Seewölfe Paket 7. Roy Palmer
Barbara“. Er wollte ihnen etwas zurufen, aber neue „Höllenflaschen“ aus der Produktion von Hasards rothaarigem Schiffszimmermann landeten vor dem Ufer und gingen hoch.
Dabei spielte es keine Rolle, ob sie trocken in die Boote polterten oder ins Wasser schlugen. Auch unter Wasser detonierten die gut abgedichteten Flaschen noch, wenn das Luntenfeuer bereits durch den Korken hindurch war.
Daß dies der Fall war, dafür sorgte Ferris Tucker, der die Flaschen nie zu früh von seiner „Höllenflaschenabschußkanone“ hochschwingen ließ.
„Nein“, stieß der Teniente hervor. „Madre de Dios, nein!“
Er erhob sich im Wasser, watete an Land, fiel hin, rappelte sich wieder auf und entging um ein Haar einem Brandpfeil, der links hinter ihm in den Sand des kleinen Strandes zischte.
Nur noch darauf bedacht, das nackte Leben zu retten, hastete er auf die Felsen zu. Er war heilfroh, als er einen Einschnitt entdeckte, in den er sich zwängen konnte. Noch zwei oder drei Männer stiegen hinter ihm in dem steinigen Hang auf, der zum lodernden Dorf hinaufführte, aber Savero de Almenara schaute sich nicht zu ihnen um.
Unterdessen hatte die „Isabella“ auch wieder das Feuer auf die „Santa Barbara“ eröffnet. Ben Brighton und die Crew halfen nun ihrerseits dem Seewolf.
Hasard erhielt dadurch Luft. Er und seine vier Begleiter an Bord der „Santissima Madre“ konnten zumindest einige Geschütze nachladen.
Wenig später trieb die „Santa Barbara“ mit zerschossenem Steuerruder und unter hohen, roten Flammen durch die Bucht. An diesem Punkt nahm das Gefecht seine entscheidende Wende – zugunsten der Seewölfe.
Noch immer glaubte der Kapitän der „San Juan“ jedoch, er könne die Entwicklung wieder in den Griff kriegen. Die Korsaren versuchten, ihn in die Flucht zu schlagen, aber er ließ nicht locker. Er hatte den Namen „El Lobo del Mar“ deutlich mehrmals rufen hören und wollte sich die Lorbeeren verdienen, auf die jeder Spanier zur See aus war. Den Seewolf zu besiegen, hieß nicht nur, eine hohe Belohnung zu kassieren, sondern auch in Rang und Ansehen zu steigen.
Hasard und Ben ließen von der „Santa Barbara“ ab und wandten sich der „San Juan“ zu. Für kurze Zeit verwandelte sich die spanische Galeone zu einer dröhnenden Feste unter dem Mantel der Nacht, doch dann durchbrachen die Seewölfe ihre Verteidigung und setzten ihr zu, wie sie es auch bei der „Santa Barbara“ getan hatten.
Kurze Zeit darauf zündete Ben Brighton auf dem Achterdeck der „Isabella“ einen der chinesischen Brandsätze. Weißes Magnesiumlicht geisterte über das Wasser und fraß sich gierig in den Rumpf der „San Juan“. Das Feuer tanzte die Masten hoch und verschlang das Rigg, es ließ sich nicht aufhalten, nicht löschen.
Chinesischer Schnee, eine Salpetermischung, jagte dem Brandsatz nach und heizte das Oberdeck des spanischen Kriegsseglers zu einer siedenden Brühe auf, auf der es kein Aushalten mehr gab.
Die Besatzungen der „Santa Barbara“ und der „San Juan“ retteten sich in die See. Vier Boote waren in aller Hast noch abgefiert worden, eins klatschte aus halber Höhe in die Fluten. Wer noch schwimmen konnte, rettete sich in diese Boote. Die Verletzten ertranken.
Nur ein Weg stand den Spaniern noch offen – der in die offene See.
Hasard hatte den Kommandanten Arturo Diaz Escribano, den ersten Offizier, den zweiten Offizier, den Bootsmann und die anderen Überlebenden der „Santissima Madre“ mit vorgehaltener Pistole auf dem Achterdeck zusammengetrieben. Sie waren alle wieder zu sich gekommen und blickten den Seewolf aus haßlodernden Augen an.
Shane und Sam Roskill erschienen ebenfalls mit gezückten Waffen auf dem Achterdeck.
„Springt!“ befahl der Seewolf den Besiegten. „Dann könnt ihr eure Kumpane noch erreichen. Comandante, zwing mich nicht, drastisch zu werden.“
Escribano erklomm daraufhin das Schanzkleid, stieß sich mit den Beinen ab und segelte in die schwärzliche Tiefe. Die Offiziere, der Bootsmann und die einfachen Decksleute und Soldaten folgten ihm.
