Seewölfe Paket 7. Roy Palmer

Seewölfe Paket 7 - Roy Palmer


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mich zum Sprechen zwingen und dann töten. Sie wollten unsere Frauen und Mädchen mißhandeln und den ganzen Stamm niedermetzeln.“

      Aus einer der Höhlen war Otonedjus Tochter getreten. Sie hatte mit angehört, was die Männer soeben gesprochen hatten.

      „Aber ich erkenne keinen der Weißen wieder“, sagte sie überrascht. „Die Soldaten von den Schiffen waren anders gekleidet als diese Männer hier. Sie hatten Panzer auf dem Leib.“

      Der Tiger wandte ihr den Kopf zu und lächelte sie an. „Siehst du, fast gehst du ihnen auf den Leim. Natürlich kreuzten diese Kerle erst auf, als ihr euch in den Busch hattet retten können. Vor euren Augen hätten sie ja niemals einen fingierten Kampf mit ihren Landsleuten beginnen können, eine Schattenschlacht, mit deren Hilfe wir alle hinters Licht geführt werden sollen.“

      „Ich habe einen Späher zum höchsten Inselberg hinaufgeschickt“, sagte Otonedju. „Er soll sehen, was aus den Schiffen von der Bucht geworden ist.“

      Der Tiger lachte auf. „Der Kriegsschiffverband wird sich in irgendein Versteck verholt haben. Bald rundet er die Insel, um nach uns zu suchen. Wir müssen sehen, daß wir noch heute nacht von hier verschwinden.“

      „Ich wäre dankbar, wenn du uns übersetzen könntest, was ihr redet“, sagte der Seewolf. „Wir haben ein Anrecht darauf, Mann.“

      Der Freibeuter hob die Augenbrauen. „Ah! Du nimmst den Mund immer noch viel zu voll. Aber einverstanden, ich sage dir, wovon Otonedju und ich überzeugt sind.“

      Als er mit seiner fast wortgetreuen Übersetzung am Ende war, trat Hasard wütend zwei Schritte auf ihn zu.

      „Deine Darstellungen haben weder Hand noch Fuß“, sagte er. „Es ist geradezu lachhaft und an den Haaren herbeigezogen, was ihr euch da ausdenkt.“

      „Ein Krampf!“ schrie nun auch Carberry.

      „Wir brauchen uns das nicht gefallen zu lassen“, fügte Blacky aufgebracht hinzu.

      Die malaiischen Piraten hoben wieder ihre Waffen und zielten auf die Seewölfe. Hasards Kameraden ließen sich dadurch aber ebensowenig einschüchtern wie der Seewolf selbst.

      „Tiger von Malakka“, sagte Hasard. „Wirf nur einen Blick auf die Bucht unterhalb des Dorfes. Dort sind drei Schiffe untergegangen – der komplette Verband. Kann man so etwas vortäuschen?“

      Der Späher kehrte zu Otonedju zurück. Er war einer der beiden jungen Krieger, die der Seewolf auf der Lichtung hatte überwältigen müssen. Aufgeregt redete er auf seinen Häuptling ein, und Otonedju schaute zu dem Anführer der Piraten.

      Der Tiger setzte eine triumphierende Maske auf.

      „Nur ein Schiff liegt in der Bucht vor Anker“, sagte er zu Hasard. „Offenbar das deine. Die drei anderen sind verschwunden. Spurlos.“

      „Teufel, weil sie gesunken sind!“

      „So rasch?“

      „Otonedju hätte zuschauen können, wie wir die ‚Santissima Madre‘, die ‚Santa Barbara‘ und die ‚San Juan‘ auf Grund gesetzt haben. Zumindest das Feuer, das wir auf ihren Decks entfacht haben, hätte er sehen müssen.“

      Der Freibeuter unterhielt sich noch einmal in der eigentümlichen, abgehackt und leicht guttural klingenden Sprache der Malaien mit dem Dorfältesten, dann schüttelte er den Kopf. „Nichts. Das ist dein Pech, Seewolf. Du hast uns eben unterschätzt.“

      „Geh zur Bucht und schau dir die Toten an, die dort verstreut liegen“, sagte Hasard mühsam beherrscht. „Die werden dich davon überzeugen, wie sehr du mit deiner idiotischen Meinung danebenliegst.“

      „Damit ich deinen Kumpanen in die Hände laufe?“ Der Tiger lachte wieder. „Darauf wartest du ja nur.“

      „Fahr zur Hölle. Dir ist nicht zu helfen.“

      „Gib acht, wie du mit dem Rebellen von Malakka sprichst“, stieß der Schwarzbärtige zornig hervor.

