Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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aus den Kerlchen werden soll, wenn du sie von allen solchen Unternehmungen zurückstellst und tatenlos an Bord herumhängen läßt?“

      „An Bord ist genug zu tun“, sagte Hasard bissig.

      „Ja, vor allem nach Mitternacht, nicht wahr?“ höhnte Dan O’Flynn. „Verdammt noch mal, laß deine Söhne erwachsen werden und sei froh, daß sie sich nicht hinter dem Ofen verkriechen. Gut, sie haben sich heimlich von Bord verholt, aber du weißt ja, warum. Laß doch einen von beiden jetzt an die Pinne! Die fiebern doch danach.“

      „Hab’s kapiert.“ Endlich konnte auch Vater Hasard lächeln. Ja, manchmal verrannte er sich, was seine beiden Söhne betraf. Und er war sich selbst gegenüber ehrlich genug, sich einzugestehen, daß er Angst um sie hatte. Ihnen sollte nichts passieren. Aber das barg die Gefahr, daß er sie von einer Sache fernhielt, die sie dennoch erfahren mußten, um klüger zu werden. Auch und gerade Gefahr mußten sie erkennen können, um entsprechend zu reagieren.

      „Wer will an die Pinne?“ fragte er.

      Natürlich wollten alle beide.

      „Hasard bis nach Plymouth, Philip dann zurück nach Rame Head“, entschied er. „Und wer Mist baut, dem zieh ich die Haut in Streifen – na ja.“ Er räusperte sich.

      Mit funkelnden Augen – so eisblau wie die des Vaters – übernahm Hasard junior die Pinne. Sie hatten einen kleinen Bootskompaß mitgenommen, und er fragte sofort: „Kurs Ost, Sir?“

      „Kurs Ost“, bestätigte Vater Hasard.

      Sie segelten mit einer kleinen Fock und einem trapezförmigen Sprietsegel, wie sie für diese kleinen Boote vorgesehen waren. Außerdem waren vier Rundseln für die Bootsgasten zum Pullen vorhanden, je zwei auf jeder Seite. Das Boot war flink und wendig. Jetzt, vor dem Wind aus Westen, liefen sie mit ausgebaumter Fock auf der Backbordseite und dem ausgefierten Sprietsegel auf der Steuerbordseite. Der Kurs führte an der Südküste der Halbinsel entlang. Hinter ihnen an der Westspitze lag Rame Head. Die Ostspitze der Halbinsel wurde von Penlee Point gebildet. Sie mußte gerundet werden, um Plymouth im Norden anzulaufen. Da der Strom nach Westen auch noch mitschob, rundeten sie Penlee Point bereits nach einer Viertelstunde.

      Jetzt lagen sie über Steuerbordbug bei vollem halbem Wind.

      „Nordnordost“, befahl Vater Hasard.

      „Aye, Sir, Nordnordost“, wiederholte Hasard junior wie ein alter Rudergänger und spähte auf den Kompaß, bis er den neuen Kurs eingesteuert hatte. „Kurs liegt an, Sir“, meldete er.

      Vater Hasard nickte, und die Männer grinsten sich eins, denn das Bürschchen war kräftig dabei, sich jetzt auch um den Trimm der beiden Segel zu kümmern. Mal mußte die Fock etwas dichter geholt werden, mal das Sprietsegel, oder umgekehrt.

      „Fock nicht zu dicht knallen, Mister Stenmark“, sagte das Bürschchen, „da ist ’ne Beule im Großsegel.“

      Oder: „Mister Pellew, bitte sehr, das Großsegel klappert. Etwas dichter die Schot – recht so, danke.“

      Sie saßen alle in Luv des Bootes, und auch da hatte das Bürschchen ab und an was auszusetzen und ließ sie auf den Duchten hin und her rutschen, um die Trimmlage des Bootes zu verbessern. Vater Hasard hatte keinerlei Beanstandungen. Das Bürschchen segelte konzentriert und aufmerksam.

      Der Seewolf fragte: „Wie ist das, Dan, kannst du voraus in Richtung Plymouth irgendwas entdecken?“

      Dan befand sich vorn im Bug jetzt, um rechtzeitig warnen zu können, falls vor ihnen unvermutet etwas aus dem Dunst auftauchte. Über die Schulter sagte er: „Ich meine, vorhin mal etwas Rötliches gesehen zu haben, vielleicht ein Feuer, bin mir aber nicht sicher. Die Sicht ist hundsgemein …“

      Er brach ab, denn irgendwo in der Suppe an Steuerbord von innen drang etwas an ihre Ohren, das sich wie ein Grölen anhörte.

      „Wo war das genau?“ fragte Hasard scharf.

      „Steuerbord voraus“, sagte Dan.

