Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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wurden somit mehr und mehr ihrer Rolle gerecht. In der Tat hätte nur ein Verrückter bei diesem Wetter die Überfahrt nach England gewagt, nicht aber zwei vorsichtige, auf die Sicherheit ihrer Mannschaft, ihres Schiffes und ihrer Ladung bedachte Kapitäne, die im Auftrag von Handelsgesellschaften die Meere befuhren.

      In der Bucht war das Wasser zwar auch bewegt, doch das Schlingern und Stampfen der mittlerweile vor Anker liegenden Schiffe hielt sich in Grenzen. Hasard überprüfte die „Hornet“ auf etwaige Schäden oder Lecks, konnte aber nichts dergleichen finden. Bislang hatte die Galeone allen Erfordernissen entsprochen.

      Bald würde sich vielleicht zeigen, was sie als Kriegsschiff taugte.

      Auch die „Fidelity“ hatte bei der kurzen Fahrt durch den Kanal keinerlei Schaden genommen, Terry ließ eine entsprechende Nachricht zu Hasard hinübersignalisieren.

      Sowohl der Seewolf und seine Crew als auch Terry und dessen Mannschaft waren inzwischen ausreichend mit ihren Schiffen vertraut. „Hornet“ und „Fidelity“ – „Hornisse“ und „Treue“ schienen wirklich die passenden Namen für diese soliden und dennoch wendigen Segler zu sein, die mit allen Finessen der Schiffsbaukunst ausgerüstet worden waren.

      Sie waren beide erst zwei Jahre alt und etwa von der Qualität und Beschaffenheit wie die „Isabella VIII.“, die im Kanal der Pharaonen ihr unrühmliches Ende gefunden hatte.

      An den Siebzehnpfündern und Drehbassen ließ sich auch kein Makel entdecken, im Gegenteil, Al Conroy als der Waffenexperte der Seewölfe war begeistert von diesen Stücken.

      Während seines Rundganges warf Hasard auch einen Blick ins Vorschiff und fragte den Kutscher und Mac Pellew, die eben wieder die Feuer unter den Kesseln anheizten: „Habt ihr eine Ahnung, wo Ferris steckt?“

      „Aye, Sir“, antwortete der Kutscher. „Er sitzt nebenan und bastelt.“

      Hasard verließ die Kombüse und trat zu Ferris, der in einem Raum neben dem Logis mit leeren Flaschen und Schwarzpulver hantierte. Eben war er dabei, gehacktes Blei und Glas in eine Flasche zu füllen.

      Der Seewolf lachte. „Höllenflaschen? Ausgezeichnet, Ferris, die können wir vielleicht schon bald sehr gut gebrauchen.“

      „Das hab ich mir auch gedacht“, meinte der rothaarige Riese grinsend. „Man weiß ja nie, zu was die Dinger gut sind, oder?“

      Auch Dan O’Flynn, der mit Hasards Genehmigung den Vormars verlassen hatte, betätigte sich als Handwerker und fertigte aus der abgesägten Spitze einer Pike, an der er eifrig herumfeilte, eine haarnadelspitze Nahkampfwaffe an.

      So hatte jeder seine Beschäftigung und Aufgabe und vertrieb sich auf diese Weise die Wartezeit. Würde der Gegner sich zeigen, oder war Hasards Handeln sinnlos? War man überhaupt auf sie aufmerksam geworden? Die Küste ringsum, so schien es jedenfalls, war menschenleer und abweisend, niemand schien sich in ihrer Nähe aufzuhalten.

      Doch dieser Eindruck konnte gewaltig täuschen. Hasard ließ sich in dem Punkt nicht beirren, er hatte beim Ankern vor fremden Küsten schon die erstaunlichsten Überraschungen erlebt.

      Ein hochbeiniger Falbe lief mit flatternder Mähne durch die windgepeitschte Morgenluft, sein Reiter hielt sich dicht über seinen Hals gebeugt. Ein langgestrecktes, geducktes Gebäude aus Stein, das nur hundert Yards vom Ufer des Atlantiks entfernt nahe der Ortschaft Lannion stand, war sein Ziel. Ehe er dort eintraf, öffnete der Himmel seine Schleusen und ließ einen Regenguß auf ihn niederprasseln, der ihn bis auf die Haut durchnäßte.

      Der Mann trieb den Falben unter das weit überhängende Dach des Gemäuers, saß ab und band die Zügel fluchend an einem eisernen Ring fest. Er nieste zweimal heftig, dann betrat er das Haus durch die Bohlentür, die in ihren angerosteten Angeln quietschte.

      Sofort wurde er von einem kleinen, mageren Mann in Empfang genommen, der ihm ein Messer an die Gurgel hielt.

