Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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er.

      Struzzo und Cóstola kriegten eine Art Maulsperre. Ihre Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen.

      „Ich bin heimlich nach Sardinien gereist“, fuhr Blacky fort, „um mir hier die Mittelmeersonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Bis vor ein paar Stunden hat es mir ganz gut gefallen, aber jetzt ist es ungemütlich geworden.“

      Don Marcello trat mit einem schnellen Schritt auf ihn zu, stieß den Dolch senkrecht hoch und drückte die Plattseite der Klinge auf Blackys Nasenspitze.

      „Interessant!“ zischte er mit mühevoller Beherrschung. „Und deine Schlitzaugen? Hat dir die ein Quacksalber im Reich der Mitte wegoperiert?“

      „Ich wollte nicht extra darauf hinweisen“, erwiderte Blacky. „Aber Sie haben es natürlich glasklar erfaßt, Don Marcello. Meine Tarnung als Ihresgleichen ist einfach perfekt, nicht wahr? Sogar die Hautfarbe habe ich …“

      „Halt den Mund, Hurensohn!“ brüllte Struzzo unvermittelt. „Jetzt reicht es!“ Sein Knie ruckte hoch.

      Furchtbarer Schmerz explodierte von Blackys Körpermitte aus.

      Der nächste Hieb, der seinen Kopf traf, erlöste ihn davon. Abermals versank er in den schwarzen Abgrund der Bewußtlosigkeit.

      Die Bewegungen eines Bootes, verursacht durch schwachen Wellengang, holten ihn in die Wirklichkeit zurück. Er wollte die Augen öffnen, doch die Sonne blendete ihn. Nach und nach drangen Geräusche in sein Ohr.

      Poltern.

      Es rührte von harten Stiefelsohlen her.

      Und von schweren Lasten, die geschleppt und abgesetzt wurden.

      Es war also nicht nur der Wellengang, der die Bewegungen des Bootes hervorrief. Blacky spürte die Spanten und Planken, auf denen er lag. Seine Arme waren auf dem Rücken zusammengeschnürt. Statt der Ketten aus der Folterkammer hatten sie ihn mit Stricken gefesselt. Auch die Fußgelenke waren aneinandergebunden.

      Es gelang ihm, den Kopf ein Stück zur Seite zu drehen und die Lider einen Spaltbreit zu öffnen.

      Er lag vor einer Ducht und konnte darunter hervorspähen.

      Das Poltern war hinter seinem Rücken. Jemand wuchtete seine Lasten auf der Bugplattform auf und ab. Daß es sich um eine Plattform handelte, folgerte Blacky aus dem hohlen Klang der Geräusche.

      Auf der Achterducht saßen Don Marcello Struzzo und Emiliano Cóstola in trautem Beieinander. Beide grinsten in zufriedener Eintracht und betrachteten das Bild, das sich ihnen bot.

      Weitere Bestandteile dieses Bildes waren zwei ebenfalls Gefesselte, die zwischen den beiden Duchten vor Struzzo und Cóstola angebunden waren. Dunkelhaarige Männer, die das Geschehen hinter Blacky mit vor Entsetzen geweiteten Augen beobachteten.

      „Welch eine Freude!“ rief Don Marcello höhnisch. „Unser hochwohlgeborener Gast, der Kaiser von China, weilt wieder unter uns!“

      Cóstola stimmte ein albernes Kichern an.

      Don Marcello brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen. „Vor Antritt Ihrer letzen Reise, Majestät, darf ich Ihnen die Einzelheiten erläutern“, sagte er salbungsvoll. „Vor sich sehen Sie zwei Gefangene, die wir schon vor längerer Zeit geschnappt haben. Sie stammen aus der Gefolgschaft eines gewissen Don Cesare di Montepulciano, den Sie natürlich nicht kennen werden.“ Er grinste breiter und räusperte sich. „Es spielt aber für den weiteren Verlauf des Geschehens keine Rolle. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, daß sowohl wir, die Beteiligten, als auch gewisse Unbeteiligte ihre Freude an dem besagten Geschehen haben werden. Zu den Unbeteiligten zählt in erster Linie der schon erwähnte Don Cesare. Aber auch sein gesamter Freundeskreis wird nicht wenig erbaut sein über das, was man ihm berichten wird.“ Struzzo deutete auf die beiden Gefangenen vor ihm. „Diese werten Signori haben die ausschließliche Aufgabe, ihrem Dienstherrn Montepulciano zu berichten, was sie gesehen haben. Und das, hochverehrte Majestät aus dem Reich der Mitte, wird in wenigen Minuten beginnen. Mehr verrate ich Ihnen im Moment nicht. Schließlich soll es auch für Sie eine nette kleine Überraschung werden.“

      Cóstola kicherte abermals. Diesmal ließ Struzzo ihn gewähren.

