Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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entgegen und blickte selbst hindurch – und erst jetzt erkannte auch er, daß sich da draußen undeutlich etwas regte. „Du hast immer noch die schärfsten Augen von uns allen“, sagte er bewundernd. „Wie viele Schiffe sind es denn? Ich sehe zwei, die Kurs auf die Bucht nehmen.“

      „Drei, vielleicht sogar vier“, korrigierte Dan, dann stand er auf und gab Mulligan und Bingham ein Zeichen. Mulligan winkte zurück, er hatte verstanden. Er wechselte ein paar Worte mit Bingham, nahm dann sein Spektiv zur Hand und hielt ebenfalls nach Nordwesten Ausschau. Von dort aus näherte sich der feindliche Verband, zwei Galeonen und zwei Karavellen, und über die Absichten dieses stattlichen Vierer-Konvois schien kein Zweifel zu bestehen.

      Dan und Bill waren aufgestanden. Sie bewegten sich ein Stück weiter auf die Einfahrt zu, blickten wieder zu den fremden Schiffen, verständigten sich noch einmal mit Mulligan und Bingham und nahmen dann ihr Boot, um zur „Hornet“ zu pullen. Dann stieß einen Pfiff aus, der die Männer an Bord der Galeone alarmierte. Auch an Bord der „Fidelity“ wurde man hellhörig.

      „Vier Schiffe nehmen Kurs auf die Bucht!“ schrie Dan. „Zwei Dreimaster, zwei Zweimaster. Sie kreuzen, aber es ist offensichtlich, daß sie uns einen Besuch abstatten wollen!“

      Hasard, der ans Schanzkleid des Achterdecks der „Hornet“ getreten war, blickte zu der Jolle, die jetzt längsseits ging, dann zu dem zweiten Boot, in dem sich Bingham und Mulligan der „Fidelity“ näherten. So war es vereinbart: Bei Gefahr kehrten die Ausguckposten von der Einfahrt an Bord ihrer Schiffe zurück. Die Gefahr war akut, auch der Seewolf glaubte sofort fest daran, daß das Auftauchen der fremden Schiffe ihnen galt.

      Unschwer ließ sich die Absicht des anrückenden Gegners erkennen, zielstrebig kämpften sich die beiden Galeonen und die beiden Karavellen in der schweren, aufgewühlten See auf die Bucht von Sillon de Talbert zu.

      Hasard ließ Easton Terry signalisieren und erteilte ihm seine Befehle, und nun ging es los. Längst waren die „Hornet“ und die „Fidelity“, obgleich ihre Geschütze nach wie vor getarnt waren, klar zum Gefecht. Jetzt wurden auch die Anker gelichtet, damit die Schiffe im Falle eines Angriffs sofort beweglich waren – eine zeitraubende Tätigkeit, die bei einer überraschenden Attacke zum Verhängnis werden konnte.

      Hasard kletterte auf die Kampanje seines Schiffes und beobachtete den nahenden Verband durch sein Spektiv. Auch Ben Brighton, Big Old Shane und Old O’Flynn hatten sich aufs Achterdeck begeben und hielten durch ihre Rohre Ausschau nach Nordwesten.

      „Mein Kieker verrät mir so einiges“, sagte der alte O’Flynn, der von dem bevorstehenden Ereignis gefesselt war. „Wir haben da zwei ordentlich bestückte Galeonen und zwei wendige, flinke Karavellen. Ich weiß wirklich nicht, welche von den Kähnen uns gefährlicher werden könnten.“

      „Wenn wir sie reinlassen, sitzen wir in der Falle“, brummte Shane. „Bin mal gespannt, was Hasard jetzt vorhat. Bisher hat er’s uns ja nicht verraten wollen.“

      Der Seewolf hatte jedes Wort verstanden. Er ließ das Spektiv sinken, schob es zusammen und grinste.

      „Shane“, sagte er laut. „Hast du schon mal was vom verlorenen Lamm gehört, das seine Herde sucht?“

      „Ich? Wieso? Steht das in der Bibel? Ich lese doch keine Bücher!“

      „Nehmen wir mal an, der ‚Hornet‘ bricht die Ankertrosse“, sagte Hasard und sprang von der Kampanje zum Achterdeck hinunter. „Der Südwind drückt sie auf die offene See hinaus. Die Ankerwache pennt. Der Kapitän tobt, als er merkt, was los ist – und dann hat er seine Mühe, in die Bucht zurückzukehren, weil ihn der Wind und die Strömungen viel zu weit aufs Meer hinaustreiben.“

      „Und er ist so mit der Sache beschäftigt, daß er gar nicht bemerkt, wen er im Rücken hat“, fügte Ben grinsend hinzu. „Eine gute Idee.“

      „Ja“, sagte nun auch Shane und lachte. „Dann wollen wir mal, was?“

      Hasard ließ Easton Terry wieder Zeichen geben, Terry mußte mit der „Fidelity“ in der Bucht bleiben. Hasards Männer hingegen setzten die Segel, und dann glitt die „Hornet“ geisterhaft schnell durch die Ausfahrt aufs offene Meer hinaus.