      Hasard antwortete mit einer wegwerfenden Geste. „Mit solchen Drohungen imponierst du mir nicht. Dein Stolz und dein Starrsinn werden dich noch zu Fall bringen. Du weißt deine Feinde nicht von deinen Freunden zu unterscheiden – ein böser Fehler.“

      Der Tiger trat dicht vor ihn hin. „Dein Heulen stößt bei mir auf taube Ohren, Seewolf. Du bist ein guter Redner, das gebe ich zu, aber allein durch Raffinesse kannst du mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen.“

      „Wie du meinst“, sagte Hasard kalt. „Was hast du vor? Willst du uns hinrichten? Hier?“

      „Nein. Meine Prahos liegen am Ostufer der Insel. Dorthin bringen wir euch jetzt – zusammen mit den Bewohnern des Dorfes.“

      „Eine richtige Evakuierung also?“

      „So könnte man es nennen.“

      Rund drei Dutzend Männer, die ihrem Äußeren nach alle von Malakka oder Sumatra zu stammen schienen, bildeten die Meute des Tigers von Malakka. Je zwei dieser Burschen kümmerten sich auf einen Wink des Anführers hin um die Seewölfe. Mit Tauenden banden sie Hasard, Ed, Ferris, Shane, Smoky, Blakky, Dan und Sam die Hände auf dem Rücken fest.

      Hasard gelang es, die Gelenke ein wenig auseinanderzudrücken und die Finger zu spannen, während ein muskelbepackter Atjeh ihm die Fesseln zusammenzurrte. Das war aber auch alles, was er im Augenblick tun konnte. An Flucht war nicht zu denken – nicht unter diesen Bedingungen.

      Bei aller Nahkampferfahrung und Taktik – der Tiger und seine Leute hätten sie mühelos niederschießen und abstechen können, sofern sie einen Versuch in dieser Richtung unternommen hätten.

      Während die Frauen, Kinder und Greise des Inselstammes die Höhlen verließen und sich der lange Zug zwischen den Felsen formierte, blickte Hasard zu Otonedjus Tochter hinüber. Sie war ein ausgesprochen hübsches, zerbrechlich wirkendes Geschöpf mit langen schwarzen Haaren, die sie jetzt zu einem Knäuel auf ihrem Kopf hochgesteckt hatte.

      Zweierlei glaubte Hasard bei ihr festgestellt zu haben. Immer wieder suchte ihr Blick die Gestalt des Tigers von Malakka. Der Mann schien ihr zu imponieren. Aber gleichzeitig mußte sie einige Zweifel daran haben, ob sein Urteil über die acht Gefangenen wirklich berechtigt war. Die Art, wie sie die Seewölfe musterte, war frei von Haß und Vergeltungssucht.

      Die Piraten verteilten sich auf Kopf, Mitte und Ende des Zuges. Hasard und seine Männer mußten vorn marschieren, gleich hinter dem Tiger und sechs, sieben von dessen Kerlen.

      Der Tiger von Malakka schritt als erster los. Langsam und fast lautlos setzte sich auch seine Gefolgschaft in Bewegung. Der Abstieg zum Ostufer hatte begonnen. Er führte wieder in tiefes, Feuchtigkeit atmendes Dikkicht, in das jedoch bereits ein Pfad getrieben worden war – von den Freibeutern, die bei ihrer Ankunft denselben Weg genommen hatten.

      Hasard tauschte einen Blick mit Carberry, der hinter ihm wanderte.

      Carberry verstand. Er sollte Sir John veranlassen, zur „Isabella“ zurückzufliegen. Ben Brighton würde schon begreifen, wenn er den Aracanga allein auftauchen sah. Auf jeden Fall mußte er die Gefahr spüren, in der die acht Kameraden sich befanden.

      Aber Sir John kapierte nicht, was der Profos von ihm verlangte. Immer wieder trachtete Ed, den kleinen Kerl von seiner Schulter zu scheuchen, mußte dabei aber achtgeben, nicht die Piraten auf sich aufmerksam zu machen.

      Sir John war den Seewölfen in manchen Situationen schon eine Hilfe gewesen, aber man durfte seine Fähigkeiten nicht überschätzen. Hier war er zweifellos überfordert. Er verstand nicht, was Carberry ihm zuraunte.

      Als ihm das Getue des Profos’ zu bunt wurde, flatterte er nur auf und schimpfte: „Rübenschweine! Himmelhunde! Hol’s der Henker!“

      „Hau ab, du rasierter Zwerghahn“, zischte Ed.

      Er hoffte noch, Sir John würde jetzt in der Nacht verschwinden, aber der Vogel bewies seine Anhänglichkeit, indem er über der langen Prozession hin und her


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