Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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geben, und zwar die ‚Fidelity‘. Sie läuft morgen direkt aus Brighton kommend in den Hafen von Plymouth ein. Diese Galeone, die sich in ihrer Größe nur geringfügig von der ‚Hornet‘ unterscheidet, ist für Mister Terry und dessen Mannschaft bestimmt, während Sie mit der ‚Hornet‘ das Kommando übernehmen.“

      „So“, sagte Reeves. „Dann wäre die Rollenverteilung also geklärt.“

      „Und wir werden uns nicht gegenseitig auf die Füße treten“, bemerkte Easton Terry mit einem raschen Blick zu Hasard. „Jeder hat sein Schiff, es dürfte keine Probleme geben.“

      Die werden doch auftreten, dachte der Seewolf, aber er behielt dies lieber für sich. Ehe er weitere Bedenken äußerte, wollte er erst einmal hören, um welche Art von Auftrag es sich handelte.

      Ähnlich dachten Ben, Dan und der Profos, die mit gemischten Gefühlen dem lauschten, was Lord Gerald ihnen jetzt vortrug.

      „Hören Sie alle gut zu“, sagte Cliveden, nachdem er auch Terry und dessen Männer mit Wein bewirtet hatte. „Ich erkläre Ihnen jetzt alles. Mister Terry, Sie haben sich zwar vor Mister Killigrew mit mir getroffen, doch auch Sie sind über die Art des Unternehmens noch nicht unterrichtet. Was ich jetzt erkläre, ist also für Ihrer aller Ohren bestimmt. Ich bitte Sie, mir genau zuzuhören, denn ich habe nicht vor, mich zu wiederholen. Schon morgen früh verlasse ich Plymouth nach Möglichkeit wieder.“

      Und wir bleiben mit dieser Terry-Bande allein zurück, dachte der Profos der „Isabella“ grimmig, Hölle, das gibt noch Verdruß.

      Er hütete sich aber, dies laut zu sagen. Im übrigen drückte seine Miene auch genug von dem Mißfallen aus, das er hegte. Immer wieder warf er Terry argwöhnische Blicke zu, die diesem auch nicht entgingen. Ihre beiderseitige Animosität ließ sich nun mal nicht leugnen.

      „Ich muß etwas weiter ausholen, um die Hintergründe zu beleuchten“, begann Lord Gerald Cliveden. „Haben Sie deshalb Geduld, Gentlemen. Also: Um Englands alten Feind Spanien war es etwas still geworden, seit die glorreiche Armada geschlagen worden war, und es schien so, als habe Philipp II. endgültig jeden Gedanken an eine Invasion vergessen. Doch der Schein trügt. Immerhin liegt der Untergang der Armada nun schon wieder vier Jahre zurück, wie Sie ja selbst wissen.“

      Und ob die Seewölfe das wußten! Hasard und Ben tauschten einen Blick und grinsten. Sie hatten seinerzeit mitsamt der kompletten Crew an Bord der „Isabella VIII.“ an den Gefechten und schließlich auch an der Verfolgung der letzten spanischen Schiffe rund um die Insel herum teilgenommen. Erinnerungen an jene Zeit wurden jetzt wieder wach, und auch Carberry und Dan ging es da nicht anders. Gleichzeitig trauerten sie auch wieder ihrer „Old Lady Isabella“ nach, die sie ja nicht mehr besaßen.

      „Der spanische König hat Zeit genug gehabt, sich von diesem Mißerfolg zu erholen, und ist inzwischen nicht untätig gewesen“, fuhr Cliveden fort. „Sie werden mich fragen, welche Beweise wir für diese Tatsache haben. Nun, es gibt sie nicht, aber unsere Vermutungen in dieser Richtung werden sicher bald eine Bestätigung erfahren. Kurzum, die Spanier versuchen wieder einmal, in Frankreich Fuß zu fassen. Der Zeitpunkt ist günstig, denn nach Heinrichs III. Regime zeichnet sich bei unseren Nachbarn eine für uns unerfreuliche Wende ab, und die Spanier unterstützen nach Kräften Heinrich von Bourbon, der höchstwahrscheinlich als Heinrich IV. der nächste König von Frankreich wird. Mit einem botmäßigen Frankreich, so denkt der spanische Herrscher, könnte man vielleicht auch England in einem zweiten Anlauf unterwerfen und zum Vasallen erniedrigen.“

      Die Männer begannen erbost zu murmeln. Die Nachricht verlieh ihren patriotischen Gefühlen Aufschwung, plötzlich waren sie bereit, alles zu tun, was England vor einem neuen Angriff schützen würde. Genau dies hatte Cliveden durch seine Worte beabsichtigt, er lächelte.