      „Wir lassen die Kerle zappeln, bis sie dicht heran sind“, sagte Hasard. „Dann tun wir so, als hätten wir sie erst jetzt entdeckt, und geben ein Notsignal. Ben, sag Batuti Bescheid, er soll den Vormars entern.“

      „Aye, Sir.“ Ben wies mit dem Kopf zu den vier Schiffen, die jetzt mit bloßem Auge zu erkennen waren, wenn man sich ein wenig Mühe gab. „Was meinst du, ob die sich wirklich von uns leimen lassen?“

      „Das wird sich ja zeigen“, erwiderte der Seewolf grimmig. „Und dann wissen wir gleich, woran wir sind und können die Hunde richtig einschätzen.“ Er war wieder ganz der Alte, in seinen eisblauen Augen blitzte es verwegen und angriffslustig.

      10.

      Yves Grammont glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Die eine englische Galeone – es mußte nach Vangards Beschreibung die „Hornet“ sein – trieb plötzlich aus der Bucht hervor und legte sich quer zum Südwind vor die Einfahrt. Wütendes Gebrüll tönte zur „Louise“ und ihren Begleitschiffen herüber.

      Grammont wollte schon das Feuer eröffnen, weil er sich entdeckt glaubte, da meldete ihm Ferret, der den Großmars erstiegen hatte: „Sie haben Schwierigkeiten! Sie kämpfen mit der See und drohen zu kentern!“

      „Aber sie haben uns entdeckt!“ schrie Grammont mit verzerrtem Gesicht.

      „Nein! Noch nicht! Sie wenden uns alle den Rücken zu!“

      Hasard spielte seine Rolle gut, die „Hornet“ schlingerte wirklich so gewaltig in den Wogen, daß man den Eindruck haben mußte, sie würde jeden Moment querschlagen und ihre Mannschaft ins Wasser entladen. Gefährlich war das, Hasard riskierte nicht wenig, ein zu gewagtes Manöver, und es war tatsächlich um die „Hornet“ geschehen. Aber die Crew paßte auf und spielte bestens mit. Es gehörte zum Plan.

      „Hölle“, murmelte Yves Grammont. „Das wird doch wohl kein Trick sein? Aber was hat der Hund davon, wenn er uns vor der Bucht abfängt? Er ist uns auf jeden Fall unterlegen.“ Er warf einen Blick durchs Spektiv. Vangards Angaben schienen zu stimmen, die Galeone „Hornet“ war denkbar schlecht armiert. Und in der Bucht, soviel war mittlerweile durch die Einfahrt zu erkennen, schien auch nur ein einziges Schiff zu liegen, andere Masten erhoben sich nicht über die Felsen hinaus, man hätte sie sehen müssen.

      Grammont wägte kurz alle Möglichkeiten ab, dann beschloß er, weiterhin an seinem Plan festzuhalten und direkt auf die Engländer loszugehen. Daß es sich wirklich um Engländer handelte, stand unumstößlich fest. Munter flatterte der White Ensign, die weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz, im Besantopp der „Hornet“.

      Die „Louise“ ging dicht an die „Hornet“ heran, die „Petite Fleur“, die „Antoine“ und die „Coquille“ folgten ihr in Dwarslinie.

      Plötzlich begann Batuti im Vormars der „Hornet“ zu gestikulieren und Signalfahnen zu schwenken.

      „Ankertrosse gerissen!“ meldete Ferret. „Und jetzt haben sie auch noch Ärger mit dem Ruder! Das sind wirklich Pechvögel! Sie fragen, ob wir ihnen helfen können!“

      „Das können wir“, sagte Grammont mit höhnischem Grinsen. Dann ließ er die Stückpforten hochziehen und die Kanonen ausrennen. Grimmig blickten die Mündungen der schweren Siebzehnpfünder-Rohre zu beiden Schiffsseiten heraus, die Geschützführer standen klar bei Lunten.

      „Sie haben Angst zu sinken!“ rief Ferret.

      „Verdammt, was sind das nur für Holzköpfe“, sagte Grammont. Er rieb sich die Hände und wußte noch nicht, wie sehr er sich täuschte. Noch einmal stieg ihm ein leiser Zweifel auf, irgend etwas könne vielleicht doch nicht stimmen, aber er verdrängte ihn aus seinen Gedanken. Jetzt galt es zu handeln!

      Hasard warf noch einen letzten Blick durch das Spektiv und konnte


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