Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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mit den Zähnen. „Ich hab dich nicht aufgefordert, deinen Rüssel so dicht über die Suppe zu halten. Wenn das jeder täte! Und auch noch hineinnieste!“

      „Man wird ja wohl mal an der Suppe riechen dürfen“, sagte Carberry tükkisch, „nachher ist was drin, wo’s einem den Magen umdreht.“

      „Wär ein Wunder, bei deinem Kuhmagen“, sagte der Kutscher spitz. „Aber bitte sehr, ich dränge niemandem meine Suppe auf. Smoky, Pete, möchtet ihr eine Muck?“

      „Klar“, sagte Smoky begeistert.

      „Und ob.“ Pete Ballie grinste. „Mit Nieseinlagen à la Carberry.“

      Der Kutscher kicherte in sich hinein und füllte zwei Mucks. Der Profos runzelte die Stirn.

      „Was hast du da eben gesagt, Mister Ballie?“ fragte er.

      „Das war was Französisches“, erwiderte Pete.

      „Sicher wieder irgendein Schweinkram“, brummte der Profos.

      „Genau“, sagte Pete, „ich sprach von einer Suppe mit Nieseinlage nach Art von Carberry.“

      Carberrys Miene wurde düster. Diese Rübenschweine schienen sich mal wieder auf seine Kosten amüsieren zu wollen – „nach Art von Carberry“, so ein Quatsch.

      Er holte schon Luft, um Pete Bally einen Marsch zu geigen, da rief Smoky: „Leute, hier gibt’s ein feines Süppchen, das ich nur empfehlen kann! Genau das Richtige als Morgenwächter und gegen kalte Füße!“

      Die Männer drängten heran, und das „feine Süppchen“ fand reißenden Absatz – ohne Carberry. Denn der Kessel war im Nu leer. Die Männer schlürften und zeigten Wohlbehagen. Da stand der Profos ganz schön dumm da.

      Es war Big Old Shane, der ihn anstieß.

      „He, Ed“, sagte er, „magst du keine Suppe?“

      „Heute nicht“, brummte Carberry.

      „Er hat heute seinen empfindlichen Magen“, erklärte Smoky und kaute behaglich ein Stück Hühnerfleisch, mit dem die Suppe üppig angereichert war. „Weil er nämlich hineingeniest hat – wegen seiner empfindlichen Nase.“

      Big Old Shane ließ seine Muck sinken. „Hineingeniest?“ Sein Blick wechselte von Smoky zu Ed Carberry, der voller Andacht seine rechte Faust betrachtete. „Stimmt das, Ed?“

      Der Profos hob den Blick. „Stimmt. Da war Pfeffer in der Suppe.“

      „Und da niest du hinein?“

      „Ja.“ Carberry grinste. „Wenn die Suppe gut war, dann hat sie das der Nieseinlage lala Carberry zu verdanken.“

      „Nicht lala, sondern à la“, verbesserte Pete Ballie.

      „Mir doch egal“, sagte Carberry. Er blickte sich suchend um.

      „Kann mir mal einer verraten, wo unsere beiden Bürschchen stecken, die sonst immer die ersten an der Futterkrippe sind?“

      Die Männer schauten sich auch um. Ja, das war doch sehr verwunderlich.

      Old O’Flynn räusperte sich. „Die sind im Boot bei ihrem Vater.“

      Carberry schob den massigen Schädel vor. „Wieso das denn? Die waren doch gar nicht eingeteilt?“

      „Na und?“ Old O’Flynn trank seine Muck aus und wischte sich genüßlich über die Lippen.

      „Da hört sich doch alles auf!“ empörte sich Carberry.

      „So? Und warum?“

      „Wie sind die denn ins Boot gekommen? Das hat doch keiner gesehen.“

      „Doch, ich“, sagte Old O’Flynn, „sonst wüßte ich es ja nicht, mein guter Ed.“

      „Also sind sie heimlich abgeentert?“

      Old O’Flynn grinste. „Du hast es erkannt. Ei, ei! Was bist du doch für ein Schlauer!“

      „Das ist gegen die Borddisziplin!“ brüllte Carberry. „Und du hast dabei mitgemischt, Mister O’Flynn …“

      Ben Brighton, der bisher auf dem Achterdeck hin und her marschiert war, erschien an der Querbalustrade und sagte ruhig: „Nicht so laut, Ed. Wenn Old Donegal sie nicht zurückgehalten hat, wird er seine Gründe gehabt haben.“ Er schaute zu Old O’Flynn. „Ist es so?“

