Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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fassungslos den Kopf.

      „Aber – dann – dann sind Drake und Hasard doch Kampfgefährten! Es ist unglaublich. Bist du auch ganz sicher, Bill? Dieser Mann kann sich doch nicht eines so gemeinen Verbrechens schuldig machen!“

      Bill atmete tief durch.

      „Er hat seine Gründe, Sir. Bestimmt war es ein Zufall, daß er hier auf uns gestoßen ist. Geplant hat er diese Entführung sicher nicht. Aber ich kann mir gut vorstellen, weshalb er es getan hat.“ Und der Moses der „Isabella“ schilderte dem erschütterten Doktor, durch welche Geschehnisse das früher gute Verhältnis zwischen Admiral Drake und Philip Hasard Killigrew getrübt worden war. Jene Ereignisse, die auf so tiefgreifende Weise dafür gesorgt hatten, daß dem Seewolf die Augen geöffnet worden waren.

      Bill, der junge Moses, hatte trotz seiner jungen Jahre schon ein ausreichendes Urteilsvermögen, um jene Differenzen klarzulegen, die spätestens nach der Schlacht gegen die Armada zum offenen Bruch zwischen Hasard und dem Admiral geführt hatten. Vor allem hatte Bill auch begriffen, daß es Drakes ungezügelte Beutegier und sein unmenschliches Verhalten gewesen waren, die Hasard abgestoßen hatten.

      Doc Freemont nickte bedächtig und verstehend. Die Zusammenhänge wurden für ihn so deutlich wie in einem aufgeschlagenen Buch. Er kannte Hasards Charakter und wußte, daß der Seewolf niemals von seinen Grundsätzen der Fairneß und der Menschlichkeit abweichen würde. Um so mehr mußte es ihn schokkiert haben, als er den wahren Francis Drake erkannt hatte.

      Niemand schien indessen in England diese negativen Eigenschaften des ruhmreichen Admirals jemals erlebt zu haben. Sir Francis Drake war eine personifizierte Legende, wie jetzt auch Philip Hasard Killigrew. Verständlich, daß Drake giftig reagierte, seit jemand begonnen hatte, sein wahres Inneres bloßzustellen.

      Doc Freemont war davon überzeugt, daß Bill in einem wesentlichen Punkt recht hatte: auf einem Plan beruhte diese gemeine Entführung der Zwillinge ganz sicher nicht. Drake mußte einfach die zufällige Gelegenheit beim Schopf ergriffen haben. Jetzt würde er improvisieren müssen, wenn er versuchen wollte, das Druckmittel auszuspielen, das er gegen Hasard in der Hand hatte.

      „Sir!“ rief der Kutscher. „Wir müssen die Pferde einfangen!“

      Doc Freemont erwachte aus seiner Erschütterung. Zu sehr hatte ihn die Ahnung dessen beschäftigt, was jetzt möglicherweise heraufbeschworen wurde. Er mochte nicht daran denken, wie Hasard reagierte, wenn er von der Entführung seiner Söhne erfuhr.

      „Ja, natürlich“, murmelte der Doc zerstreut.

      Gemeinsam mit Bill und dem Kutscher lief er in die Richtung, in die die Pferde davongetrabt waren. Admiral Drakes Kutsche war längst hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden.

      Der rhythmische Gleichklang der Hufgeräusche und das monotone Mahlen der Wagenräder wirkten einschläfernd, außerdem die Wärme der Sonnenstrahlen und die nervliche Entspannung, die Sir Francis Drake jetzt empfand.

      Er fühlte sich wie nach einem ersten Sieg, den er endlich über seinen verhaßten Widersacher Killigrew errungen hatte. Diese Genugtuung erfüllte ihn mit innerer Ruhe und Zufriedenheit, wie er beides seit der Schlacht gegen die Armada nicht mehr erlebt hatte.

      Die Kindesentführung betrachtete er als ein legitimes Mittel in seiner Auseinandersetzung mit Killigrew. Der Bastard hatte es sich selbst zuzuschreiben, denn die Methoden, die er angewendet hatte, waren weit weniger gerechtfertigt.

      Nein, nein, dachte Drake beruhigt, wer zu solcher Niedertracht fähig ist wie Killigrew, der darf sich nicht wundern, wenn ihm mit einem empfindlichen Gegenschlag geantwortet wird.

      Je mehr er sich diese Dinge vor Augen hielt, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß die Entführung der Zwillinge geradezu eine glanzvolle Leistung, ein hervorragendes Beispiel taktischer Kriegslist war. Immerhin – er war noch der alte Francis Drake, der selbst den ausgekochtesten Gegner zu übertrumpfen vermochte. Daran hatte sich nichts geändert, obwohl es eine Zeitlang so ausgesehen hatte, als würde ihm Killigrew den Rang ablaufen.

