Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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nicht mehr, verlaß dich drauf. Er gaukelt uns bloß was vor.“

      Plymson versuchte zurückzuweichen, doch Carberry packte blitzschnell zu und hielt ihn an seinem nicht mehr ganz weißen Hemd fest.

      „Hiergeblieben!“ Jetzt brüllte der Profos bereits, daß der Stör und die Lampen wackelten. „Was ist das für eine Sauerei, du Saftarsch? Hast du uns die Dreckskerle hinterhergescheucht, was, wie? Rede, du Speckmolch, oder ich ziehe dir die Haut in Streifen von deinem verwanzten …“

      Er konnte seinen Lieblingsspruch jedoch nicht zu Ende bringen, denn jetzt trat der blondbärtige Bootsmann auf ihn zu und versuchte, ihn von Plymson zu trennen. Auch die neun anderen Thekengäste nahmen feindselige Haltungen ein.

      „Nun mal langsam“, sagte der Blondbart mit ebenso lauter und unheilverkündender Stimme wie der Profos. „Was hat unser Freund Nathaniel euch getan? Was wollt ihr von ihm? Laßt ihn gefälligst in Ruhe. Er ist ein rechtschaffener Mann.“

      „Einer, der obendrein noch guten Wein ausschenkt, was?“ sagte Dan belustigt.

      Der Blondbart warf ihm einen raschen Seitenblick zu. „Ja. Wieso?“

      „Weil er euch bescheißen will“, erklärte Ferris Tucker seelenruhig. „Der Wein ist gepanscht. Morgen früh habt ihr alle eine dicke Rübe – wenn ihr Glück habt. Wenn ihr Pech habt, kotzt ihr euch die Seele aus dem Leib. Kapiert?“

      „Nein“, erwiderte Smoky anstelle des Blonden. „Es ist ihm noch keine Hecklaterne aufgegangen, aber das kommt vielleicht noch.“

      Dan deutete auf den Weinkrug. „Da ist mehr Asche und Ochsenblut drin als Wein. Ein ganz übles Zeug. Man muß aufpassen, aus welchem Faß Plymmie einem das Zeug einschenkt.“

      Vier von den zehn Küstenseglern stießen jetzt leise Pfiffe aus, ihre Mienen änderten sich, sie schienen zu begreifen. Aber der blondbärtige Bootsmann wollte nichts begreifen, er hielt Plymson immer noch für seinen Freund und Carberry für einen üblen Radaubruder.

      „Laß den Wirt los“, sagte er.

      „Einen Dreck werde ich tun“, sagte der Profos grob. „Kümmre dich um deinen eigenen Mist, die Sache geht dich nichts an.“

      „Ed“, sagte der Seewolf warnend, dann stand er auf, und mit ihm erhoben sich die anderen Arwenacks, doch es war bereits zu spät.

      „Erbarmen“, stöhnte Nathaniel Plymson zwar noch, doch auch das nutzte nichts mehr, der Taifun brach nun wirklich los, wie Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, eben prophezeit hatte.

      Der Blondbart schubste Carberry vom Plymson weg, und für einen Moment war der Narbenmann so verdutzt, daß er den Dicken tatsächlich losließ. Plymson tauchte weg und hielt seine Perücke mit beiden Händen fest, das war vorläufig das klügste, was er tun konnte.

      „Ha“, sagte Carberry jetzt.

      „Geht’s los?“ fragte Ferris Tucker.

      „Ja, es geht los“, entgegnete Smoky.

      Der Bootsmann von dem Küstensegler glaubte, mit Carberry leichtes Spiel zu haben und wollte ihm eine Lektion erteilen. Schon hob er seine Faust, grinste und rückte erneut dicht auf den Profos zu, dann aber wurde sein Vormarsch abrupt gebremst.

      Etwas hob ihn hoch und schleuderte ihn über die Theke. Er knallte gegen die Fässer, räumte mit seinem Körper ein Regal voller Flaschen und Humpen, Becher und Pints leer, landete ächzend neben Nathaniel Plymson und stellte erst jetzt fest, daß es sich bei der unheimlichen Kraft um Carberrys starke Arme gehandelt hatte.

      Die neun anderen Fahrensmänner brüllten vor Wut auf. Auch die vier, die schon geneigt gewesen waren, der Sache mit der Weinpanscherei Glauben zu schenken, leisteten ihrem Wortführer jetzt volle Unterstützung. Die ganze Meute stürmte auf den Profos los, dieser antwortete mit ein paar gesalzenen Ohrfeigen und Boxhieben auf die Attacke, dann griffen auch die anderen Arwenacks und der Seewolf mit ein – und im Nu war das wildeste Handgemenge entbrannt.

