Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
damit nicht gesagt!“ rief Old O’Flynn. Ben hatte seinen schwachen Punkt erwischt, er trat unwillig mit seinem Holzbein auf. „Es geht mir um ganz was anderes, will euch das nicht in den Kopf?“
„Natürlich“, erwiderte Hasard. „Die Sicherheit der Crew, nicht wahr? Das Risiko muß so gering wie möglich gehalten werden. Das ist auch mein höchstes Gebot, wie ihr alle wißt. Aber bedenkt bitte: Die Königin erwartet von uns, daß wir diesen bretonischen Haien und ihren spanischen Geldgebern gründlich das Handwerk legen. Wir haben etwas zu gewinnen, das mehr wert ist als Gold und Silber.“
„Ruhm und Ehre“, sagte Ben Brighton. „Das Ganze soll zu einem Bravourstück werden, und wir dürfen nicht zulassen, daß die Dons weiterhin unseren Seeverkehr stören.“
„Ja“, sagte der Seewolf. „Und jetzt laßt es mich ganz offen aussprechen: Wir brauchen nach dem Desaster am Nil so etwas wie eine Bestätigung dafür, daß wir noch die alten Arwenacks sind. Oder ist jemand anderer Meinung?“
„Ich ganz bestimmt nicht“, erwiderte Blacky. „Von mir aus kann’s sofort losgehen.“
Old O’Flynn grinste plötzlich diabolisch. „Von mir aus auch. Aber dürfen wir diesem Cliveden wirklich trauen?“
„Ihm ganz bestimmt. Seine Worte haben Hand und Fuß, alle Informationen sind hieb- und stichfest. Die Königin hat uns nicht nach London rufen lassen, sondern hat ihn geschickt, weil die Sache streng geheim ist“, sagte Hasard. „Nur war es ein Fehler, auch Terry mit dessen Crew einzuschalten, damit er uns hilfreich zur Seite steht. Wir müssen ein waches Auge auf ihn haben. Das Oberkommando obliegt zwar mir, aber ich befürchte, daß er irgendwie quertreiben wird.“
„Das soll er mal versuchen.“ Carberry hieb sich mit der linken Faust in die offene rechte Hand. „Dann kann er was erleben. Dann pflücke ich ihn in der Luft auseinander, diesen aufgeblasenen Strolch.“
„Langsam, langsam“, sagte Smoky beschwichtigend. „Es könnte ja auch sein, daß er sich noch zu seinem Vorteil ändert, Ed. Wir sollten nicht zu voreilig mit unserem Urteil sein.“
„In seiner Crew scheinen sich auch ein paar ganz anständige Burschen zu befinden“, meinte Blacky.
Dan pflichtete ihm bei: „Stimmt. Reeves, Mulligan und Hoback zum Beispiel. Das sind Kerle, die zu uns passen könnten.“
„Wir warten die Entwicklung der Dinge ab“, sagte der Seewolf. „Ihr werdet euch nun fragen, was aus der ‚Pride of Galway‘ wird, wenn wir morgen auslaufen. Nun, da der Schatz inzwischen gut versteckt ist, können wir den Kahn unbesorgt seinem weiteren Schicksal überlassen. Er bleibt hier ganz einfach vor Anker liegen. Sollte man ihn entführen, soll es mir egal sein. Wachen lasse ich jedenfalls nicht zurück.“
Die Zwillinge atmeten auf. Insgeheim hatten sie schon befürchtet, in Plymouth zurückbleiben zu müssen, um die Bordwache für die „Pride of Galway“ zu spielen.
Hasard holte eine Karte aus der Schublade seines Pultes hervor und rollte sie auseinander. Sie zeigte Cornwall und den ganzen Süden Englands, den Ärmelkanal, einen Teil der Normandie und die Bretagne. Philip junior mußte seinem Vater einen Kohlestift reichen, und mit diesem zeichnete der Seewolf die Positionen ein, die Lord Cliveden ihm genannt hatte.
„Hier haben die Überfälle auf englische Schiffe stattgefunden“, sagte er und richtete sich wieder auf. Sein Zeigefinger fuhr über die Karte und verharrte auf einem Punkt, der nicht sehr weit vom Golf von St. Malo entfernt lag. „Und hier werden die ‚Hornet‘ und die ‚Fidelity‘ spätestens übermorgen nacht in irgendeiner Bucht vor Anker gehen.“
Seine Männer sahen sich über die Karte hinweg an und grinsten. Mit wachsendem Interesse hörten sie seinen Erläuterungen zu. Sein einfacher Plan stand jetzt bereits fest.
6.
