Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
wenigen Öllampen nicht anzukämpfen vermochten. Der rötlich-dämmrige Schimmer fiel auf die Platten der Tische und hölzernen Bänke und beleuchtete auch die Theke, hinter der Plymson einem fetten Frosch gleich mit unstetem Blick wartete.
Neu gekalkt war der Raum jetzt und auch sonst hatte sich einiges verändert, seit die letzte Schlägerei stattgefunden hatte. Aber der armlange Stör hing nach wie vor am alten Platz und hatte das Maul weit aufgerissen. Er war allerdings nicht mehr ganz so verstaubt wie sonst, wahrscheinlich hatte der Dicke ihn in einem Anfall von Reinlichkeitswut gesäubert. Als Dan O’Flynn als letzter die Tür hinter sich schloß, geriet das ausgestopfte Tier lebhaft in Bewegung. Es hatte den Anschein, als wolle es schleunigst davonschwimmen, um bevorstehendem Verdruß zu entfliehen.
Hasard begrüßte seine Männer mit einer Handbewegung. Ja, sie waren wirklich vollzählig versammelt: Blacky, Batuti, der Kutscher, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies, Al Conroy, Jeff Bowie, Sam Roskill, Bob Grey, Luke Morgan, Will Thorne, Stenmark, Bill, Paddy Rogers, Mac Pellew und die Zwillinge.
Arwenack, der Schimpanse, hockte auf einer Tischplatte und schoß immer wieder angriffslustige Blicke auf Plymson ab, der dies seinerseits mit Blicken quittierte, aus denen klar hervorging, daß er dem Affenvieh am liebsten gleich den Hals umgedreht hätte.
Sofort umringten alle den Seewolf und wollten von ihm wissen, was sich ereignet hätte. Philip und Hasard junior, die Zwillinge, schnitten besorgte Mienen, als sie sahen, in welch lädiertem Zustand sich ihr Vater und die sieben anderen befanden.
Beschwichtigend hob der Seewolf beide Hände. „Langsam, langsam, wir sind ja noch voll manövrierfähig.“
„Auch seetüchtig?“ wollte Mac Pellew wissen.
„Auch das. Setzt euch jetzt erst mal wieder hin. Laßt uns ein Bier trinken, wir haben alle tüchtig Durst, wie ich annehme.“
Diese Bemerkung wurde mit Beifall aufgenommen, und so nahmen die Männer Platz, und auch die beiden Jungen ließen sich bei Arwenack an dem einen Tisch nieder. Plymson mußte Bier einschenken und die Humpen herantragen.
Bei Hasard blieb er stehen und versuchte, ein Lächeln auf seine Züge zu zaubern, was ihm jedoch mißlang. Es wurde nur eine schiefe, freudlose Grimasse daraus.
„Mister Killigrew“, sagte er, „Sir, ich hätte da eine Bitte.“ Sein Blick huschte über die Gesichter der über zwei Dutzend Gäste, und auch dies war nicht dazu angetan, seine momentane Stimmung zu heben. Im Gegenteil, ihm war hundeelend zumute.
Der Seewolf lehnte sich zurück, bis sein Rücken die Wand berührte. Aufmerksam betrachtete er den dikken Mann.
„Nun mal nicht so förmlich, Plymmie“, sagte er. „Das ist doch sonst nicht deine Art. Wo drückt dich der Schuh?“
„Das wissen Sie ganz genau“, murmelte Plymson.
Hasard schüttelte den Kopf. „Nein, keine Ahnung. Wenn du auf deine Einrichtung anspielst – die bleibt natürlich heil. Wir haben dir in der letzten Zeit höchstens mal einen Stuhl umgeworfen, mehr aber auch nicht.“
„Aber das …“
„Das ist die volle Wahrheit“, fiel Ben dem Dicken ins Wort. „Du tust ja gerade so, als wären wir die schlimmsten Radaubrüder. Hör mal zu, Plymmie, wir könnten das leicht als Beleidigung auffassen, dabei hatten wir heute abend eigentlich vor, uns hübsch friedlich zu verhalten. Wir haben nämlich was zu besprechen, verstehst du?“
„Ja“, beeilte sich Plymson zu sagen. „Und selbstverständlich wollte ich euch nicht, äh – zu nahe treten. Will nichts gesagt haben.“
„Und deine Bitte?“ fragte der Seewolf.
Nathaniel Plymson verschlang seine Finger ineinander, er sah urkomisch aus. „Ich flehe euch an, schlagt mir nicht die Sachen kaputt. Es hat mich ein Heidengeld gekostet, die letzten Schäden wieder instand zu setzen, und keiner ersetzt mir hier was, wenn der Laden in die Brüche geht.“
„Jetzt fängt der Kerl schon wieder an“, sagte Blacky erbost und hieb mit der Faust auf den Tisch, daß die Humpen ins Wackeln gerieten.
