Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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man gute Decksleute hat. Außerdem frischt der Wind noch immer auf. Die Männer an Deck werden bald keine ruhige Minute mehr haben.“

      Shawano schüttelte verständnislos den Kopf.

      „Ich begreife nicht, warum sie sich dagegen auflehnen. Jeder von uns muß einsehen, daß wir unsere Freunde auf der ‚Isabella‘ sowenig wie möglich behindern dürfen.“

      „Richtig“, sagte Marcos und nickte, „aber anscheinend haben sich Ihre jungen Leute in den Kopf gesetzt, zu kämpfen. Und das wäre nun wirklich das Letzte, was wir uns leisten können.“

      Wie zur Bestätigung seiner Worte schwollen die Stimmen auf der Kuhl unvermittelt zu erregtem Geschrei an. Heftig gestikulierend drang eine Gruppe von fast einem Dutzend junger Timucua auf die vier Spanier ein, die sich zum Steuerbordschanzkleid zurückzogen.

      Shawano eilte an die Schmuckbalustrade des Achterkastells.

      „Aufhören!“ rief er mit schneidender Stimme. „Seid ihr denn von Sinnen!“

      Es wirkte. Die Timucua zuckten zurück, wandten sich um, und Verlegenheit war in ihren Mienen zu erkennen. Ein kurzes Gemurmel entstand, dann löste sich einer von ihnen aus der Gruppe und trat auf den Niedergang zum Achterkastell zu. Die anderen hatten ihn zum Wortführer ausersehen. Er blickte respektvoll zu Shawano auf.

      „Sprich“, forderte der Häuptling.

      „Wir glauben, daß die Spanier uns verraten wollen, Shawano. Sie wollen, daß wir keinen Widerstand leisten, damit wir ihren Verbündeten in die Hände fallen.“ Der junge Timucua deutete in die Richtung, in der er die spanische Galeone auf Verfolgerkurs wußte.

      „Haben sie das zugegeben?“ sagte der Häuptling mit einem Blick auf Rafael und die drei anderen, die noch immer am Schanzkleid ausharrten.

      „Nicht mit Worten. Aber ihre Taten sind mehr als ein Geständnis.“

      „Was für Taten?“ Beginnendes Mißfallen klang aus Shawanos Stimme.

      „Sie wollen uns nicht erlauben, die großen Feuerrohre zu laden und damit auf den Feind zu schießen.“

      „Dann müssen sie euch einen Grund dafür genannt haben.“

      „Alle Spanier reden mit gespaltener Zunge, Shawano. Solange sie keine Hoffnung sahen, taten sie, als seien sie unsere Freunde. Jetzt aber, da das spanische Schiff uns folgt, haben sich ihre Sinne gewandelt. Sie wollen uns daran hindern, die Feuerrohre zu laden, damit die Feinde uns leicht bezwingen können.“ Der Wortführer der Timucua-Männer hatte sich in Zorn geredet. Ruckartig streckte er den rechten Arm aus und zeigte anklagend auf die vier Spanier am Schanzkleid. „Was sie tun, tun sie nicht für uns, sondern gegen uns.“

      „Shawano!“ rief Marcos, der von seinem Platz am Ruder jedes Wort mitgehört hatte. „Das ist ein furchtbares Mißverständnis. Ich bitte Sie, hören Sie Rafael oder einen der anderen an, damit er sich in unser aller Namen rechtfertigen kann.“

      Der Häuptling nickte nur.

      „Rafael!“ rief er energisch, und mit einer knappen Geste winkte er den Spanier herbei.

      Die Timucua ließen ihn bereitwillig durch, denn gegen einen Befehl Shawanos mochte sich keiner von ihnen auflehnen. Auch der Wortführer wagte keinen Protest, er zog den Kopf zwischen die Schultern, als ducke er sich unter einem imaginären Hieb.

      Mit einer knappen Verbeugung trat Rafael neben den Indianer am Niedergang. Dann blickte er respektvoll zu Shawano auf.

      „Du hast gehört, was die Männer meines Stammes dir und deinen Landsleuten vorwerfen“, sagte der Häuptling, „ich will aus deinem Munde hören, ob diese Vorwürfe gerechtfertigt sind.“

      Rafael nickte. Auch er beherrschte die Sprache der Timucua fließend.

