Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
beobachtete den graubärtigen Riesen, wie dieser herumfuhr und zu dem Fenster aufblickte.
„Ho!“ rief Shane. „Wer da? Sir, bist du’s?“
„Ja. Ihr könnt die Suche aufgeben, ihr habt uns gefunden. Wer ist bei dir?“
„Wir haben mehrere Suchtrupps gebildet. Donegal, Blacky, Matt, Gary und Burt gehören zu meinem, die anderen haben sich auf den Rest des Hafenviertels verteilt.“
„Habe ich richtig gehört? Burt unterstützt euch?“
„Wir haben uns mit ihm und seiner Crew vertragen, schließlich ist es ja rausgekommen, daß Plymsons Wein gepanscht war. Burt hat sich bei uns entschuldigt, dann hat er Plymmie verprügelt.“
„Sehr gut. Irgendwie hatte ich auch den Eindruck, daß diese Küstenschiffer feine Kerle sind“, sagte Hasard und lachte.
Big Old Shane war etwas näher herangetreten und kniff die Augen zusammen. „Was, zum Teufel, treibst du in der baufälligen Bude da? Sind Ed, Ben und Dan bei dir?“
„Ja. Aber ich kann nicht alles herausbrüllen, kommt lieber rein.“
Shane nickte, dann winkte er Old O’Flynn, Blacky und den anderen zu, die gerade hinter der nächsten Ecke aufgetaucht waren. Burt hörte sich an, was der Schmied von Arwenack ihm mitteilte, dann eilte er davon, um die anderen zu benachrichtigen.
Mulligan war auf einen Wink Easton Terrys hin unterdessen in den Flur des alten Gebäudes getreten und öffnete die Eingangstür, um die Männer hereinzulassen.
„Mister Killigrew“, sagte Cliveden mit verhaltener Stimme. „Diese Männer von dem Küstensegler brauchen nicht zu erfahren, was in diesem Raum gesprochen worden ist. Ich selbst werde gehen, sobald Sie mich Ihren Männern vorgestellt haben.“
„Gut, wie Sie meinen. Für Burt und die anderen lasse ich mir irgend etwas einfallen. Im übrigen laufen die morgen früh bestimmt wieder aus, lange halten sie sich nicht in Plymouth auf, wie ich annehme.“
Diese Vermutung sollte sich als richtig erweisen. Die Wege der Seewölfe und der Crew des Blondbartes trennten sich kurz darauf wieder.
Big Old Shane betrat noch vor Old O’Flynn, der neugierig heranmarschierte und Blacky, Matt und Gary als Gefolge hinter sich hatte, das alte Haus. Er blieb stehen, sah Mulligan von oben bis unten an, und sagte: „Dich hab ich doch irgendwo schon mal gesehen?“
„Stimmt, du Rauschebart. Das war in der Gasse am Hafen und beim alten Plymson vor der Kneipentür.“
„Ach? Na schön, dann kann ich dich wohl auf meine Art begrüßen, was?“
„Das glaube ich nicht. Wir haben den Streit beigelegt“, entgegnete Mulligan grinsend.
„Das lasse ich gelten“, brummte Shane, dann grinste auch er und ging weiter, bis er bei Hasard und den anderen mitten in dem quadratischen Raum stand.
Wo sollte die Debatte über das, was vor ihnen lag, weitergeführt werden? Die „Bloody Mary“ mußte erst wieder aufgeklart werden, außerdem hatten bei Plymson selbst die Wände Ohren. Daher begaben sich die Seewölfe zurück an Bord der „Pride of Galway“, nachdem sie sich von Lord Gerald Cliveden, Terry und dessen Crew und der Burt-Mannschaft verabschiedet hatten. Sie versammelten sich bei Bier und Wein in der Kapitänskammer und beratschlagten.
Es wurde ein bißchen eng, sie mußten zusammenrücken und die Tür zur Heckgalerie öffnen, damit für die nötige Frischluftzufuhr gesorgt war.
Dann aber konnte es losgehen. Alle blickten den Seewolf an.