      „Keinen Schritt weiter, Freundchen“, zischte der Kleine. „Oder du bist ein toter Mann.“

      „Nur keine Aufregung, Ferret“, sagte der Reiter heiser. „Ich bin’s, Vangard. Erkennst du mich nicht?“

      Ferret ließ das Messer sinken. „Weißt du was? Du bist ein pfiffiges Kerlchen, Vangard, aber um ein Haar wärest du drangewesen. Hast du die Losung vergessen?“

      „Oh, tut mir leid. Herbstrose – das ist doch das richtige Wort, oder?“

      „Das solltest du wissen“, ertönte eine dunkle Stimme aus dem Halbdunkel des Raumes. „Eine solche Unachtsamkeit könnte dich bei nächster Gelegenheit das Leben kosten. Wieso platzt du hier so einfach herein?“

      Vangard, ein derber, untersetzter Mann mit grobem Gesicht, trat auf den klobigen Tisch in der Mitte des Raumes zu. Erst jetzt erblickte er die Gestalten, die sich darum versammelt hatten.

      „Ich bringe Neuigkeiten, Grammont“, erklärte er. „Neuigkeiten, die dich interessieren werden. Sonst hätte ich mich nicht durchregnen lassen, sondern wäre in meiner Hütte geblieben.“

      „Schürt das Feuer“, befahl Grammont seinen Männern. „Los, Vangard, setz dich zu uns, wir wollen dich bewirten, wie es sich gehört. Hast du Schiffe gesichtet?“

      „Ja.“ Vangard nahm zwischen zwei Männern Platz. Der eine trug drei Pistolen im Gurt, der andere hatte einen buschigen Schnauzbart. Sie hießen Jean Bauduc und Pierre Servan, soviel wußte Vangard, aber sonst war ihm nicht viel über diese beiden bekannt.

      Der Mann, der sich jetzt erhob und an den Kamin trat, um für Feuer zu sorgen, hieß Jules Arzot. Ein dicker Mensch mit einem mächtigen Bauch und einem wulstigen Hals, kugelrundem Kopf und hervorspringenden Augen. Eigentlich wirkte er eher wie eine Witzfigur, doch Vangard war sicher, daß man auch ihn nicht unterschätzen durfte.

      Yves Grammont jedoch, der Anführer dieser Bande von Galgenstricken, war mit Abstand die auffallendste Persönlichkeit von allen. Ein Pirat, wie man ihn sich vorstellte. Groß und wuchtig gebaut, vollbärtig, mit einer Augenbinde und einem Kopftuch, ein Kerl, der einen das Fürchten lehrte. Sein weißes Hemd stand weit offen, buschiges Brusthaar quoll daraus hervor. Er entblößte seine weißen Zähne und grinste Vangard an.

      „Nun?“ fragte er. „Willst du ein Glas Wein mit uns trinken?“

      „Gern“, erwiderte Vangard, dann hustete er. „Verfluchtes Wetter. Dort draußen holt man sich noch den Tod.“

      Grammont grinste breiter. „Wärme dich und sieh zu, daß du trocken wirst. Ich bin besorgt um dich, mein Freund, denn schließlich brauchen wir dich noch.“

      Arzot richtete sich von dem Kamin auf, die Flammen flackerten hoch auf und trieben Hitze in den Raum. Gespenstisch tanzte der rötliche Lichtschein über die Gesichter und Gestalten der um den Tisch versammelten Männer. Vangard trank den Wein, den Grammont ihm einschenkte. Er beobachtete die Männer über den Rand seines Bechers und dachte: Die möchte ich nicht zu Feinden haben.

      Yves Grammont hatte den Engländern vor knapp einem Jahr einen erbitterten Kleinkrieg zu liefern begonnen. Seitdem hatte er bestimmt mehr als zwanzig ihrer Schiffe versenkt und sicherlich auch viel erbeutet. Warum aber nur die Engländer? Vangard vermochte es nicht zu sagen. Was immer die näheren Beweggründe für Grammonts Zielsetzung waren, er hatte nie danach gefragt. Wer zuviel fragte, lebte gefährlich.

      Vangard war nur einer von den vielen Kundschaftern, die Grammont längs der Küste der Bretagne beschäftigte. Er bezahlte für Informationen sehr gut, aber er verlangte absolutes Stillschweigen. Wer diese Regel brach, mußte mit einer Bestrafung rechnen, oder, mit anderen Worten, er verschwand eines Tages und wurde nie mehr gesehen.

      Ein Mann wie Vangard hütete sich, Grammont in irgendeiner Weise zu hintergehen. Die Piraten an die Bourbonen verraten? Die Engländer warnen? Nein, für Vangard war das nichts. Er wollte leben und weiterhin mit seiner schäbigen Schaluppe zum Fischfang vor Sillon de Talbert auslaufen, wenn er davon auch mehr schlecht als recht lebte.

      Das, was Grammont ihm zahlte, genügte ihm, um sein Dasein ein wenig angenehmer zu gestalten. Außerdem genoß


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