Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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offensichtlich noch jetzt von dem Rotwein angetan, den er ihnen verkauft hatte. Das las er ihren Mienen ab.

      „Der Wein, den wir gestern abend mit aufs Schiff genommen haben“, sagte ihr Anführer, ein Mann mit dichtem blondem Bart und buschigen Augenbrauen, der wohl der Bootsmann war, zur Begrüßung, „der war wirklich beste Klasse. Ausgezeichnet, Plymson. Gib uns noch was von dem Zeug.“

      Plymsons Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse des Wohlwollens.

      „Aber gern doch“, sagte er ölig. „Sofort, Gentlemen.“ Schon trat er ans Faß und ließ den Krug vollaufen. Er hatte die Kerle mit gutem Wein geködert, jetzt aber würde er ihnen das gepanschte Zeug zu trinken geben und ihnen obendrein noch ein Fäßchen zu einem horrenden Preis verkaufen. Jetzt war er wieder in seinem Element, und er vergaß für kurze Zeit die Seewölfe, die immer noch über den Vorfall am Kai diskutierten.

      Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm.

      3.

      „Das ist wirklich ein dicker Hund“, sagte der Kutscher. „Hört denn das nie auf? Nicht mal in Plymouth ist man seines Lebens sicher. Wir hätten die ‚Pride of Galway‘ doch nicht ganz ohne Bewachung lassen sollen.“

      Der Seewolf sah seinen Koch und Feldscher an. „Jetzt, nachdem wir den Schatz der Spanier von Bord geschafft und versteckt haben, kann doch nicht mehr viel passieren. Sollen die Schnapphähne und Hurensöhne den Kahn ruhig klauen, mir ist es egal. Wir können auch an Land übernachten.“ Er grinste spitzbübisch. „Vielleicht sogar hier, in der ‚Bloody Mary‘.“

      „Mit anderen Worten – wir geben die ‚Pride‘ auf?“ fragte Gary Andrews überrascht.

      „Wer immer sie entwendet, wird damit sein blaues Wunder erleben“, erwiderte Hasard. „Ihr wißt doch, was uns bei der Überfahrt von Irland hierher passiert ist. Das Schiff ist so bekannt wie ein bunter Hund, und der erste englische Segler, der seinen Kurs kreuzt, schießt es garantiert zusammen.“

      „Aber was ist, wenn der Gegner sich an Bord schleicht und auf uns wartet?“ erkundigte sich Matt Davies. „Angenommen, wir kehren auf die ‚Pride‘ zurück und werden dort überfallen – wäre das nicht eine Schande für uns?“

      „Eine Schande wäre es, wenn wir den Unrat nicht rechtzeitig genug wittern würden“, widersprach der Seewolf. „Stimmt’s, Donegal?“

      „Ganz recht, Sir“, sagte der alte O’Flynn. „Aber wir riechen schon, was los ist, keine Angst. Ich hab das richtige Gespür für alles.“

      „Freunde“, sagte Carberry mit finsterer Miene. „Ich werde den Verdacht nicht los, verdammt noch mal. Nein, das will mir nicht aus dem Kopf.“

      „Was denn nicht, Ed?“ fragte Dan O’Flynn scheinheilig. „Sollte es sich wirklich mal um einen Geistesblitz handeln?“

      „Vorsicht, Mister O’Flynn“, sagte der Profos. „Du spielst mit dem Feuer. Ich hab das nicht so gern, daß du mich schief anredest.“

      „Das würde ich nie tun“, erklärte Dan gelassen.

      Carberry wollte aufbrausen und holte bereits tief Luft. Shane griff jedoch ein. Er blickte zu Dan und sagte: „Dan, halt mal für einen Augenblick die Futterluke. Ich glaube, Ed hat wirklich was Wichtiges vorzutragen.“

      „Vorzutragen ist der richtige Ausdruck“, brummte der Narbenmann. Er deutete zu Plymson, der gerade intensiv damit beschäftigt war, seinen zehn Thekengästen den gepanschten Wein anzudrehen. „Plymson steckt hinter dem ganzen Kram. Er hat Wind davon gekriegt, daß auf der ‚Pride‘ ein Schatz ist, oder aber er will die Baupläne der ‚Isabella‘ haben. Vielleicht denkt er auch, wir hätten mit der ‚Hornet‘ im Auftrag der Königin was Bedeutungsvolles vor, das er unbedingt herauskriegen muß. Oder er arbeitet für Bromley und Burton oder für den alten Killigrew, diesen Lausebart – egal, wie, er steckt mit in der Sache drin und hat uns wahrscheinlich diese sechs Halunken auf den Hals gehetzt.“ Er hielt inne. Es war eine lange Rede gewesen, und er mußte seine trockene Kehle unbedingt benetzen. Er trank seinen Humpen Bier in einem Zug aus.

