Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
sein. Er würde an ihr Fühlung halten und warten, bis Hasard mit der „Pride of Galway“ folgte und aufschloß. Jetzt wollten sie es genau wissen. Irgendwohin mußte die Karavelle gehören, und da würde man sie nageln.
Big Old Shane und Ferris Tucker sowie Carberry würden auf der Galeone zurückbleiben und mit den entsprechenden Männern dafür sorgen, daß die „Pride of Galway“ seeklar war, so daß man sofort auslaufen konnte, sobald Hasard zurück war.
Ben Brighton nahm seine bewährte Crew auf die Sambuke mit hinüber. Sie kannten ihr Schiffchen, und diese Entscheidung war richtig. Also setzten Old O’Flynn, Pete Ballie, Al Conroy, Smoky, Sam Roskill, Bob Grey, Will Thorne und Roger Brighton, Bens Bruder, über, bepackt mit Handwaffen und Flaschenbomben, denn die Sambuke war sonst nicht armiert.
Eine Viertelstunde später hatten sie die Leinen gelöst, den Anker gehievt und verließen Rame Head mit Westkurs.
Das Krachen und Bersten auf der Werft des alten Ramsgate war Musik in den Ohren Sir Johns. Er war etwas angetrunken, genau wie Burton und Bromley, denn es war nicht bei der einen Whiskyflasche geblieben. Schließlich mußten sie ja die Höllenfahrt des Bastards und seiner Bande gebührend begießen. Diese drei Dunkelmänner hüpften also auf dem Achterdeck herum, als sie das Krachen und Bersten drüben auf der Werft hörten, nachdem die Steuerbordbreitseite abgefeuert worden war. Es war doch zu schön, irgend etwas zusammenschießen zu können, vor allem, wenn man selbst dabei nichts riskierte – der „Feind“ war ja bereits eliminiert, nicht wahr?
Sir John hatte angeordnet, daß die Karavelle nach der Breitseite wenden solle, um auch noch die Kanonen an Backbord zum Einsatz zu bringen, wenn schon, denn schon, immer feste drauf, das war Sir Johns Devise.
Aber daraus wurde nichts.
Kaum hatte es auf der Werft gescheppert, da stachen Feuerblitze drüben aus den Nebelschwaden, verbunden mit dem bösartigen Krachen abgefeuerter Kanonen. Um die Karavelle stiegen Wassersäulen hoch, eine nur etwa einen Yard mittschiffs von der Kuhl entfernt, so daß die Kerle dort mit einem ordentlichen Schwall Wasser überschüttet wurden. Ein Kohlebecken kippte um, und die Glut verlöschte zischend und qualmend.
„Wa-was …“ stotterte Sir John fassungslos und stierte zum Land.
Burton und Bromley standen wie Ölgötzen und sahen aus, als seien sie mit dem Kopf gegen eine Mauer gerannt.
Aber es kam noch schlimmer.
Plötzlich war die Sicht völlig klar und gab den Blick frei. Und dieser Blick erfaßte ein kleineres Schiff mit einem eleganten Rumpf und spitz hochgezogenem Steven sowie zwei Pfahlmasten und hinter ihm liegend eine Galeone, von deren Decks Pulverqualm hochwaberte und Musketenschüsse krachten.
Sir John quollen die Augen buchstäblich aus dem Kopf.
„Die – die ‚Pride of Galway‘“, stammelte er ächzend.
Er hatte kaum ausgesprochen, da blitzte es auf der Back der Galeone noch einmal auf, etwas jaulte auf die Karavelle zu und hieb mit einem häßlichsplitternden Laut in das Schanzkleid achtern auf der Steuerbordseite. Eine Kugel rollte über die Planken, zwischen den Beinen des dicken Burton hindurch und in den Wassergang auf der Backbordseite. Dort blieb sie rauchend liegen.
Burton stierte zwischen seine beiden Füße, als sei dort ein Kürbis mit Ohren durchgerollt, jedenfalls etwas, das es nicht gab und auch nie geben würde.
Natürlich hatte er im Unterbewußtsein Sekunden vorher ebenfalls die „Pride of Galway“ erkannt, genauso wie sein mieser Kumpan Mark Bromley. Aber sie faßten es noch nicht, sie begriffen es nicht. Der Whisky schwappte in ihren Gehirnen.
Sir John, Burton und Bromley glichen in diesen Sekunden totalen Idioten mit ihren zu merkwürdigen Grimassen verzerrten Visagen, stieren Augen und aufgerissenen Mündern.
Dann war es Sir John, der als erster losbrüllte, um seiner Wut freien Lauf zu lassen. Er warf den Kopf ins Genick und röhrte den Nachthimmel an wie ein Hirsch zur Brunftzeit.
Der dicke Burton und Bromley lösten sich aus ihrer Erstarrung und brüllten zur Gesellschaft mit.