      Der sehr ehrenwerte Admiral faltete die Hände über dem Bauch und blinzelte in die Sonne. Diese Schläfrigkeit konnte er sich nicht leisten, das wußte er. Wenn er die Augen schloß, würden die Zwillinge bei der nächsten Gelegenheit aus der Kutsche hüpfen und das Weite suchen. Sie waren eine gerissene Brut – bei dem Vater. Aber sie mußten schon eher aufstehen, wenn sie ihm, dem kampferprobten Admiral einen Streich spielen wollten.

      Seit er sie in seine Gewalt gebracht hatte, saßen sie schweigend da und starrten ihn an. Unablässig. Ihre Augen hatten etwas Durchbohrendes, Anklagendes. Aber er störte sich nicht daran und nahm es kaum wahr. Kinder zählten für ihn nicht zu dem Personenkreis, den man ernstnehmen mußte.

      Gewiß, er hätte sie fesseln können, um völlig sicherzugehen. Aber wenn es nicht unbedingt sein mußte, wollte er das vermeiden. Denn es konnte bei etwaigen Beobachtern einen schlechten Eindruck hinterlassen. So aber sah es aus, als würde er, der gütige Admiral Drake dem alten Kampfgefährten Killigrew die Kinder zurückbringen. Eine scheinbar versöhnliche Geste vor aller Augen in Plymouth!

      Drake schmunzelte bei diesem Gedanken. Killigrew würde natürlich der erste sein, der herausfand, wie es sich wirklich verhielt. Das würde ein teuflisch böses Erwachen für ihn geben. Recht so. Und in der Angst um seine Brut würde er wie ein winselnder Hund angekrochen kommen.

      So weit, so gut. Die Maßnahmen, die daran anschließend zu ergreifen waren, mußte man noch planen und im einzelnen festlegen. Auf jeden Fall würde es so ablaufen, daß Killigrew dabei den kürzeren zog und nie wieder versucht sein würde, den ruhmreichen Admiral herauszufordern und zu demütigen.

      Gut so. Drake schmunzelte noch immer und blickte wohlgefällig von oben herab auf die beiden Jungen, die ihrem Vater so verteufelt ähnlich waren.

      Philip und Hasard erwachten aus ihrer scheinbaren Lethargie.

      „Es wird Zeit, daß wir etwas unternehmen“, sagte Philip auf Türkisch. „Was denkst du, wie lange brauchen wir noch bis Plymouth?“

      Hasard antwortete in derselben Sprache, die ihnen wie eine Muttersprache war. Denn die meisten Jahre ihres jungen Lebens hatten sie in der Obhut von türkischen und persischen Gauklern zugebracht, bevor ihr Vater sie in Tanger wie durch ein Wunder gefunden hatte.

      „Wenn Onkel Freemont recht hat. dann sind es jetzt vielleicht noch eine oder eineinhalb Stunden. Meinst du, daß die Zeit reicht?“

      „Sicher doch“, sagte Philip, „wir müssen nur genau wissen, was wir wollen. Auf jeden Fall kriegt dieser Lump von einem Admiral kein Wort mit. Siehst du, wie blöd er dreinschaut?“

      „Ja!“ Hasard kicherte, ohne den Kopf zu wenden. Sie sahen sich gegenseitig an und vermieden es, Drake auch nur eines Blickes zu würdigen.

      Der Admiral runzelte verblüfft die Stirn. Was, in aller Welt, war das für ein seltsames Kauderwelsch, in dem diese Bürschchen sich unterhielten? Um Spanisch oder einen spanischen Dialekt handelte es sich jedenfalls nicht. Das hätte er verstanden. Komische Brut, die Killigrew da großgezogen hatte. Wer so redete, der mußte schon eine sonderbare Vergangenheit haben. Nichts, dessen sich ein anständiger Engländer rühmen konnte. Wieder ein Pluspunkt, den man geflissentlich zur Kenntnis nehmen konnte. Es würde sich lohnen, ein wenig in Killigrews Vergangenheit zu forschen. Traten dann gewisse Dinge zutage, die man in der Öffentlichkeit breittreten konnte, würde das seinen frisch erworbenen Ruhm sehr schnell abbröckeln lassen.

      „Damals, bei den Gauklern haben wir genug gelernt“, fuhr Philip in dem vermeintlichen Kauderwelsch fort. „Sachen, von denen sich dieser aufgeplusterte Knilch garantiert nichts träumen läßt.“

      „Hm, eine gute Idee“, antwortete Hasard begeistert, „aber eins ist dabei wichtig: wir dürfen nicht zuviel riskieren, bevor wir in Plymouth sind. Denn sonst könnte es sein, daß er uns doch noch wieder reinlegt.“

      „Richtig. Gehen wir mal davon aus, daß wir dem Knilch und seinem Kutscher körperlich nicht gewachsen sind. Also können wir sie nur ausschmieren. Und Tricks sollten wir genügend


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