Seewölfe Paket 9. Roy Palmer
Parteien schmolz rasch zusammen.
Nur noch zehn Yards, bis sich die ersten Boote begegnen würden. Das Kampfgebrüll der Seewölfe und ihrer Gefährten steigerte sich zu einem donnernden Inferno.
Auch Robert Parsons schrie jetzt Befehle und versuchte, Ordnung in seine verwirrte Flotte zu bringen, um sie nun doch noch zum Angriff zu bewegen.
Zu spät.
Die „Revenge“-Männer schafften es nicht einmal mehr, ihre Boote auf Kurs und die Riemenschläge in einen einigermaßen brauchbaren Takt zu bringen.
Eines der „Vengeur“-Boote war zuerst dran, zersplitterte vier Riemen auf einmal unter seinem Kiel, und im Vorbeigleiten ließen Pierre Puchan und Grand Couteau auf geradezu elegante Weise ihre Entermesser kreisen. Trokkene Schläge hackten in das Holz des „Revenge“-Bootes, bevor dessen Besatzung auch nur zu einer Gegenwehr ansetzen konnte. Schon drehte das Boot mit Pierre Puchan und Grand Couteau ab, und die fassungslosen „Revenge“-Männer mußten erkennen, wie es durch zwei Lecks in ihrer Nußschale hereinsuppte.
Das Gebrüll der Seewölfe steigerte sich zu erstem Triumph.
Und dann ging es Schlag auf Schlag, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ferris Tucker ließ sich seelenruhig auf eins der Gegner-Boote zudirigieren. Während sein Nebenmann Luke Morgan die aufgescheuchten Verteidiger im Heck dieses Bootes auf Distanz hielt, zerschmetterte Tuckers Axt den Spiegel mit weniger als einem halben Dutzend wohlgezielter Hiebe. Das Boot sackte weg wie ein Stein, und seine Besatzung ergoß sich als schreiendes Knäuel in die nachtdunklen Fluten der Mill Bay.
Batutis Morgenstern sorgte bei einer anderen Bootsbesatzung für Panik. Schon der Anblick der furchtbaren Waffe, die der gambische Herkules in kreisende Bewegung versetzte, genügte für zwei, drei Männer, fluchtartig über Bord zu springen. Auch die anderen begriffen in ihrer Angst zu spät, daß Batuti nicht sie als Zielscheiben ausgesucht hatte, sondern lediglich die Bootsbeplankung mit wenigen kraftvollen Schlägen seines Mordinstruments in Trümmer legte.
Edwin Carberry ließ ein Gegner-Boot, das er aufs Korn genommen hatte, kurzerhand rammen. Mit einem Satz enterte er über. Und wie es der Zufall wollte, handelte es sich um Robert Parsons’ Boot. Drakes erster Offizier wurde weiß im Gesicht, als er sich zum zweiten Mal an diesem Abend den Riesenpranken des Profos ausgeliefert sah.
Zum zweiten Mal an diesem Abend mähte Carberry Drakes „Ersten“ von den Füßen. Nur gab es diesmal keinen Fußboden, von dem Parsons sich wieder aufrappeln konnte. Er versank gurgelnd, tauchte wieder auf und strebte mit verzweifelten Schwimmzügen dem Kai entgegen.
Dorthin, wo sich die Menschenmenge zu immer begeistertem Beifallsgeschrei steigerte. Das, was die Seewölfe und ihre Freunde hier boten, war wirklich eine Augenweide! Eine Seeschlacht im Kleinformat!
„Die Schlacht auf der Mill Bay!“ schrie jemand, und der Ruf pflanzte sich mit rasender Geschwindigkeit fort.
Schon jetzt stand fest, daß auch dieses Ereignis in die Geschichte der Stadt Plymouth eingehen würde – als eine Geschichte, bei der die Großväter noch in hundert Jahren schmunzeln würden, wenn sie sie ihren Enkeln am Kaminfeuer erzählten.
Edwin Carberry ließ seine mächtigen Fäuste kreisen, bis er auch den letzten „Revenge“-Mann von Bord gefegt hatte. Dann erst kehrte er auf sein eigenes Boot zurück.
Der letzte Widerstand der Drake-Crew schmolz rasch zusammen. Ohnehin hatten sie dem wild entschlossenen Angriff der Seewölfe und der Ribault-Crew nicht viel entgegenzusetzen gehabt. Denn für ihr Vorhaben, die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ zu versenken, hatten sie sich mit vorwiegend geräuscharmen Geräten, wie Bohrern und Sägen, ausgerüstet.
