Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
noch wie ein wilder Kastenteufel. Er hatte das Tuch über sich mit dem Degen zerschlitzt, um sich befreien zu können. Über Bens Stirn lief Blut.
„Sie werden entern!“ brüllte er den Männern zu. „Jetzt zeigt’s den Bastarden, daß ihr zu kämpfen versteht!“
Sekunden später donnerte die Karavelle achtern in die Sambuke – ein Versehen des Rudergängers, der den Überblick verloren hatte und dafür von Sir John mit einem Faustschlag niedergestreckt wurde.
Karavelle und Sambuke waren ineinander verkeilt. Die Karavelle schwoite vom Zusammenprall herum und drehte das Heck nach Westen, vor sich im Steven die Sambuke, in deren Heckraum das Wasser gurgelte. Ihr Bug ragte bereits schräg aus dem Wasser.
Die Seewölfe, die der Anprall zu Boden gerissen hatte, rappelten sich auf, während Ben Brighton Pete Ballie und Old O’Flynn unter dem Segel hervorzerrte.
Das geschah alles binnen weniger Sekunden, und Ben Brighton begriff die Einzigartigkeit der Situation, als er sich umschaute und sah, wie die Kerle der Karavelle an Tauen nach unten hangelten, um die absaufende Sambuke zu entern.
Er drehte den Spieß um.
„Entert, Arwenacks!“ brüllte er, fegte einen Kerl, der ihm beim Abentern beinahe auf die Füße trat, mit einem Fausthieb außenbords, klemmte sich den Degen zwischen die Zähne und kletterte seinerseits zum Bug der Karavelle hoch.
Die Seewölfe folgten seinem Beispiel und brüllten dabei wie wilde Stiere.
Einzig Old O’Flynn blieb zurück und hieb mit seiner Krücke um sich. Er lehnte am Stumpf des achteren Mastes, ein wilder, alter Teufel, und lachte sich halbtot, wenn er einen der Kerle umgesenst hatte.
Zu dem Zeitpunkt befand sich Ben Brighton oben auf der Back der Karavelle bereits im Nahkampf mit Sir Johns Kerlen. Er hatte seinen Degen verloren, aber eine Spillspake gefunden. Mit der drehte er sich wirbelnd im Kreis, und die herandrängenden Kerle flogen weg wie die Puppen.
Noch mehr Seewölfe tauchten auf, und plötzlich war die Back wie leergefegt. Mit Fäusten und Belegnägeln griffen die Seewölfe an – Roger Brighton, Smoky, Pete Ballie, Sam Roskill, der alte Will Thorne, Al Conroy, Bob Grey. Sie waren wie entfesselt und röhrten ihr „Arwenack!“, daß die Kerle Sir Johns erzitterten.
Sir John tobte achtern herum wie ein Wilder. Das lief nicht so, wie er sich das gedacht hatte.
„Ihr sollt das Schiff entern, ihr feigen Hunde!“ brüllte er rasend vor Wut.
Das genau war der Moment, in dem noch einer auf dem Plan erschien – Hasard.
Ohne Rücksicht auf Verluste jagte er mit der „Pride of Galway“ in die Backbordseite der Karavelle und sprang vom Bug seines Schiffes gleich als erster hinüber auf die andere Kuhl. Federnd setzte er auf – und stand vor Simon Llewellyn. Er brauchte die Zeit eines Lidschlags, um zu begreifen, auf wessen Schiff er sich befand.
Neben ihm setzte Carberry auf, dann Big Old Shane – alle im ersten Moment verblüfft, als sie erkannten, wen sie da vor sich hatten.
Hasard schlug als erster wiederum zu, und Simon Llewellyn, der ihn wie ein Mondkalb angeglotzt hatte, flog hinter seinem Kopf her, rutschte unter einem Culverinenrohr an Steuerbord hindurch, riß ein Holzkohlebekken um und wurde von der herumfliegenden Glut angekokelt. Sein Gebrüll war nicht zu überhören.
Während Carberry den Bootsmann O’Leary auf die Hörner nahm, fegte Big Old Shane das Ferkel Thomas Lionel von den Planken. Er raste, mit dem Kopf voran, zwischen die Stufen des Niedergangs zur Back und blieb dazwischen hängen. Smoky jumpte von der Back nach unten und versohlte ihm mit Lust den Hintern.
Hasard stürmte in diesem Moment das Achterdeck der Karavelle, entging um Haaresbreite einer Pistolenkugel, die Sir John auf ihn abgefeuert hatte, und ging den Alten im Hechtsprung an. Sir John wurde von den Füßen gerissen. Hasard war schneller wieder hoch, schlug ihm die Pistole aus der Hand, und dann hagelte es Maulschellen, nachdem er Sir John maßgerecht hochgehievt hatte – links und rechts und rechts und links, Vorhand und Rückhand.