      „Beruhigen Sie sich“, sagte er. „Noch ist es nicht soweit, wir sehen nur die ersten schwarzen Sturmwolken am Horizont. England soll geschwächt werden, die Spanier bereiten das Terrain sorgfältig vor. Neuerdings werden von Frankreich aus Kauffahrer und Kriegsschiffe unserer Nation angegriffen, meist bei Nacht und Nebel. Wir haben schon etliche Verluste hinnehmen müssen. Von wem die Überfälle ausgehen, haben wir trotz eifriger Nachforschungen bislang nicht in Erfahrung bringen können. Offenbar handelt es sich um reine Piratenzüge, aber trotzdem sind wir davon überzeugt, daß der Feind dahintersteckt.“

      „So soll also eine neue Invasion eingeleitet werden, bei der sich die Fehler von 1588 nicht wiederholen“, sagte der Seewolf nachdenklich.

      Cliveden blickte ihn an. „Sehr treffend haben Sie das ausgedrückt, Mister Killigrew. Während in Cadiz, Malaga und anderen wichtigen spanischen‘ Häfen neue Kriegsschiffe gebaut werden, soll unsere Flotte reduziert werden, wo man sie treffen kann. Das alles geschieht heimlich und unter dem Deckmantel der Piraterie. Die Kundschafter der Königin, die nach Frankreich entsandt wurden, vermuten folgendes: Spanische Spione finanzieren hinter den Kulissen eine Bande französischer Piraten, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo an der bretonischen Küste niedergelassen hat.“

      „Verdammt“, entfuhr es Ben Brighton. „Den Dons ist also wieder mal jedes Mittel recht, um uns Schaden zuzufügen.“

      „Ja. Daß dieses hinterhältige Treiben schleunigst unterbunden werden muß, steht natürlich fest. Wir müssen handeln, Gentlemen, und Sie wurden dazu auserwählt, im Namen der Königin entsprechende Nachforschungen anzustellen.“

      „Nur Nachforschungen?“ fragte Terry mit seinem unangenehmen Lächeln.

      „Nein. Als erstes sollen Sie die Piraten orten und ausschalten. Wie Sie das anstellen, ist Ihre Sache, Sie haben dabei volle Aktionsfreiheit – und natürlich genügend Kanonen und Munition.“

      „Die zweite Aufgabe wäre dann wohl, die spanischen Spione zu finden“, meinte Hasard. „Das dürfte der schwierigere Teil sein.“

      „Mister Killigrew“, sagte Terry. „Sind Sie sicher, daß wir überhaupt den ersten Teil des Unternehmens bewältigen?“

      „Sie vielleicht nicht? Wir zeichnen die Plätze, an denen die Überfälle auf englische Schiffe stattgefunden haben, auf einer Karte ein und legen danach unseren Plan fest.“

      „So weit, so gut. Aber was ist, wenn wir die Hunde überhaupt nicht vor die Rohre kriegen?“

      „Wir locken sie an“, entgegnete der Seewolf. „Dazu denken wir uns eine List aus. Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein – Mister Terry.“

      „Aye, Sir“, sagte Terry und grinste.

      „Wir sind uns also einig?“ fragte Cliveden. „Ihr einziges Problem, Mister Killigrew und Mister Terry, nämlich der Mangel an geeigneten Schiffen, haben wir bereits bewältigt. Gibt es sonst noch irgendwelche Widrigkeiten?“

      Eine ganze Menge, hätte Hasard am liebsten geantwortet, aber er unterließ auch das. Mit Easton Terry mußte er selber fertig werden, daran führte kein Weg vorbei. Cliveden schien den Mann völlig falsch einzuschätzen, oder aber er sagte sich, daß ein kaltschnäuziger Kerl wie dieser gerade der richtige Partner für den Seewolf bei einem solchen Unternehmen war. Was Terrys Kampfeigenschaften betraf, mochte er recht behalten, doch wie es um die Loyalität bestellt war, vermochte im voraus keiner zu sagen. In diesem einen Punkt hatte Hasard schon die haarsträubendsten Überraschungen erlebt.

      Jerry Reeves hatte während Clivedens Erläuterungen mehrfach aus dem einzigen Fenster des Raumes geblickt. Jetzt wandte er sich dem Seewolf zu und sagte: „Draußen schleichen ein paar Leute herum. Ich glaube, das sind Ihre Männer, Mister Killigrew. Sollten wir sie nicht davon unterrichten, daß wir hier sind?“

      „Ja, natürlich. Danke, Mister Reeves.“

      „Bitte. Gern geschehen.“

      Hasard trat an das vergitterte Fenster und blickte in die Dunkelheit hinaus, die jetzt nur noch von wenigen Nebelstreifen durchsetzt war. Dabei dachte er: Dieser Reeves scheint kein schlechter Kerl zu sein. Hoback und Mulligan sind wohl auch in Ordnung, aber die anderen?

      Über Baxter, Stoker und Bingham konnte er sich noch kein klares Bild formen,


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