      Der Alte nickte. „Richtig. Hasard pflegt sie meist zurückzustellen, wenn er zu Unternehmungen außerhalb des Schiffes aufbricht. Sie melden sich freiwillig, werden von ihm aber nicht berücksichtigt. Das halte ich für falsch. Also muß Hasard mal begreifen lernen, daß er nicht richtig handelt. Darum habe ich sie nicht zurückgehalten, als sie heimlich abenterten.“ Er blickte zu Carberry hinüber mit seinen hellen, immer noch scharfen Augen. „Was heißt hier Borddisziplin, Mister Carberry? Vielleicht darf ich dich daran erinnern, daß ich der Großvater der beiden Jungen bin. Als solcher fühle ich mich berechtigt, sie mitzuerziehen. Dazu gehört, den Tätigkeitsdrang der beiden Bürschchen nicht verkümmern zu lassen, sondern zu fördern. In einem solchen Fall darf ich alter Mann ja wohl mal gegen die Borddisziplin verstoßen, nicht wahr?“

      „Verdammt, und wenn ihnen was dabei passiert?“

      Old O’Flynn lächelte. „Vater Hasard ist ja dabei. Hast du das vergessen? Und Onkelchen Dan ebenfalls. Und Stenmark, Blacky und der alte Mac.“

      „Na ja“, sagte der grimmige Profos ein bißchen lahm. „So kann man’s natürlich auch sehen. Aber wenn ihnen was passiert, würde ich meines Lebens nicht mehr froh werden …“

      Er rechnete wohl mit einem langen Leben, der Profos, dabei war genau in diesem Moment sein Leben keinen Pfifferling wert, denn da blitzte es in den Nebelschwaden auf der See plötzlich auf, und sechs Eisenkugeln orgelten heran.

      Und eine raste über Carberry weg, der bei seinem letzten Wort den Kopf eingezogen hatte. Da waren gerade die Blitze in den Nebelschwaden aufgezuckt, was er bemerkt hatte. Ein sengender Hauch strich über seine Haare.

      Sekunden später lagen sie alle platt auf dem Bauch, auch der Profos.

      In den Donner der Abschüsse mischte sich das Krachen der Einschläge, aber nicht auf der Galeone, sondern hinter ihnen auf der Werft. Da flogen Bauhölzer davon, ein aufgepallter Kahn legte sich ächzend auf die Seite, das alte Kontor von Hesekiel Ramsgate brach auseinander wie eine morsche Kiste.

      Mit einem Satz war Carberry wieder hoch, schnappte sich eine Lunte, hielt sie in die Glut eines der Holzkohlebecken, sprang zu einer Culverine auf der Backbordseite und zündete sie. Da war es völlig egal, ob er ein Ziel hatte. Hauptsache, die Kerle da auf der See merkten, das es „rauchte“.

      Und gleich ihm handelten die anderen Männer. Innerhalb der nächsten Sekunden zündeten sie Drehbassen und die weiteren Culverinen. Und die Musketen krachten.

      Da riß für einen Moment der Nebel auf, und sie sahen eine Karavelle, die nach Westen segelte.

      Noch eine Drehbasse war nicht abgefeuert. An der stand Al Conroy, der Stückmeister der alten „Isabella“. Er duckte sich, visierte das Ziel an und zündete, Die Kugel jaulte davon und hieb berstend achtern in das Steuerbordschanzkleid der Karavelle. Wutgebrüll dröhnte herüber. Dann schob sich eine Nebelbank vor das flüchtende Schiff.

      „Scheiße!“ tobte Carberry los und hämmerte die Faust auf die Culverine, die er abgefeuert hatte. „Diese Hunde, diese Mist …“

      „Ruhe!“ schnitt Ben Brightons Stimme dazwischen. „Ist jemand verletzt?“

      Nein, niemanden hatte es erwischt. Nur Carberry Haare waren angesengt und auf diese Weise etwas kürzer geworden. Die Kugel hatte ihm einen sehr breiten Scheitel gezogen. Smoky, der es zuerst sah, verbiß sich das Lachen. Der Profos sah noch fürchterlicher aus als sonst. Aber da war keine Zeit, den Profos zu bestaunen und seine neue Frisur zu bewitzeln – wie man es tut, wenn einen der Tod im wahrsten Sinne des Wortes um Haaresbreite


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