Plymson zuckte unwillkürlich zusammen.
„Er will uns herausfordern!“ rief Matt Davies. Dabei hob er bedeutungsvoll seine scharfgeschliffene Eisenprothese. Jeff Bowie, der auch solch eine Hakenhand hatte, folgte mit bösem Grinsen diesem Beispiel.
„Plymson, mit dir stimmt heute abend was nicht“, sagte drohend Ed Carberry. „Ich seh’s dir an. Weiß der Henker, was du im Schilde führst, aber irgendwas ist hier faul, alter Freund. Richtig? Was? Wie?“
Plymson verschwand wieselflink hinter seiner Theke, es war erstaunlich, wie schnell er sich trotz seiner Körpermassen bewegen konnte. Nach allem Dafürhalten war es besser, wenn er nichts mehr sagte, es kam ja doch nichts dabei heraus.
Die Zwillinge hielten sich die Hand vor den Mund und prusteten, und auch die Männer konnten sich ihr Lachen kaum verkneifen. Mit Plymson hatten sie schon immer viel Spaß gehabt, so oder so. Es war gewissermaßen eine Tradition geworden, bei ihm einzukehren und für Krawall zu sorgen.
Besonders amüsant fanden Paddy Rogers, Jack Finnegan und Roger Brighton dieses Geplänkel, denn sie waren ja neu in der Crew. Mac Pellew rieb sich die Hände und grinste. Gewöhnlich trug er eine griesgrämige Miene zur Schau, aber seit Hasard ihn aus dem Kerker losgekauft hatte, konnte er sich über geringe Kleinigkeiten freuen wie ein Kind.
Der Profos sah immer noch derart aufgebracht zu Plymson hinüber, daß dieser sich wünschte, lieber zu zerschmelzen oder sich in einem der zahlreichen Löcher zu verkriechen, die seinen Untermietern, den Mäusen, als Türen dienten.
„Teufel auch“, brummte Carberry. „Ich werde den Verdacht nicht los, daß der Hund irgendwas gegen uns vorhat. Ob er vielleicht sogar die Bastarde geschickt hat, die uns die Birnen weichklopfen wollten? He, Shane, was hältst du davon?“
„Nicht viel“, erwiderte der ehemalige Schmied von Arwenack. „Er weiß doch, wie so was für ihn enden würde.“
„Der wird nie gescheit“, sagte Ferris Tucker und pflichtete somit den Worten Carberrys bei. „Er ist nur gerissen, aber nicht klug. Und für Geld würde er seinen eigenen Großvater umbringen, falls der noch lebte.“
„Übrigens“, sagte Smoky. „Was ist euch denn nun eigentlich zugestoßen? Spannt uns nicht so auf die Folter.“
Hasard nahm noch einen Schluck von seinem Bier, dann berichtete er. Die Männer steckten die Köpfe zusammen und debattierten über den Vorfall, es wurden die abenteuerlichsten Theorien über die Sache aufgestellt.
Plymson beobachtete die Seewölfe, rang wieder die Hände und fragte sich, warum er solch ein Esel war und die Kneipe für die Zeit, in der sie sich in Plymouth aufhielten, nicht geschlossen hatte. Früher oder später gab es nämlich doch wieder Ärger, das ahnte er nicht nur, das wußte er ganz genau.
Immer wenn diese Männer in der „Bloody Mary“ auftauchten, war der Teufel los. Sie hatten ihm schon oft genug versichert, sie würden sich so zahm wie Mönche benehmen, aber nie war davon etwas wahr gewesen. Vor seinem geistigen Auge liefen wieder deutlich die Szenen ab – da flogen Bänke, Stühle und Tische durch die Gewölbe, Männer segelten über den Boden, und der Profos wischte mit ihm selbst, mit Nathaniel Plymson, den Boden auf.
Einmal hatten diese Kerle ihn sogar mit portugiesischem Rotwein eingeschläfert, da hatte er so tief und fest geschlafen, daß nicht mal der grobe Johann, sein Gehilfe, ihn wieder hatte aufwecken können. Zu jeder Schandtat waren diese Seewölfe fähig. Was würden sie dieses Mal aushecken?
Plymson wurde immer nervöser, seine Finger fanden keine Ruhe. Für einen Augenblick gelangte er zu der Erkenntnis, daß es wohl doch besser gewesen wäre, wenn er ein redliches Dasein geführt hätte – dann hätten sie nie einen Pik auf ihn bekommen.
Aber die Dinge ließen sich nicht mehr ändern, und man mußte das Leben nehmen, wie es war. Seufzend blickte er zur Tür, die sich gerade in diesem Moment wieder öffnete,