„Ist das wahr, was Ed eben gesagt hat?“ fragte Ferris Tucker. „Wir segeln nach Frankreich rüber? Da waren wir doch erst.“
„Egal“, sagte der alte O’Flynn. „Wir wollen ja nicht nach Brest, um deinen Kapitän Delamotte zu besuchen. Wir sollen wohl den Franzmännern mal anständig auf die Pfoten klopfen, wenn ich’s richtig verstanden habe.“
„Genau das“, sagte der Seewolf. „In der Bretagne muß ein Piratennest ausgenommen werden, außerdem sollen wir die spanischen Spione und Provokateure finden, die hinter den Raids dieser Bande stecken.“
Er ließ seine Worte wirken und sah die Männer der Reihe nach an. Leise Pfiffe wurden laut, man sah sich untereinander an, staunte und rätselte über die näheren Begleitumstände dieses Unternehmens herum. Philip und Hasard, die Zwillinge, wurden sehr aufgeregt und rutschten auf ihren Plätzen herum. Ihr Vater mußte ihnen erst einen tadelnden Blick zuwerfen, danach war die Ruhe wiederhergestellt, doch sie mußten sich bezwingen, nicht einen ganzen Schwall von Fragen über den Seewolf ergehen zu lassen.
Hasard schob die Unterlippe vor. Eine Wende kündigte sich an. Ein neues Schiff wartete auf ihn, und er hatte die richtige Crew, um es zu bemannen. Gleichzeitig hatte er auch ein handfestes Problem am Hals, das Easton Terry hieß. Daß es mit dem Mann noch jede Menge Schwierigkeiten geben würde, stand für ihn von vornherein fest. Ben, Dan und der Profos waren der gleichen Meinung. Big Old Shane hatte sich ihrem Urteil über Terry angeschlossen, und Old O’Flynn behauptete sogar, dieser Kerl habe den Teufel im Leib.
Aber wenn die Königin rief und England vor dem Zugriff der Dons geschützt werden mußte, durfte nicht lange gefackelt werden. Hier war eine Aufgabe, und vielleicht hatten sie alle schon seit langem darauf gewartet.
Erfolge hatte die jüngere Vergangenheit den Seewölfen kaum beschert. In Ägypten waren sie auf Ali Abdel Rasul, den größten aller Galgenstricke und Halsabschneider, hereingefallen und hatten die „Isabella VIII.“ für alle Zeiten verloren. Die Wüste hatte ihr Opfer gefordert. Hasard und seine Männer waren in drei Gruppen zu je acht Mann nach England zurückgekehrt – auf vielen Umwegen.
Hasards Gruppe mit den Zwillingen, Shane, Dan, Batuti, Gary, Matt und Arwenack hatte es nach Irland verschlagen, wo sie in Galway gegen den Burke-Clan und die Rebellen des Hinterlandes Connacht hatten kämpfen müssen. Gewiß, sie hatten dabei den Schatz der Spanier erbeutet und die „Pride of Galway“ als Prise genommen, doch um ein Haar wäre die ganze Sache ins Auge gegangen.
Endlich hatten sie sich nun in Plymouth wiedergefunden, und beim alten Hesekiel Ramsgate wurde die neue „Isabella IX.“ gebaut. Die Wartezeit aber war den Männern schon jetzt zu lang geworden, sie brauchten wieder ein Ziel, das sie ansteuern konnten.
Hasard räusperte sich, es trat wieder Ruhe ein.
„Spaniens Allerkatholischste Majestät schmiedet ein neues Komplott gegen England“, erklärte er. „Die Niederlage von 1588 läßt ihm keine Ruhe. Ich glaube jedes Wort, das Lord Gerald Cliveden gesagt hat. Ihr wißt ja, die Dons sind zu allem fähig.“
„Aber daß sie sich einer Bande hergelaufener Schnapphähne bedienen, um uns eins auszuwischen, ist schlicht gesagt eine Sauerei“, erklärte Dan O’Flynn empört. „So was hätten wir nicht nötig. Ich meine, es zeugt geradezu von ihrer Schwäche, wenn sie jetzt schon zu solchen primitiven Tricks greifen.“
„Frankreich soll ein Brückenkopf werden“, sagte der Seewolf. „In absehbarer Zeit vielleicht auch Irland – wer weiß. Ich kann mir gut vorstellen, was die Spanier sich so ausmalen. Aber wir werden ihnen die ganze Sache gründlich verderben, das versichere ich euch.“
„Wie?“ fragte Smoky.
„Das hat Terry auch schon wissen wollen. Wir stellen den Piraten, derer die spanischen Spione sich bedienen, ganz einfach eine Falle.“
„Und wenn das ins Auge geht?“ sagte Old O’Flynn.
„Es darf nicht mißlingen“, entgegnete der Seewolf. „Verstehst du, Donegal? Wir müssen von Anfang an so planen, daß uns kein Fehler unterläuft.“
„Das ist unmöglich!“
Hasard beugte sich etwas vor, seine Augen verengten sich leicht, seine Stimme nahm einen harten, eindringlichen Klang an. „Unmöglich darf nichts für uns sein, Donegal, und wir müssen unser Gesicht wahren, wie die Chinesen sagen.“
„Zur