„Da – und da!“ stieß Hasard dem Alten ins Gesicht. „Es ist mir eine Ehre, Sir! Und hier – und noch eine! Sie werden bedient, wie es sich gehört – Maulschellen für Lumpen! Da! Da! und Heissa! Und hopp! Und noch eine …“
Sir Johns Kopf flog hin und her. Er fuchtelte mit den Armen, dann wollte er Hasard vors Schienbein treten, der wich aus und feuerte dem Alten ein Ding an die Ohren – wobei er gleichzeitig losließ –, daß Sir John wie ein Kreisel abging, gegen den Besanmast prallte und wegsackte.
Damit waren Sir Johns Illusionen zerplatzt wie Seifenblasen.
Und die Schlacht war aus, sie war schon aus gewesen, als sich Hasard den Alten vorgenommen hatte.
Die Kerle, einschließlich Sir Johns und seiner Ferkelsöhne, wurden ohne viel Federlesens in den Laderaum der „Pride of Galway“ verfrachtet. Wer das Maul aufriß, empfing noch einmal Dresche, da waren sie gar nicht zimperlich, die Seewölfe, denn sie hatten allen Grund, über den neusten Streich Sir Johns nicht gerade erbaut zu sein.
Dann gab es ein fürchterliches Geschrei am Bug der Karavelle, wo Old O’Flynn im Wasser herumzappelte, weil ihm die Sambuke unter den Stiefeln weggesackt war.
Ben Brighton enterte erschrocken an einer Jacobsleiter ab und hievte den zeternden Alten aus dem Wasser und nach oben. Old O’Flynn tobte nicht schlecht, daß man ihn vergessen hatte. Er stand triefend an Deck und brüllte ausgerechnet Carberry an, der überhaupt nicht wußte, was los war.
Als sich die beiden in die Haare geraten wollten, gab es noch eine Überraschung, denn Big Old Shane erschien aus dem Schott des Achterdecks und schleifte zwei Kerle hinter sich her wie abgeschossene Hasen. Den einen hatte er links am Schlafittchen, den anderen rechts.
Samuel Taylor Burton und Mark Bromley.
Er warf sie Hasard vor die Füße.
„Ein feines Trio“, knurrte er. „Der Alte hatte sie in einer Kammer eingesperrt, und sie behaupteten sofort, mit der ganzen Sache nichts zu tun zu haben. Da hab ich sie erst mal ein bißchen gestreichelt. Natürlich gehören die drei Halunken zusammen. Sie haben sich nur zerstritten, weil der Alte in Plymouth das verkehrte Schiff in die Luft gejagt hat. Soll ich diese Stinktiere über Bord werfen?“
Er sagte das nur so, der alte Shane, denn er blinkerte mit dem rechten Auge.
Und prompt brüllte der dicke Burton: „Ich gestehe alles!“
Sie landeten ebenfalls im Laderaum der „Pride of Galway“ – und dann mit dem alten Killigrew, seinen Söhnen und seiner Mannschaft in Plymouth im Gefängnis. Dorthin hatte sie Hasard mit der „Pride of Galway“ gebracht, während Ben Brighton die Karavelle nach Plymouth gesegelt hatte, wo sie vom Hafenkommandanten an die Kette gelegt worden war. Es würde einen dikken Prozeß geben, auch und gerade für John Killigrew. Das Maß seiner Untaten war so ziemlich voll.
Zwei Tage später nach diesen Ereignissen erschien ein Offizier auf der Werft des alten Ramsgate und wollte Sir Hasard sprechen.
Voller Erstaunen erfuhr Hasard, daß der Offizier im Auftrag der Königin aus London erschienen war. Bei Hofe sei bekannt, daß er sein Schiff verloren habe, aber bereits hier auf der Werft in Rame Head ein neues bauen lasse. Daher nehme Ihre Majestät an, daß Sir Hasard für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stehe.
Hasard bejahte das In diesem Falle so erklärte der Offizier, sei er berechtigt, Sir Hasard eine Galeone zu zeigen, die er für eine bestimmte Aufgabe übernehmen werde, da die Krone überzeugt sei, keinen besseren Mann als Kapitän zu finden, was sich aber auch auf seine Crew beziehe, von der Ihre Majestät in der größten Achtung spreche. Ihre Majestät habe ihm auch aufgetragen, einem gewissen Mister Carberry ihre herzlichsten Grüße zu übermitteln – ihm und der ganzen Crew.
Es passierte selten, daß der Profos verlegen wurde. Aber dieses Mal stand er da wie ein kleiner Junge, der in die Hosen gemacht hat.
Die Arwenacks brüllten vor Lachen.
Eine