Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


Скачать книгу
ich denke, diese Antwort genügt uns“, murmelte Bürgermeister Cummings.

      Hasard und Jean Ribault erwiderten nichts darauf. Für Hasard hatte dieser Sieg über den Admiral einen bitteren Beigeschmack. Er wußte, daß er sich einen Todfeind geschaffen hatte. Einen Todfeind zwar, dem er mit ehrlichen Mitteln jederzeit gewachsen war. Aber gegen Intrigen konnte selbst ein Mann von Hasards Format nicht immer etwas ausrichten. Und Drake war ein Meister in der Kunst des Intrigierens.

      Für den Seewolf hieß es von nun an, höllisch auf der Hut zu sein. An der Bewunderung, die er aus den Blicken der Honoratioren von Plymouth spürte, vermochte er sich nur wenig zu erfreuen.

      5.

      Sein linkes Auge war geschlossen und brannte so mörderisch, als hätte sich das gesamte Höllenfeuer auf ihn konzentriert. Was indessen noch mehr in ihm brannte, war die Wut über die erlittene Niederlage.

      Finstere Gedanken beherrschten Robert Parsons, als er seine Kammer verließ. Er hatte sich gründlich gewaschen, seine Blessuren einigermaßen beseitigt und trockene Kleidung angezogen. Nur die veilchenblaue Färbung seines linken Auges konnte er nicht vertuschen. Grund genug, seine Wut in ständigem Siedezustand zu halten.

      Leichter Nieselregen empfing ihn, als er über die Kuhl der „Revenge“ stapfte. Er hatte alle Lampen an Bord löschen lassen, nachdem er und seine Männer auf so schmähliche Weise zurückgekehrt waren. Niemand brauchte zu sehen, in welchem Zustand sie über die Decksplanken gekrochen waren – triefend naß und krumm und blau geschlagen. Aber nach Möglichkeit sollte auch niemand mitkriegen, was sich in Kürze abspielen würde. Der erste Offizier der „Revenge“ hatte in dieser Beziehung schon äußerst handfeste Überlegungen angestellt. Hölle und Teufel, diesmal würden sie dem Namen ihres Schiffes alle Ehre machen. Rache – das war das einzige, was jetzt noch zählte.

      Mit vorsichtigen Bewegungen stieg Parsons in das Mannschaftslogis hinunter. Er fühlte sich unsicher, weil es ihm Schwierigkeiten bereitete, mit nur einem Auge sehen zu müssen.

      Im stickigen Logis brannten nur zwei Öllampen. Die Luft roch nach Schweiß und Brackwasser. Ihre nasse Kleidung hatten die Männer zu einem Haufen in der Nähe des Niedergangs gestapelt. Zur Zeit war nicht daran zu denken, die Sachen zu trocknen. Draußen, im Freien, war die Luftfeuchtigkeit ohnehin zu hoch. Und im Augenblick gab es Wichtigeres, als ein wärmendes Kombüsenfeuer zu entfachen.

      Parsons blieb vor dem Niedergang stehen und atmete tief durch. Die Männer boten einen erbärmlichen Anblick. Einige von ihnen trugen leuchtendweiße Verbände wie Turbane auf ihren Köpfen. Schrammen und Platzwunden hatten alle davongetragen, mehrere von ihnen auch ähnlich blaue Augen wie der „Erste“, der an Bord das Kommando führte, solange sich Admiral Drake auf seinem Landsitz in der Nähe von Plymouth befand. Immerhin sahen sie mit ihrer frischen Kleidung aber wieder wie halbwegs brauchbare Menschen aus.

      Die halblauten Gespräche verstummten bei Parsons Erscheinen.

      „Herhören, Männer“, sagte er. „Das Maß ist jetzt voll. Wir können es nicht länger hinnehmen, was sich Killigrews und Ribaults Strolche uns gegenüber ständig herausnehmen. Ein Vergeltungsschlag ist fällig. Sofort. Und zwar so, daß sie sich nicht wieder davon erholen. Ist jemand anderer Meinung?“

      Keiner widersprach.

      „Zeigen wir es den Bastarden“, knurrte einer der Männer, dessen Kopf verbunden war. „Und diesmal gibt es kein Pardon. Diesmal hauen wir sie zu Klump, daß sie ihren eigenen Namen nicht mehr kennen.“

      „Anders herum“, entgegnete Parsons. „Wir werden sie an ihrer empfindlichsten Stelle treffen. Um das zu erreichen, müssen wir sehr schnell handeln. Ich habe festgestellt, daß sie aus der ‚Bloody Mary‘ noch nicht zurückgekehrt sind. Wahrscheinlich gießen sie mehr als einen hinter den Kragen und fühlen sich als die ganz großen Sieger. Um so leichter wird es für uns sein, ihnen eins überzubraten, daß ihnen Hören und Sehen vergeht.“

      In knappen Worten schilderte Parsons seinen Plan, der so einleuchtend wie einfach war.