      Das Poltern hinter Blacky hörte auf.

      Statt dessen schwankte das Boot stärker.

      Die Seestiefel eines stämmig gebauten Mannes wurden neben ihm sichtbar. Gleich darauf der ganze Kerl. Er sah aus wie ein Henkersknecht. Außer den Seestiefeln war er nur mit einer speckigen Hose bekleidet. Der Mann hatte eine Glatze und zum Ausgleich der fehlenden Haarpracht einen Vollbart.

      „Fertig, Don Marcello“, sagte er, wobei er einen halben Schritt vor Blacky stehenblieb.

      „Gut, gut“, antwortete Struzzo mit gönnerhaftem Nicken. „Dann wollen wir in aller Ruhe beginnen. Jegliche Eile ist überflüssig. Schließlich haben wir alle ein Interesse daran, das Ereignis zu genießen – einschließlich derjenigen, die nur mittelbar beteiligt sein können.“ Mit der gelassen herrischen Handbewegung eines römischen Imperators forderte er den Bärtigen auf, sein Werk fortzusetzen.

      Blacky wurde von zwei kräftigen Fäusten gepackt und auf die Beine gestellt. Der Henkersknecht drehte ihn um, so daß er die Bugplattform sehen konnte. Die starken Planken bildeten eine große dreieckige Fläche von schätzungsweise zwei Quadratyards Ausmaß.

      Blacky hatte das Gefühl, daß das Blut in seinen Adern zu Eis erstarrte. Auf der Plattform lagen zwei Felsbrocken von jeweils mindestens zwei Fuß Durchmesser.

      Die Felsbrocken waren in der oberen Hälfte durchbohrt. Durch die Löcher waren Eisenstangen geschoben, an deren zu Ösen gebogenen Enden Ketten befestigt waren. Lange Ketten. Der Henkersknecht hatte sie ordentlich aufgerollt.

      Blacky versteifte sich.

      Der Bärtige spürte es.

      „Wenn du dich wehrst“, knurrte er, „kriegst du eins auf die Rübe. Es hilft dir alles nichts. Klar?“

      Blacky nickte. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er mußte bei Bewußtsein bleiben. Vielleicht gab es noch eine Chance – in letzter Minute. Oder in letzter Sekunde. Wenn er diese Chance erhalten sollte, dann würde er sie nutzen. Und lieber durch eine Kugel oder eine Klinge sterben als auf diese grauenhafte Weise, die Struzzo für ihn vorgesehen hatte.

      „Eine wahrhaft kaiserliche Seebestattung!“ rief der Don mit hohntriefender Stimme.

      Cóstola stimmte von neuem sein kindisches Kichern an.

      Der Bärtige stieß Blacky auf die Bugplattform.

      Blacky sah sich um. Eine Küstenlinie war nirgendwo zu sehen. Struzzo war also weit genug hinausgefahren, um keine unerwünschten Zeugen zu haben. Der Zweimaster, der sein Schiff sein mußte, lag etwa eine Kabellänge entfernt vor Anker. Auch Fischerboote waren nirgendwo in der Nähe zu sehen.

      Die Eisenglieder klirrten, als der Henkersknecht die erste Kette hochhob und das Ende um Blackys Hüfte schlang.

      Unter Vollzeug rauschte die Schebecke auf die offene See hinaus.

      Der Tag war zu schön zum Sterben.

      Der Himmel leuchtete azurblau, von keinem Wolkenstreifen getrübt. Die Sonne stand fast im Zenit. Und bei dem verläßlichen ablandigen Wind hätte die Fahrt mit dem dreimastigen Segler ein reines Vergnügen sein können, wenn nicht der Gedanke an Blackys Schicksal wie eine unausgesprochene Drohung über den Arwenacks geschwebt hätte.

      Hasard und Ben Brighton suchten die südöstliche Kimm laufend mit ihren Spektiven ab. Bislang hatten sie nicht einmal ein Fischerboot gesichtet. Die Fischgründe waren woanders. Don Marcello Struzzo wußte, warum er jene bestimmte Position festgelegt hatte, an der er seine Opfer umzubringen pflegte.

      Es gab dort so gut wie niemals Zeugen.

      Die beiden Männer aus den Reihen Don Cesare di Montepulcianos hatten ausführlich darüber berichtet: Wer in die Gewalt Struzzos geriet, mußte das Allerschlimmste befürchten, das unvorstellbar


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