Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
hundertmal grausameren Tod sterben als der Mann, den du eben umgebracht hast. Aber vorher wirst du uns mit Freuden alles das verraten, was wir von dir wissen wollen.“
„Das glaube ich nicht“, entgegnete Blacky kalt.
Struzzo drehte die Pistole um und schmetterte ihm den Kolben gegen die Stirn.
Es war wie ein Blitz, der den Engländer fällte.
5.
Mit Spiegeleiern und gebratenem Speck hatten der Kutscher und Mac Pellew ihren morgendlichen Beitrag zur Versöhnung geleistet. Die Zwillinge hatten in der Stadt frisches Brot eingekauft. Als Krönung des Ganzen gab es Kaffee. Die Bohnen, die aus der Türkei stammten, hatte der Kutscher in aller Frühe geröstet und dann gemahlen. Im Osmanischen Reich hatten die Arwenacks denn auch den Türkentrank kennen- und schätzengelernt.
„Daran kann man sich gewöhnen“, sagte Carberry, nachdem er einen vorsichtigen Schluck von dem brühheißen schwarzen Getränk genommen hatte.
„Das hebt einen drei Tage toten Seemann in die Stiefel“, erklärte Ferris Tucker grinsend.
„Und es öffnet dir die Klüsen sogar, wenn sie schwer wie Blei sind“, ließ sich Old Donegal Daniel O’Flynn vernehmen. „Die Türken schlürfen das Zeug immer dann, wenn sie noch oder schon wieder müde sind. Morgens, nachmittags, abends.“
„Damit sie ihre Suleikas beim Bauchtanz nicht verpassen“, sagte Batuti mit glucksendem Lachen.
Durch das offene Kombüsenschott beobachteten der Kutscher und Mac Pellew, wie die Zwillinge mit der dampfenden Kaffeekanne auf dem Hauptdeck hin und her eilten und gar nicht schnell genug nachschenken konnten.
„Gibt ihnen etwas, was möglichst bitter und unansehnlich ist, und sie werden begeistert sein“, sagte Mac Pellew mit sauertöpfischer Miene.
„Versuche, ihnen mit einer ausgefallenen Speise eine Freude zu bereiten, und sie werden so tun, als hättest du jeden einzelnen von ihnen persönlich beleidigt“, sagte der Kutscher und blickte seinen Mitstreiter an. „Daraus läßt sich eine einfache Folgerung ziehen: Koche immer das, was dir selbst zum Hals heraushängt, und du liegst goldrichtig!“
Mac Pellew nickte, und sein Gesicht verdüsterte sich. „Und da soll man noch von abendländischer Kultur sprechen! Der Verfall der Sitten, scheint mir, ist nicht mehr aufzuhalten. Bei der Eßkultur zeigt sich das doch zuerst.“
Seit er mit dem Kutscher in der Kombüse arbeitete, hatte er eine Menge gelernt, wobei der Kutscher wiederum von jenem Wissen profitierte, das er sich in den Jahren bei Sir Anthony Freemont in Plymouth angeeignet hatte.
Der Kutscher, dieser ernste und häufig etwas gestelzt sprechende Mann, hatte indessen auch an Bord der Schiffe des Seewolfs nie aufgehört, seine Allgemeinbildung zu vervollständigen. Nutznießer waren neben Mac Pellew vor allem die Söhne Philip Hasard Killigrews, denen der Kutscher neben ihrem Vater der denkbar beste Lehrmeister war.
Auf dem Achterdeck besprachen der Seewolf, Ben Brighton, Dan O’Flynn und Don Juan de Alcazar die einzelnen Positionen einer Liste, die Dan zusammengestellt hatte. Es ging um die Vorräte, die im Laufe dieses Tages eingekauft und an Bord geschafft werden sollten.
„Zehn Sack Mehl“, las Hasard kopfschüttelnd. „Nichts gegen die Nudeln, die der Kutscher uns vorgesetzt hat. Aber jetzt übertreibt er wohl doch ein bißchen.“
Die anderen lächelten.
„Die Zahl stammt noch von vorgestern“, erklärte Dan. „Da wußte er ja noch nicht, ob er mit seiner Pasta bei der Crew landet.“
Hasard grinste und änderte die Position auf fünf Sack Mehl. Bisweilen war es erstaunlich, zu welchem Enthusiasmus der so verschlossen wirkende Kombüsenmann fähig war. Was die Reaktion auf seine Kochtopfexperimente betraf, hätte man ihm mehr Feingefühl seitens der Arwenacks gewünscht. Andererseits konnte er nicht erwarten, daß sich die Männer von heute auf morgen zu Feinschmeckern entwickelten.