      „Da ist was dran“, sagte nun auch Ferris Tucker. „Los, auf was warten wir? Fragen wir Plymmie doch direkt. Der muß es ausspucken, was er weiß, sonst gibt es Zunder.“

      „Augenblick“, sagte der Seewolf. „Noch ist nicht bewiesen, daß er etwas damit zu tun hat.“

      „Eben, er soll es uns ja verraten“, sagte der rothaarige Riese mit umwerfender Logik. „Aber ich wette, er hat seine schmutzigen Pfoten in der Schweinerei mit drin.“

      Smoky erhob sich. „Gehen wir zu ihm. Keine Sorge, Sir, wir fragen ihn ganz freundlich und ruhig. Nicht wahr, Ed?“

      „Das steht fest. Wir sind ganz harmlose Kirchgänger.“ Der Profos stand, nachdem er diese Worte gesprochen hatte, ebenfalls auf.

      Ferris, Batuti, Finnegan, Rogers und die beiden O’Flynns schlossen sich an, und so marschierten nun acht Männer auf die Theke zu, während Hasard und der Rest der Crew an den Tischen sitzenblieben und gespannt verfolgten, was weiter geschah.

      Auszuschließen war wirklich nicht, daß Plymson der Anstifter des heimtükkischen Überfalls war, dem die Seewölfe nur durch ihre Geistesgegenwart hatten begegnen können. Er war bekanntlich zu jeder Gemeinheit fähig, und vielleicht hatte er sich gedacht, daß dies einmal eine günstige Gelegenheit sei, um mit seinen Erzfeinden aufzuräumen oder ihnen zumindest einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen.

      Carberry stützte den Ellenbogen auf der Theke auf. Plymson schien auf seinem Platz zusammenschrumpfen zu wollen. Sein Gesicht nahm von einem Moment zum anderen die Farbe alten Talges an, und der Schweiß lief ihm in Strömen über die Stirn und die Wangen.

      „Kennst du einen Kerl namens Reeves?“ fragte Carberry mit honigsüßer Stimme.

      Plymson schüttelte den Kopf, so heftig, daß seine Perücke ins Rutschen geriet. Er war zu aufgeregt, um etwas sagen zu können. Er kannte wirklich keinen Reeves, und er hatte diesmal tatsächlich nichts mit dem Vorfall zu tun, doch es sollte ihm nicht gelingen, dies glaubhaft darzustellen. Wie hieß es doch? Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …

      „He, Nathaniel“, sagte der blondbärtige Bootsmann. „Was ficht dich denn an? Du bist ja ganz blaß. Und schwitzen tust du auch.“

      „Der weiß schon, warum er ein schlechtes Gewissen hat“, sagte der Profos mit etwas lauterer Stimme. „Hallo, Plymmie, wenn Reeves nicht zu deinen Freunden gehört, wie wäre es dann mit Hoback? Na? Ray Hoback. Sagt dir der Name was?“

      Wieder verneinte Plymson, und dieses Mal mußte er seine Perücke festhalten, sonst wäre sie ihm glatt vom Kopf gerutscht.

      „Er treibt’s auf die Spitze“, sagte Ferris Tucker. „Ich begreife einfach nicht, warum er so störrisch ist.“

      „Er ist wie ein Maultier“, bemerkte Dan. „Die bocken auch immer dann, wenn’s am wenigsten angebracht ist.“

      „Ganz schlechte Sache, Plymmie“, brummte Batuti und rollte dabei mit seinen großen Augen, daß das Weiße zu sehen war. Seine Hand schoß vor, Plymson zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb. Batuti packte aber den Stör und hielt ihn fest, dann grinste er. „Alles verschalken, hier. Manntaue spannen. Gleich geht großes Taifun los.“

      „B-bitte nicht“, stammelte Plymson. „Macht nichts kaputt. Laßt die Sachen heil.“

      „Er wiederholt sich“, meinte Smoky. „Das hängt mit dem zunehmenden Alter zusammen. Ich will sagen, man wird vergeßlich, versteht ihr?“

      „Ja“, sagte der alte O’Flynn ernst. „So geht’s mir manchmal auch, aber ich weiß trotzdem noch, wo meine Grenzen sind und so. Wenn’s um mein Leben geht, würde ich ganz schnell mit der Wahrheit rausrükken.“

      „Spuck’s aus, Plymmie“, sagte Carberry.

      „O Gott“, jammerte der


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