zu sprechen.“ Es hörte sich an, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, zu dieser nachtschlafenden Zeit eine solche Forderung zu stellen.

      Bob tastete unwillkürlich nach seinem Pistolengriff. Er war allein an Deck und konnte im Ernstfall nicht viel ausrichten. Andererseits ließ er sich nicht von irgendwelchen hergelaufenen Figuren einschüchtern. Sollte es tatsächlich kritisch werden, konnte er Alarm geben. Es galt eben nur, daß er auf seine eigene Haut achtete.

      Leicht gesagt – angesichts von vier Burschen, die mit Pistolen und Dolchen bewaffnet waren und offensichtlich ausgerechnet diese frühe Tageszeit gewählt hatten, weil sie nicht mit Beobachtern zu rechnen brauchten.

      Bob schüttelte den Kopf und grinste herausfordernd. „Tut mir leid, Signori. Der Kapitän ist nicht zu sprechen. Falls Ihnen die Uhrzeit nicht bekannt sein sollte …“

      „Ich wiederhole meine Forderung nicht gern“, unterbrach ihn der Anführer schroff. „Notfalls müssen wir mit Gewalt vorgehen.“

      Bobs Muskeln spannten sich an.

      „Versuchen Sie es“, stieß er entschlossen hervor. „Ohne meine Einwilligung haben Sie auf diesem Schiff nichts verloren.“

      Der Anführer und die drei anderen lachten höhnisch. „Die Lächerlichkeit dieser Bemerkung müßte Ihnen eigentlich bewußt sein.“

      Bob ließ die Rechte auf dem Pistolengriff ruhen.

      „Lassen Sie das meine Sorge sein“, entgegnete er, ohne seine innere Anspannung erkennen zu lassen.

      „Also dann“, sagte der andere und nickte. „Letzte Chance für Sie, Engländer. Rufen Sie Ihren Kapitän, oder …“

      Schritte näherten sich auf den Decksplanken.

      Bob drehte sich ungläubig um.

      „Oder?“ sagte der Seewolf mit einem Lächeln, das so eisig war wie ein Morgen in nördlichen Breiten.

      Bob konnte nur darüber staunen, wie schnell der Seewolf selbst auf die leisesten Geräusche reagierte. In seiner Kammer konnte er die Stimmen bestenfalls als gedämpftes Murmeln gehört haben. Trotzdem hatte er sofort gespürt, daß dem Schiff und der Crew eine Gefahr drohte.

      Es war diese besondere Art von geschärftem Instinkt, die den Seewolf mehr als alle anderen Männer an Bord auszeichnete.

      Er war bereits vollständig angekleidet und mit seinem sechsschüssigen Drehling bewaffnet.

      Bob Grey zog die Schultern hoch.

      „Die Gentlemen haben sich nicht vorgestellt“, sagte er. „Trotzdem hören sie sich für meine Begriffe verdammt unverschämt an.“

      Hasard nickte und trat neben Bob an die Verschanzung.

      „Sind Sie der Kapitän?“ fragte der Anführer der Gruppe herablassend, obwohl er zu dem hochgewachsenen Engländer mit den breiten Schultern und den schmalen Hüften aufblicken mußte.

      Hasard nickte abermals.

      „Killigrew“, sagte er. „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“

      „Meine Männer und ich vertreten Don Cesare di Montepulciano, einen der Mächtigsten in Cagliari und Umgebung. Eine Gruppe unserer Leute wurde gestern abend von Mitgliedern Ihrer Crew vor einer Trattoria grundlos angegriffen und zusammengeschlagen. In einem Fall gab es sogar eine Verletzung durch ein Wurfmesser,


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