      Die Augen der „Revenge“-Männer begannen zu funkeln. Verdammt, ja, das war eine hervorragende Idee – und ohne großes Risiko zu bewerkstelligen.

      Die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ würden an der Pier versenkt werden!

      Ein Vergeltungsschlag, der in die Geschichte eingehen sollte. Als mahnendes Zeichen für alle, die jemals an ähnliche Dreistigkeiten denken sollten, wie sie sich die Hundesöhne unter Killigrew und Ribault geleistet hatten.

      Es war still geworden im Hafen von Plymouth. Nur die vereinzelten Lampen der in der Mill Bay vertäuten Schiffe warfen einen matten Schimmer auf die glatte Wasseroberfläche. Längst hatten sich die Schaulustigen verzogen, noch vor Einbruch der Dunkelheit. Stimmen waren jetzt nur noch aus den zahlreichen Schenken in der Umgebung der Schiffsliegeplätze zu hören. Heisere, grölende Stimmen von Sealords, die nach langen Monaten auf See ein Faß aufmachten. In Plymouth gehörte diese abendliche Geräuschkulisse aus den Hafenschenken zur Gewohnheit. Nichts, woran die Bürger im Stadtinneren noch Anstoß nahmen. Im übrigen lebte diese Stadt von der Seefahrt, also mußte man den Seeleuten ihr kleines bißchen Narrenfreiheit lassen.

      Ben Brighton genoß die Ruhe, die ihn auf dem Achterkastell der „Isabella“ umgab. Er schlug seinen Kragen höher und zog die Mütze tiefer in die Stirn. Dieser feine Regen gehörte zu jener Sorte, die einem bis auf die Knochen zu dringen schien. Trotzdem war es für Hasards Stellvertreter kein Grund, sich an einen trockenen Platz zurückzuziehen. Er brauchte die frische Luft so nötig wie das tägliche Brot. Er, der sich den Wind der sieben Weltmeere um die Ohren hatte wehen lassen, gehörte nicht zur Art der Stubenhocker. Auch war er kein Mann von vielen Worten. Lärmende Siegesfeiern jener Art, wie sie derzeit in der „Bloody Mary“ vonstatten ging, gefielen ihm schon gar nicht. Zwischen ihm und dem Seewolf bestand bei solchen Anlässen ein stillschweigendes Übereinkommen: Ben Brighton zog es meistens vor, an Bord die Stellung zu halten, wenn die anderen in einer dieser ewig gleichen Kneipen ihren Übermut ertränkten.

      Der erste Offizier der „Isabella“ hatte ohnehin keinen Anlaß zu einer Siegesfeier gesehen. Was während und nach der Schlacht gegen die spanische Armada geschehen war, war nichts anderes als Pflichterfüllung gewesen. Nicht mehr und nicht weniger.

      Ben Brighton warf einen Blick zum Vordeck. Er sah die Silhouette in der Nähe des Fockmastes, bewegungslos. Will Thorne, der Segelmacher, stand dort drüben auf Posten. Den alten O’Flynn hatte Ben unter Deck geschickt, damit er sich aufs Ohr haute. Zur Ablösung konnte er später geweckt werden. Beruhigt wandte sich Ben Brighton wieder um. Will Thorne war ein zuverlässiger Mann, einer dem man nicht ständig sagen mußte, was er tun sollte, der vielmehr auch eigene Gedanken und Entschlüsse entwickelte.

      Ben Brighton wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Umgebung achteraus zu. Seine Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt, und der matte Lichtschein der vereinzelten Schiffslaternen unterstützte ihn dabei.

      Drüben, auf der „Revenge“ brannte kein einziges Licht. Nur als dunkler Schattenriß waren die Umrisse von Drakes Flaggschiff im Dock zu erkennen. Ben Brighton hatte gesehen, wie die Männer des Admirals fluchend und schreiend aus der Mill Bay an Land gekrochen und zurück an Bord ihres Schiffes gestolpert waren. Danach war verdächtige Ruhe eingekehrt auf der stolzen Kriegsgaleone des sehr ehrenwerten Admirals.

      Seitdem hatte Hasards Stellvertreter das Dock ständig im Auge behalten. Eine unbestimmte Ahnung sagte ihm, daß sich Robert Parsons und seine Leute keineswegs schon zur endgültigen Ruhe begeben würden.

      Plötzlich bestätigte sich diese Ahnung. Ben Brighton beugte sich über die Heckbalustrade und spähte angestrengt in die Dunkelheit hinaus. Im nächsten Moment wußte er, daß es kein Trugbild war, das ihm seine eigenen Sinne vorgaukelten.

      Huschende Schatten bewegten sich an Deck der „Revenge“ und im Dock. Kein Laut war indessen zu hören. Sie dämpften ihre Schritte sehr sorgfältig. Trotzdem war es nicht finster genug, um die „Revenge“-Männer ungesehen bleiben zu lassen.


Скачать книгу