Die Mannen an Bord eines Seglers brauchten etwas Handfestes, damit ihnen der Mumm in den Knochen erhalten blieb. Und bei den Nudeln mit den wahrhaft hervorragenden Zutaten hatten sie eben das Gefühl gehabt, daß daran rein gar nichts handfest war.
„Um das Tauwerk müßten wir uns noch im Laufe des Vormittage kümmern“, sagte Ben.
Der Seewolf nickte. Über diesen Punkt war keine Diskussion nötig. Ben hatte in der Stadt einen Seiler aufgetrieben, der außergewöhnliche Qualitätsarbeit leistete. Bereits vor zwei Tagen hatte der Mann den Auftrag erhalten, neues Tauwerk für das, was an Bord der Schebecke auszumustern war, zu liefern. Daß der Seiler den Termin einhalten würde, stand außer Frage.
„Will Thorne hat um einen neuen Vorrat an Garn gebeten“, sagte Hasard. „Da wir vom Segeltuch letztlich alle abhängen, brauchen wir darüber nicht zu diskutieren, denke ich.“ Er blickte kurz in die Runde.
Die Männer nickten.
Hasard wollte sich wieder der Liste zuwenden.
Ein scharfes, gebrülltes Kommando ertönte vom Kai her, wo bereits Betrieb herrschte. Ochsen zogen schwere Lasten auf zweirädrigen Karren. Pferdegespanne brachten Tonnenladungen von Gütern, und kleine Einmaster und einfache Lastkähne wurden in den Hafenbecken bewegt, um ihre Liegeplätze zum Leichtern von Schiffsladungen einzunehmen.
Der Seewolf hob den Kopf und wandte sich um. Seine Gefährten folgten seinem Beispiel.
Das Kommando hatte einer Marschformation gegolten, die in diesem Augenblick vom Kai her auf die Pier der Schebecke einschwenkte.
Die Männer an Bord des Dreimasters glaubten, ihren Augen nicht zu trauen.
Vierzig Kerle.
An ihrer Spitze marschierte jener Mann, der am frühen Morgen die kleine Gruppe befehligt hatte. Alle trugen die gleiche Kleidung, die dadurch wie eine Uniform wirkte. Und alle waren mit Pistolen und Säbeln bewaffnet.
Der Marschtritt der Kolonne dröhnte auf der Pier.
Auch die Arwenacks auf dem Hauptdeck wurden aufmerksam. Ungläubig blinzelnd richteten sie sich auf. Widerwillig verzogen sie die Gesichter, weil ihnen die letzten Schlucke des Türkentranks vermiest wurden.
Hasard rollte die Liste zusammen und gab sie Dan, der sie unter seinem Gürtel verstaute. Die Augen des Seewolfs verengten sich.
„Dieser Montepulciano scheint ein ziemlich anmaßender Bursche zu sein“, sagte er rauh.
„Wie man’s nimmt“, entgegnete Ben und zog die Schultern hoch. „Anscheinend vertraut er nicht auf seine Macht, auf das Gewicht seines Wortes. Deshalb schickt er uns seine Meute auf den Hals. So kann man es auch deuten.“
Hasard nickte und wandte sich nach vorn. Er brauchte keine Worte zu verlieren. Eine Handbewegung genügte. Al Conroy, Luke Morgan, Bob Grey und die Zwillinge waren bereits unterwegs, um Pistolen und Munition an Deck zu holen. Angesichts der waffenstarrenden Meute mußte man mit dem schlimmsten denkbaren Fall rechnen.
Der Seewolf wandte sich der Pier zu und trat an die Verschanzung. Ben, Dan und Don Juan folgten ihm.
Da war niemand, der die Marschkolonne aufhielt. Keine Stadtgarde, kein Hafenkapitän.
Noch dreißig Schritte trennten die Männer Don Cesare di Montepulcianos von der Schebecke. Hasard und seine Gefährten beobachteten, wie sich die Crew der in unmittelbarer Nähe liegenden Schiffe unter Deck verzogen. Montepulciano schien in der Stadt und im Hafen schalten und walten zu können, wie er wollte.
Im Handumdrehen waren die ersten Männer auf dem Hauptdeck mit Pistolen ausgerüstet. Carberry verhielt sich ausnahmsweise ruhig, während sie sich an die pierseitige Verschanzung begaben und die Einschüssigen in aller Eile luden.
„Abteilung – halt!“ brüllte der Anführer.
Das Schrittedröhnen endete längsseits. Auf einen Schlag war