Am nächsten Morgen trafen sich die Seewölfe um Punkt zehn Uhr – wie in der Nacht vereinbart worden war – mit Easton Terry und dessen Leuten am Hafen, dann wanderten sie gemeinsam zu dem etwas abgelegenen Kai, wo jetzt zwei Galeonen vertäut lagen: die „Hornet“ und die „Fidelity“.
„Donnerwetter“, sagte Easton Terry mit ehrlicher Verwunderung. „Die sind ja wie ein Spuk erschienen. Gestern waren sie jedenfalls noch nicht da.“
„Heute nacht oder in den frühen Morgenstunden sind sie aus Brighton herübergesegelt“, sagte Hasard. „Und das eine muß man den Männern, die sie überholt und neu ausgerüstet haben, lassen: Sie verstehen ihr Handwerk. Das sind wirklich zwei feine Schiffe, an denen wir unsere Freude haben werden, Mister Terry.“
„Sie sehen eher wie harmlose Kauffahrer als wie gefährliche Feuerspucker aus“, meinte Terry. „Wo sind denn da überhaupt die Stückpforten? Zwanzig wollen Sie bei der ‚Hornet‘ gezählt haben, Mister Killigrew? Täuschen Sie sich da nicht?“
Der Seewolf verengte ein wenig die Augen und spähte im grellen Licht der Morgensonne zu den Schiffen, deren Masten und Rahen mit den aufgegeiten Segeln wie Skelette in den Himmel aufragten.
„Bei der ‚Hornet‘ sind es zehn Stückpforten auf jeder Seite“, erklärte er. „Und ich kann jetzt auch die Drehbassen erkennen – drei auf der Back und drei auf dem Achterdeck. Richtig, Ben?“
„Richtig, Sir“, sagte dieser. „Die ‚Fidelity‘ scheint mir genauso viele Geschütze zu haben.“
„Ja“, bestätigte nun auch Terry. „Nur sind die Pforten sehr schwer zu erkennen, sie scheinen eins mit der Bordwand zu sein. Fast sieht es so aus, als habe man sie getarnt.“
„Das nutzen wir aus“, erklärte Hasard. „Wie ich schon sagte: Wir werden diese bretonischen Satansbraten mit einem kleinen Trick anlocken und – wie ich hoffe – auch hereinlegen.“ Er schritt weiter und steuerte über den Kai direkt auf die „Hornet“ zu, seine Männer folgten ihm auf dem Fuß, während Terry und dessen Crew etwas zurückblieben.
„Diese allzu helle Sonne gefällt mir nicht“, sagte der alte O’Flynn. „Es gibt einen Wetterumschwung.“
„Das glaube ich auch“, pflichtete Shane ihm ausnahmsweise einmal bei. „Es könnte Sturm geben.“
„Uns soll das nur recht sein“, sagte Hasard. „Es würde unser Vorhaben dem Feind gegenüber begünstigen.“
„Ja, gewiß“, meinte Ben Brighton, „Die Hauptsache ist, wir saufen im Kanal nicht vorzeitig ab.“
„Mit solchen Schiffen?“ Carberry lachte rauh. „Das ist fast unmöglich. Es müßte schon ganz dick werden, um die zum Sinken zu bringen.“
„Man soll sich auf die Baukunst nie völlig verlassen“, gab der Kutscher zu bedenken. „Die ‚Hornet‘ und die ‚Fidelity‘ könnten Konstruktionsfehler haben. Man steckt ja in so einem Schiff nicht richtig drin, überall können verborgene Schwächen liegen, die man auf Anhieb nicht entdeckt.“
Der Profos drehte sich zu ihm um.
„Mal’ bloß nicht den Teufel ans Schott, Mister Kutscher“, sagte er drohend. „Im übrigen gebe ich dir den guten Rat, dich gleich um die Kunst der Schiffsküche zu kümmern. Sobald wir an Bord sind, wollen wir zu Mittag was Ordentliches vorgesetzt kriegen.“ Sein Blick richtete sich auf Mac Pellew. „He, Mister Pellew, was grinst du so dämlich?“
„Was darf’s denn heute sein, Sir?“ fragte dieser mit gespielter Freundlichkeit. „Gefüllte Rattenhälse oder Kakerlaken-Gulasch?“
„Mister Pellew“, sagte Carberry nur mühsam beherrscht. „Werd hier bloß nicht üppig. Ich kenne dich von früher her gut genug, mir kannst du nichts vorerzählen. Wenn du nur einmal Mist verzapfst, bevor wir auslaufen, stopf ich dich solange ins Kabelgatt, bis du fromme Sprüche aufsagst, klar?“
„Aye, Sir“, sagte Mac Pellew. „Werde mir Mühe geben, alles richtig hinzukriegen und nur schmackhafte Sachen zu kochen.“
„Das