      „Neuer Kurs Norden“, befahl Hasard seinem Sohn. „Bitte anluven.“

      „Aye, aye, Sir, neuer Kurs Norden“, wiederholte Hasard junior und legte leicht Ruder.

      Die Schoten wurden etwas dichter genommen.

      „Kurs liegt an, Sir“, meldete das Bürschchen.

      Hasard nickte. „Und warum sind wir jetzt auf diesen Kurs gegangen, Söhnchen?“

      „Kann sein, daß uns da Steuerbord voraus was im Weg ist“, sagte Hasard junior. „Den woll’n wir ja nicht untermangeln, nicht?“

      „Richtig.“ Vater Hasard versteckte sein Grinsen. „Untermangeln“ hatte das Söhnchen gesagt. Bei diesem Bötchen würde das wohl eher umgekehrt sein.

      Noch einmal schallte das Grölen zu ihnen herüber. Jetzt schien es Steuerbord querab zu sein. Da segelte wohl auch einer herum, dem es mächtig viel Spaß bereitete, bei diesem verdammten Nebel unterwegs zu sein.

      Wenn Hasard geahnt hätte, wer dieser jemand war, wäre er spornstreichs zurück nach Rame Head gesegelt. Tatsächlich passierten sich die Karavelle Sir Johns und Hasards Boot auf einen Abstand von knapp vierhundert Yards, und wegen der Nebelschwaden sah keiner den anderen. Das war etwa eine Meile südlich von der St.-Nicholas-Insel.

      „Wieder auf Nordnordost gehen“, befahl Hasard.

      Das Bürschchen wiederholte den Befehl und steuerte den neuen Kurs ein.

      Zu Dan rief Hasard: „Paß auf St. Nicholas auf, Dan! Wir müßten die Insel bald an Steuerbord haben!“

      „Aye, Sir!“

      Und dann sahen sie es plötzlich alle – nämlich das Feuer Steuerbord voraus. Das war an der Mill Bay. Zehn Minuten später steuerte Hasard junior das Boot an eine freie Stelle am Kai der West Hoe Road.

      Die beiden Bürschchen blieben freiwillig im Boot, um es zu bewachen. Sie waren gewitzt genug, den Bogen nicht zu überspannen. Außerdem herrschte ein ziemliches Getümmel auf der Pier. Da war eine Kette gebildet worden, und man reichte sich von Hand zu Hand Eimer mit Wasser zu, um den Brand in einem Lagerschuppen zu löschen. Eine andere Kette von Menschen bekämpfte einen Brand in einem Haus der West Hoe Road. Da wurde gebrüllt, geschrien und durcheinandergelaufen.

      Ein Gendarm stürmte auf Hasard zu, der mit seinen Männern über die Pier ging. Sie hatten die Galeone zum Ziel – oder das, was von ihr noch übrig war, nämlich zwei Masten, die schiefgeneigt aus dem Wasser des Hafenbeckens ragten.

      Der Gendarm wollte losdonnern, daß sie hier nur im Wege wären, aber er schien Philip Hasard Killigrew zu kennen, denn er stoppte sich plötzlich und sagte: „Ah, Kapitän Killigrew, Sir, entschuldigen Sie, ich wollte Sie schon wegscheuchen.“ Er schwitzte fürchterlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn, „Sie können froh sein, daß Sie mit Ihren beiden Schiffen nach Rame Head verholt haben. Dort, wo Ihre Galeone vertäut war, hatte seit gestern nachmittag eine andere Galeone gelegen.“ Er deutete auf die schiefgeneigten Masten. „Das ist von ihr übriggeblieben – eine Handelsgaleone, ähnlich wie Ihre. Aus, vorbei, explodiert.“

      „Wieso?“ fragte Hasard irritiert. „Wie konnte die denn explodieren?“

      „Jemand hat eine Karavelle gesehen“, erwiderte der Gendarm. „Die ist hier in die Mill Bay gesegelt, hat eine volle Breitseite auf die Galeone abgegeben und ist wieder verschwunden. Ein Treffer muß die Pulverkammer erreicht haben. Die Galeone ist in die Luft geflogen.“

      „Tote?“

      Der Gendarm nickte. „Natürlich. Einige Leute der Besatzung sind allerdings in irgendwelchen Spelunken gewesen, als es passierte. Drei oder vier haben wir schwerverletzt aus dem Wasser geborgen. Drüben in dem Haus sind auch Menschen verletzt worden. Da ist der Großmast durchs Dach in die Schlafkammern gerast.“

      „Verdammt, verdammt“, murmelte Hasard und blickte Mac Pellew an. „Du hast wahrscheinlich recht, Mac. Die Kerle haben die Galeone,


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