      „Ich hab’s ja gewußt“, stöhnte Plymson und wollte den blondbärtigen Bootsmann aufhalten, der inzwischen aus seiner kurzen Ohnmacht aufgewacht war und Anstalten traf, sich wieder aufzurappeln.

      Mit einem Fluch drehte der Mann sich zu ihm um.

      „Loslassen!“ fuhr er den Dicken an. „Was fällt dir ein, mich zu behindern?“

      „Haut meine schöne Kneipe nicht kaputt“, jammerte Plymson.

      Der Blonde beugte sich zu ihm hinunter. „Sag mal, ist der Wein nun gepanscht oder nicht?“

      „Er ist so rein wie eine Jungfrau“, beteuerte Plymson.

      „Das prüfen wir noch“, sagte der Blonde und stieß ihn weg.

      Sodann jumpte er über den Tresen und mischte sich unter die Kämpfenden. Aber wieder kriegte ihn der Profos zu fassen, und plötzlich stellte er zu seinem hellen Erstaunen fest, daß er auf dem Bauch lag und quer durch die „Bloody Mary“ schlitterte. Erst die widerspenstigen Beine eines Tisches beendeten seine Fahrt, er verfing sich darin und hatte seine liebe Mühe, sich wieder zu befreien.

      Die anderen droschen wie die Besessenen aufeinander ein. Die einen, weil sie nicht begreifen konnten, wie man so dreist für einen Plymson Partei ergreifen konnte, die anderen, weil sie es diesen „Bastarden“ und „Himmelhunden“ einmal kräftig zeigen wollten, und überhaupt, weil sie die erlittene Schmach nicht auf sich sitzenlassen wollten.

      Sie brüllten und fluchten, Stühle und Tische flogen, es polterte und krachte, und jedesmal, wenn etwas zu Bruch ging, verzog Nathaniel Plymson in seiner Deckung das Gesicht und kniff die Augen zu, als leide er unsagbare Schmerzen.

      Plötzlich flog die Kneipentür auf, und weitere acht Mann stürmten herein – der Nachschub der Küstensegler, wie sich gleich herausstellen sollte.

      Einer von ihnen, ein Kerl mit einer speckigen Mütze, sah den Blondbärtigen am Boden liegen und schrie: „Burt, was geht hier vor?“

      „Sie machen uns die Hölle heiß!“ rief Burt in völlig richtiger Einschätzung der Lage, dann sprang er endlich wieder auf. „Sie wollen uns vermöbeln!“

      Nun griffen auch die acht anderen mit in die Schlacht ein. Das Gleichgewicht zwischen beiden Parteien war fast hergestellt. Wild brandete der Kampf hin und her und wollte kein Ende nehmen. Arwenack, der Schimpanse, hatte seinen Sitzplatz auf dem Tisch verlassen und sprang zwischen den Beinen der wütenden Männer herum. Er wollte den einen schon packen und tüchtig in seine Wade beißen, aber im letzten Moment stellte er dann doch fest, daß er sich den falschen Mann ausgesucht hatte – es war Mac Pellew.

      „Hau ab, du Affe!“ brüllte Mac Pellew, und prompt zog sich Arwenack kekkernd in die eine Raumecke zurück.

      Sir John flatterte schimpfend über den Köpfen der Männer, geriet in die Nähe einer schwankenden Öllampe und versengte sich um ein Haar den linken Flügel. Er kreischte, wich aus und gesellte sich zu Arwenack, mit dem er im Gefecht ja immer dick Freund zu sein pflegte.

      Der Stör fiel auf die Theke, die Theke wackelte, und dann krachte auch eine der Lampen zu Boden. Beinah hätte die „Bloody Mary“ Feuer gefangen, doch der Kutscher hatte die Geistesgegenwart, die bereits um sich greifenden Flammen auszutreten.

      Es war jetzt noch etwas dunkler in dem Gewölbe, und die Gestalten der Männer hatten etwas Gespenstisches an sich. Plymson glaubte, der Tag des Jüngsten Gerichts sei angebrochen, und flehte den lieben Gott, den Teufel und sämtliche Schutzheiligen, die er kannte, abwechselnd um ihren Beistand an. Doch es tat sich nichts, das den Fortgang des Unheils aufhielt.

      Hasard, Carberry und Ferris Tukker waren im Eifer der Auseinandersetzung immer mehr in die Nähe der Tür geraten. Jetzt entledigte sich der Seewolf durch einen gezielten Faustschlag eines der beiden Gegner, die ihm am Hals hingen und ihn zu Boden reißen wollten. Der Kerl flog im hohen Bogen zur Tür hinaus, landete auf den Katzenköpfen und überschlug sich. Hasard wollte auch den anderen Kerl abwerfen, aber jetzt war Burt heran und


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