      „Meine Freunde und ich haben ehrliche Absichten“, sagte er mit fester Stimme, „wir fürchten uns vor einem Gefecht genauso wie die Leute Ihres Stammes, Shawano. Der Kapitän der Galeone, die uns verfolgt, ist Don José Isidoro. Er wird genauso wenig Rücksicht auf unser Leben nehmen, wie es Don Bruno Spadaro tat, der Kapitän der ‚Galicia‘. Wir können nur immer wieder versichern, daß wir mit unseren Landsleuten nichts mehr im Sinn haben. Natürlich wissen wir, daß es schwerfällt, uns zu glauben. Aber Sie sind ein weiser Mann, Shawano. Wenn ich mit gespaltener Zunge reden würde, dann müßten Sie es erkennen.“

      Ein kaum merkliches Lächeln kerbte sich in die Gesichtszüge des weißhaarigen alten Mannes.

      „Nun gut“, erwiderte er, „warum hindert ihr dann meine Männer daran, die großen Feuerrohre zu benutzen?“

      „Ich verstehe“, sagte Rafael mit einem Nicken, „diese Heißsporne glauben, sie können alles schaffen. Dabei sind sie noch nicht einmal in der Lage, alle Segelkommandos richtig auszuführen. Wenn man aber ein Schiffsgeschütz bedienen will, muß man jeden Handgriff im Schlaf beherrschen. Außerdem muß jede Geschützmannschaft perfekt aufeinander eingespielt sein. Ist das nicht der Fall, kann der winzigste Fehler zur Katastrophe führen. Falsche Ladungen, falsch gesetzte Geschosse oder unvorsichtiges Hantieren mit der Lunte können dazu führen, daß so ein Bronzerohr explodiert und uns um die Ohren fliegt. Aber selbst wenn sie die Geschütze bedienen könnten, dann müßten die Männer in der Lage sein, das Schiff absolut sicher zu manövrieren. Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, um überhaupt in Schußposition zu gelangen.“ Rafael hielt inne und holte Luft. Er wollte weiterreden, aber Shawano ließ ihn mit einer Handbewegung schweigen.

      Der Häuptling wandte sich dem Wortführer der Timucua zu.

      „Hast du das verstanden?“

      „Ja, Shawano, jedes Wort.“

      „Rafael sagt die Wahrheit. Warum glaubst du ihm nicht?“

      Der junge Timucua atmete tief durch.

      „Wir können mit den kleinen Feuerrohren umgehen. Dann werden wir es auch mit den großen schaffen.“

      „Aber das ist es doch gerade!“ rief Rafael empört. „Zwischen einer Muskete und einer Culverine besteht ein himmelweiter Unterschied.“

      „Genug“, sagte Shawano energisch, „ihr werdet jetzt aufhören, zu streiten. Rafael hat recht, keiner wird die großen Feuerrohre anfassen. Wichtig ist nur, daß wir dieses Schiff auf … wie nennt man das, Rafael?“

      „Auf Kurs halten.“

      Der Häuptling lächelte.

      „Auch ein Mann meines Alters darf nicht aufhören, zu lernen. Also, es ist wichtig, daß wir das Schiff auf Kurs halten und die ‚Isabella‘ so wenig wie möglich behindern. Sonst werden wir gegen die Verfolger niemals bestehen können.“ Er sah den jungen Timucua eindringlich an. „Ich will, daß ihr das versteht und euch daran haltet. Daß mein Volk einmal ein Volk von Dummköpfen sein könnte, habe ich nie erwartet.“

      Der Wortführer und auch die anderen, die alles mitgehört hatten, senkten den Kopf. Keiner von ihnen würde jemals wagen, sich gegen Shawanos Autorität aufzulehnen.

      „Geht zurück an eure Arbeit“, sagte der weißhaarige alte Mann und wandte sich ab.

      Marcos blickte ihm mit leuchtenden Augen entgegen.

      „Ich danke Ihnen, Shawano. Das werden meine Freunde und ich nie vergessen.“

      Shawano nickte nur, ging an Marcos vorbei und trat an die Heckbalustrade der „San Donato“. Er sah Philip Hasard Killigrew auf dem Achterdeck der „Isabella“, die Statur des großen, breitschultrigen Mannes aus dem fernen England war unverwechselbar.

      Der Seewolf hielt ein Rohr aus Messing in seinen Händen. Shawano wußte, daß man damit entfernte Dinge sehr nahe sehen konnte. Der Seewolf hatte also beobachtet, was sich auf der „San Donato“ abgespielt hatte. Folglich wußte er jetzt, daß es keine weiteren Schwierigkeiten geben würde, daß Marcos und seine Freunde es mit ihren Absichten ernst meinten, dem Stamm der Timucua zu helfen.

      Die fremde spanische Galeone


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