Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


Скачать книгу
Rollenverteilung war trotzdem nicht schwer. Da die Mannschaft inzwischen auch noch um einige andere Männer gewachsen war, hätte der Kutscher allein die Kombüsenarbeit auch mit Hilfe der Zwillinge kaum bewältigen können. So war es gut, daß nun auch Mac Pellew mit ins Vordeck einzog. Überdies würde sich der Kutscher seiner zweiten Hauptaufgabe, der Feldscher-Tätigkeit, fortan mit größerem Einsatz widmen können.

      Hasard ging über das Hauptdeck der „Hornet“ und inspizierte alles mit fachmännischem Blick. Die Crew, die das Schiff von Brighton nach Plymouth überführt hatte, war bereits von Bord gegangen, aber sie hatte alles in mustergültig ordentlichem Zustand zurückgelassen. Blitzsauber waren die Planken, kein einziger Fußabdruck war zu sehen. Jedes Tau war klariert und vorbildlich aufgeschossen, nichts befand sich am falschen Platz.

      Hasard hob den Blick. Auch das laufende und stehende Gut wies keine Makel auf, das gesamte Rigg schien erneuert worden zu sein. Er begann sich zu fragen, ob er überhaupt noch eine neue „Isabella“ brauchte.

      Dann kehrte er auf den Boden der Tatsachen zurück. Natürlich – die „Hornet“ war nur ein „Leihschiff“. Nach erfülltem Auftrag würde sie wieder ein Dock anlaufen und wie die „Fidelity“ von den vom königlichen Hof bestellten Ausrüstern neu hergerichtet werden, möglicherweise als Kriegsschiff, vielleicht aber auch als Segler für Entdeckungsfahrten. Wer konnte das heute schon wissen?

      Die neue „Isabella IX.“ würde außerdem größer sein als die „Hornet“, etwa fünfhundert Tonnen groß. Ihre Takelung würde anders sein, die Anzahl der Segel umfangreicher, die Armierung aller Voraussicht nach fast doppelt so groß.

      Wenn das neue Schiff erst fertig war und auf der Werft von Hesekiel Ramsgate vom Stapel lief, würden all die bitteren Gedanken an die alte „Isabella VIII.“ endgültig der Vergangenheit angehören. Aber bis dahin war es noch eine relativ lange Zeit, die durch den Anflug von Ungeduld, den Hasard und seine Männer verspürten, nur noch zäher dahinfloß.

      So war es gut, Plymouth erst einmal wieder den Rücken kehren zu können.

      Doch was erwartete sie wirklich drüben in der Bretagne? Wie groß war die Macht der Gegner? Lord Gerald Cliveden hatte hierüber keine Auskunft geben können, denn die wenigen Überlebenden der Überfälle hatten keine präzisen Angaben liefern können. Nur darüber, daß es sich um „eine große Zahl“ von Feindschiffen gehandelt hatte, die pausenlos zu feuern vermochten, waren sie sich alle einig.

      Würde das Unternehmen wirklich von einem Erfolg gekrönt sein? Oder stand den Seewölfen eine neue Niederlage bevor? Plötzlich zweifelte Hasard an dem Gelingen seines Planes. Die Spur von Unsicherheit, die er aus Ägypten mit heimgebracht hatte, war wieder da.

      Ärgerlich verdrängte er alle düsteren Überlegungen, trat ans Schanzkleid der Backbordseite und blickte zu Easton Terry, der mit seiner Gruppe von zwanzig Männern auf dem Kai stehengeblieben war.

      „Was ist, Mister Terry?“ rief er ihm zu. „Kommen Sie nicht an Bord der ‚Hornet‘?“

      „Sie ist nicht mein Schiff, Sir. Ich kann nur Ihren diesbezüglichen Befehl abwarten.“

      „Gut. Ich will Reeves, Baxter und Sie in fünf Minuten zur Übergabe der genauen Order in meiner Kapitänskammer sehen. Wir haben noch einiges zu besprechen.“

      „Aye, Sir.“

      „In der Zwischenzeit kann sich Ihre Mannschaft mit der ‚Fidelity‘ beschäftigen. Jeder soll seinen Posten einnehmen, ich gebe Ihnen eine halbe Stunde Zeit. Dann kontrolliere ich, ob alles seine Richtigkeit hat. Noch Fragen, Mister Terry?“

      „Nein, Sir.“ Eine Bemerkung lag dem Mann auf der Zunge, aber er verkniff sie sich. Wie weit Hasards Befugnisse an Bord der „Fidelity“ gingen, war eine Frage, über die sich noch streiten ließ. Der Seewolf hatte zwar das Oberkommando inne, doch als Schiffskapitäne waren Terry und er sich gleichgestellt, was ihre Befugnisse auf der „Hornet“ und der „Fidelity“ betraf.