Ja, da war es vorbei mit der Siegesfeier. Der Bastard und seine Höllenhunde lebten noch, und sie hatten auch gleich gezeigt, daß sie zuschnappen konnten, gefährlich zuschnappen, das gezackte, häßliche Loch im Schanzkleid und die rauchende Kugel im Wassergang an Backbord bewiesen es.
Nichts an dem Überfall auf der Galeone in der Mill Bay war genial gewesen, nie hätte die Kugel des Simon Llewellyn die Pulverkammer erreichen dürfen – der Überfall war ein gigantischer Fehlschlag, ein Fiasko sondergleichen, ein totaler Mißgriff. Die Folgen waren nicht abzusehen. Vorbei war es mit dem „immer feste drauf“ und den prahlenden Sprüchen über „die richtige Taktik“. Und „der beste Kanonier von ganz Cornwall“ war nichts weiter als ein schwadronierender Trottel, der ihnen die ganze Suppe eingebrockt hatte mit seinem dämlichen Schuß.
Aber natürlich lag die Schuld bei Burton und Bromley, die Sir John die falsche Galeone gezeigt hatten. Jawohl, sie waren die Schuldigen, ihnen war es zu verdanken, daß ein fremdes Schiff explodiert war.
Bei diesen letzten Erkenntnissen wirbelte Sir John herum, tückische Wut in den Augen, deren Weißes jetzt fast rötlich verfärbt war.
„Ihr blöden Hunde!“ brach es aus ihm heraus. „Ihr verdammten Stümper! Zu dämlich, um ein Schiff vom anderen zu unterscheiden! Ihr Kanaillen …“
„Ich verbitte mir Ihre vulgären Beschimpfungen!“ schnarrte der Ex-Hauptmann Bromley beleidigt. „Ich lasse mir meine Ehre von Ihnen nicht abschneiden …“
„Ich schneid Ihnen gleich ganz was anderes ab!“ brüllte Sir John dazwischen und hob drohend die Fäuste. „Und dann häng ich Sie an der Rah zum Trocknen auf!“ Plötzlich wechselte er die Stimmlage und zischte: „Sie und der andere Holzkopf haben mir diese Sache eingebrockt, aber ich werde schon dafür sorgen, daß es Ihnen an den Kragen geht, nicht mir. Jeder hier an Bord kann bezeugen, daß Sie mich irregeführt haben, bewußt irregeführt, jawohl! Jeder hier hat gehört, wie Sie mich auf ein Schiff hinwiesen, das gar nicht die ‚Pride of Galway‘ war.“ Sir John fuhr zur Kuhl herum. „Stimmt das, O’Leary?“
„Jawohl, das stimmt, Sir! Gott ist mein Zeuge!“
Sir John wandte sich wieder um und funkelte den Ex-Hauptmann an. „Wenn die Sache untersucht wird, sitzen Sie und Burton ganz schön in der Tinte.“
Das war nun alles ziemlich infam, was sich der alte Schurke da zusammenbastelte, um selbst eine reine Weste zu haben. Aber er schien den schlitzohrigen Burton vergessen zu haben, der einmal Friedensrichter gewesen war und schon von Berufs wegen gelernt hatte, Recht zu Unrecht und Unrecht zu Recht zu verdrehen, je nachdem, was einem selbst zu Nutz und Frommen diente.
„Wer ist denn der Kapitän dieser Karavelle, Sir?“ fragte er tückisch.
„Ich natürlich.“ Sir John klopfte sich auf die Brust.
„Ah! Und wer gab in der Mill Bay die Feuererlaubnis?“
„Ich natür …“ Sir John zuckte zusammen. Und dann schrie er: „Kommen Sie mir nicht mit solchen Roßtäuschermanieren, Burton! Nicht mit mir! Mich legen Sie nicht aufs Kreuz!“
Der dicke Burton grinste höhnisch. „Aber es ist so, mein lieber Killigrew. In ganz Cornwall ist bekannt, daß Sie der Kapitän dieser Karavelle sind. Und der Kapitän gibt die Befehle an Bord seines Schiffes, nicht die Gäste. Mister Bromley und ich haben nur zufällig hier auf dem Achterdeck gestanden, als Ihnen Ihr Mißgeschick passierte …“
„Sie haben mir das verkehrte Schiff gezeigt!“ brüllte der alte Grobian.
„Sie hätten ja nicht zu schießen brauchen“, erklärte Burton kühl. „Weder Mister Bromley noch ich haben Sie aufgefordert, über ein wildfremdes Schiff herzufallen. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß Ihnen die ‚Pride of Galway‘ ja auch bekannt war. Wenn also jemand in der Tinte sitzt, dann Sie, John Killigrew. Was mittels dieser Karavelle geschieht, haben weder Mister Bromley noch ich zu