Hasard sah ihnen nach, wie sie zu den Booten schwammen. Escribano schrie wie wahnsinnig, und die Bootsführer ließen Fahrt wegnehmen. Man hörte mit dem Pullen auf, hilfreiche Hände streckten sich den „Schiffbrüchigen“ entgegen. Sie wurden übergenommen. Der Kommandant wäre vielleicht zur Insel zurückgekehrt, auf einem Umweg durch die Nacht etwa, wenn er sich die geringste Chance ausgerechnet hätte, noch einen Vergeltungsschlag gegen den Feind zu führen.
So aber – naß, unbewaffnet, erniedrigt – blieb ihm wirklich nur die Flucht zur offenen See.
„Shane“, sagte Hasard, als er sich umdrehte. „Du steigst jetzt ins Schiff hinunter, suchst dir ein paar Werkzeuge und vergrößerst die Lecks so, daß der Kahn absäuft.“ Er blickte zur „Isabella“. Ben hatte ein Boot abfieren lassen.
„Unsere Jolle liegt noch an Steuerbord dieses Kübels“, erklärte Sam Roskill grinsend. „Wir hatten sie an der Jakobsleiter vertäut, sie ist mitgeschleppt worden und wie durch ein Wunder von den Kugeln verschont geblieben.“
„Dann gib Ben ein Zeichen, daß wir das andere Boot nicht brauchen“, antwortete der Seewolf. „Wir steigen in unsere Jolle und setzen über, sobald Shane unten fertig ist.“
„So, als ob nichts geschehen wäre“, sagte der ehemalige Schmied und Waffenmeister von Arwenack-Castle.
Erst jetzt lachten die fünf Männer erlöst auf. Eine Art befreiender Schock schien sie getroffen zu haben, die Anspannung der vergangenen Minuten glitt von ihnen ab, und sie wurden sich erst jetzt richtig bewußt, wie knapp sie dem Tod entgangen waren.
5.
Nicht nur die „Santissima Madre“ sank in der Bucht der Insel. Auch die „Santa Barbara“ und die „San Juan“, von den Flammen weitgehend zerstört, neigten sich dem Grund entgegen. Die „Santa Barbara“ krängte hart nach Steuerbord, bevor sie sich den Blicken der Seewölfe entzog. Die „San Juan“ wurde stark buglastig und hob ihr Heck aus dem Wasser. Danach tauchte sie rauschend unter. Das letzte Feuer in ihrem Achterkastell erlosch zischend.
Hasard erkundigte sich an der Bordwand der „Isabella“: „Ben, haben wir Verluste?“
„Keine Sir!“ rief sein Bootsmann von oben zurück. Grinsend hatte er den Kopf übers Schanzkleid geschoben. „Nur ein paar unbedeutende Blessuren.“
Der Seewolf atmete auf. „Großartig. Schicke Carberry, Ferris Tukker und Smoky zu mir herunter. Wir entern vorläufig nicht auf. Ich will die Insel inspizieren und sehen, ob wir etwas für die Eingeborenen tun können.“
„Aye, Sir. Wir warten hier auf euch?“
„Ja, Ben. Wenn wir Verstärkung brauchen – was ich nicht glaube –, gebe ich dir ein Zeichen.“
Wenig später schob sich der Bug der Jolle knirschend in den Ufersand. Hasard sprang als erster an Land. Er begann, die teils im seichten Wasser, teils auf dem Strand liegenden Gestalten zu untersuchen. Ferris Tucker trat zu ihm, und Hasard schaute ihn an.
„Keiner hat es überlebt“, sagte er. „Diese Flaschen haben eine wirklich verheerende Wirkung.“
„Die Dons haben es nicht anders gewollt …“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Sicherlich hätten wir einiges Blutvergießen vermeiden können“, fuhr der große, rothaarige Mann unbeirrt fort. „Aber nur, wenn die Dons nicht verrückt gespielt hätten.“
Hasard sah ihn fest an. „Ich wollte nur ausdrücken: Es kann kaum jemand ins Innere der Insel entwischt sein. Das ist alles, Ferris. Wir haben ein ganzes Dorf unschuldiger Männer, Frauen und Kinder vor dem Tod bewahrt, und allein das rechtfertigt unser Verhalten.“
Er stieg mit seinen sieben Männern zum Dorf hinauf. Hier konnten sie nur noch dem Abklingen des vernichtenden Feuers beiwohnen. Der feuchte Regenwald