      Hasard hatte jedoch nicht das geringste Verlangen, mit Terry zu diskutieren. Von jetzt an ließ er seine Autorität spielen, und wenn Terry irgend etwas nicht paßte, so sollte er sofort abspringen und aussteigen. Diese Chance ließ er ihm. Solange sie Plymouth nicht verließen, standen dem Mann noch alle Möglichkeiten offen.

      Hasard warf seinen grinsenden und zustimmend nickenden Männern, die sich jetzt alle auf dem Hauptdeck der „Hornet“ versammelt hatten, einen kurzen Blick zu, dann suchte er das Achterkastell auf.

      Er war nicht sonderlich überrascht, Lord Gerald Cliveden in der Kapitänskammer vorzufinden. Eigentlich hatte er damit gerechnet.

      „Die Übergabe der Schiffe bedarf keiner Formalitäten mehr“, sagte Cliveden nach einer kurzen Begrüßung. „Alle erforderlichen Schriftstücke sind im Pult eingeschlossen, Mister Killigrew. Hier ist der Schlüssel.“ Er händigte ihn dem Seewolf aus, dann fuhr er fort: „Das Logbuch ist so neu wie die Takelage der ‚Hornet‘. Sie werden sich als erster Kapitän dieses neuen, umgebauten Schiffes darin verewigen. Es ist, als sei die ‚Hornet‘ gestern erst vom Stapel gelaufen. Das gleiche gilt auch für die ‚Fidelity‘. Sie sehen, wir haben mit dem erforderlichen Aufwand nicht gespart, um Ihnen zwei voll taugliche, allseitig einzusetzende Schiffe zu übergeben.“

      „Ich danke Ihnen, Lord Gerald. Mit allem, was ich bisher gesehen habe, kann ich nur zufrieden sein.“

      „Auch mit Terry?“

      „Das steht auf einem anderen Blatt“, entgegnete der Seewolf und sah sein Gegenüber offen an. „Ich will Ihnen nicht verheimlichen, daß ich meine Vorbehalte gegenüber diesem Mann habe.“

      Cliveden lächelte dünn. „Wie ich eben hören durfte, haben Sie sich aber bereits den erforderlichen Respekt verschafft.“

      „Allerdings. Ich hätte da noch eine Frage, Sir: Was ist mit den Mannschaften, die die Galeonen von Brighton bis hierher überführt haben?“

      „Das waren insgesamt zwei Dutzend Männer. Sie haben noch im Dunkeln die Schiffe und Plymouth verlassen und sind nach Dover und nach Brighton zurückgekehrt, woher sie stammen. Auf meine Anweisung hin haben sie dazu den Landweg benutzt.“

      „Das meine ich nicht. Diese Notbesatzungen – wissen sie etwas von dem geplanten Unternehmen?“

      „Nein. Sie denken, die ‚Hornet‘ und die ‚Fidelity‘ sollen eine Ladung übernehmen und in die Neue Welt hinüberbringen.“

      „Etwas Ähnliches habe ich auch dem blonden Burt erzählt, und er hat es mir unbesehen geglaubt“, erklärte Hasard. „Inzwischen ist auch er mit seinem Küstensegler ausgelaufen, wie ich angenommen hatte. Somit wäre die Geheimhaltung also gewahrt.“

      „Ja. Und für den Fall, daß sich in Plymouth spanische Spitzel befinden, wird auch alles ganz harmlos aussehen. Keiner wird ahnen, was es mit diesen beiden Schiffen wirklich auf sich hat.“

      „Sie nehmen wirklich an, daß die Spanier auch hier ihre Leute sitzen haben?“

      „Rechnen muß man damit. Es gibt überall Menschen, die sich kaufen lassen. Was ist zum Beispiel mit diesem Nathaniel Plymson?“

      Hasard mußte lachen. „Der hat vorläufig die Nase voll von uns. Wir haben ihm angedroht, daß wir nicht nur seine ‚Bloody Mary‘, sondern auch ihn auseinandernehmen, falls er auf irgendeine Weise versucht, uns zu hintergehen oder auch nur zu beobachten.“

      „Er hat Angst vor Ihnen und Ihren Männern?“

      „Gräßliche Angst.“

      „Ausgezeichnet. Wann können Sie auslaufen, Mister Killigrew?“

      „Sofort, wenn Sie wollen.“

      „Sagen wir, in einer Stunde? Wenn Sie nichts dagegen haben, bleibe ich noch an Bord der ‚Hornet‘. Heute nachmittag können Sie mich zwischen Plymouth und Falmouth an Land lassen, wo eine Kutsche auf mich wartet. So wird mich kein Mensch in Plymouth mehr sehen, und das ist gut so.“ Cliveden lächelte. „Aber Sie müssen damit einverstanden sein, denn Sie sind


Скачать книгу