Die Enterbeile der Seewölfe und ihrer Gefährten blitzten, Ferris Tukkers Axt fand reichliche Ernte, und Batutis Morgenstern kreiste unablässig. Bootsplanken splitterten und krachten, und in rascher Folge ging ein „Revenge“-Mann nach dem anderen über Bord.
Unter dem tosenden Johlen der Zuschauer an Land blies Edwin Carberry den Einsatz schließlich ab.
Lediglich Old O’Flynn und Will Thorne schossen immer noch ihr chinesisches Feuer ab.
Die Feuerkugeln erhellten eine jämmerliche Niederlage der Männer von Drakes Flaggschiff. Nur noch vier Boote waren heil geblieben. In weitem Umkreis trieben Splitter und Planken auf dem Wasser der Bucht, und dort, wo die „Revenge“ im Halbdunkel lag, kroch eine triefendnasse Gestalt nach der anderen an Land.
Mit gemächlichen Riemenschlägen kehrten die Seewölfe und ihre Freunde zur Pier zurück. Wieder hatten sie einen überzeugenden Sieg errungen, und wieder wurden sie von den Bürgern der Stadt Plymouth stürmisch gefeiert.
„Scheint langsam zur Gewohnheit zu werden, das“, brummte Edwin Carberry, nachdem er auf die ihm vertraute Kuhl zurückgekehrt war.
6.
Es war wie eine Erlösung, als sich endlich wieder schützende Dunkelheit über den Hafen legte.
Unter der verdammten Festbeleuchtung hatte die schmähliche Rückkehr an Bord für Robert Parsons einen niederschmetternden Beigeschmack gehabt – ungefähr so, als hätte man ihn vor aller Öffentlichkeit entblößt und zur Lächerlichkeit degradiert. Und mit ihm war letztlich auch Admiral Drake gedemütigt worden.
Ratlosigkeit befiel den ersten Offizier der „Revenge“, während er sich in seiner Kammer von den Spuren des Kampfes säuberte. Seine Reserve an trokkener Kleidung war bald aufgebraucht. Noch einmal konnten sie sich einen solchen Untergang, eine solche Niederlage, nicht leisten.
Im blakenden Lampenschein holte Parsons eine Rumflasche aus seinem Schapp. Er entkorkte die Flasche, setzte sie an die Lippen und trank mit langen Schlucken. Der hochprozentige Stoff breitete sich in seinem Inneren wie flüssiges Feuer aus – wohltuend. Er nahm die Flasche zum Tisch hinüber und ließ sich auf den Schemel sinken. Sein blaues Auge war noch immer verklebt. Doch der Rum brachte seine Überlegungen wieder in halbwegs geordnete Bahnen. Jedenfalls glaubte er das.
Eine Tatsache erfüllte ihn indessen nahezu mit Entsetzen:
Wieder waren sie mit Pauken und Trompeten untergegangen. Wieder hatten sie eine Niederlage erlitten, die vollkommener war als alle vorherigen.
Diese Bastarde, die unter dem Kommando des dreimal verfluchten Killigrew und dieses französischen Strolchs Ribault fuhren, mußten mit dem Teufel im Bunde sein. Unbezwingbar.
Parsons stieß einen grimmigen Knurrlaut aus.
Unbezwingbar?
Nein, verdammt noch mal, sie hatten einfach kein Glück gehabt, die Bastarde. Der Zufall war ihnen zu Hilfe gekommen und hatte ihnen die besseren Chancen gegeben. In ihrer Niedertracht hatten sich die Kerle nicht gescheut, der Crew des ehrenhaften Admirals eine Demütigung nach der anderen zuzufügen.
Jawohl, so war es und nicht anders.
Robert Parsons gelangte zu der Überzeugung, daß ihm und seinen Männern furchtbares Unrecht geschehen war und es empörende Frechheiten waren, die sich die Lumpenhunde von der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ geleistet hatten – nur, um sich bei den ahnungslosen Leuten an Land in ein günstiges Licht zu rücken.
Daran, wer der Angreifer gewesen war, dachte Parsons nicht. Sie, die Männer der „Revenge“, hatten seiner Meinung nach nichts anderes getan, als sich gegen Bosheit und Unrecht zur Wehr zu setzen.
Parsons setzte die Rumflasche noch einmal an und genoß das Brennen in der Kehle und die wohlige Wärme im Magen. Dann knallte er die Flasche auf den Tisch und gab sich selbst einen Ruck.
Es mußte etwas geschehen. Killigrews und Ribaults Leute brauchten eine gründliche Lektion, damit sie von ihrem hohen Roß herunterstiegen.
Für den ersten Offizier der „Revenge“ gab es nicht den geringsten Grund, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Nein, jetzt mußten schwerere Geschütze aufgefahren werden. Jetzt mußte über