Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
ihr Krieg spielen?“
Alle an Bord der Karavelle zuckten zusammen.
„Feuererlaubnis!“ schrie Sir John mit überschlagender Stimme. „Gebt’s dem Hundesohn!“
Nur Sekunden verstrichen, bange Sekunden, die wie Ewigkeiten erschienen. War das Pulver zu feucht geworden?
Nein!
Berstende Detonationen erschütterten die sich aufbäumende Karavelle, orangefarbene Flammen blühten für die Länge eines Lidschlags an den Rohrmündungen auf wie Blumen, die eine glühende Sonne ins Leben gerissen und auch schon wieder verdorrt hat. Ein Rauschen erfüllte die Luft. Pulverqualm waberte über die Kuhl.
Dann schlugen die Kugeln krachend in die Bordwand der Galeone – fünfmal.
Fünfmal?
Sir John fuhr herum und stierte zur Kuhl hinunter. Ein röhrender Wutschrei brach aus ihm hervor wie der Feuerstoß aus einem brodelnden Vulkan.
Simon Llewellyn hatte seine Culverine noch nicht abgefeuert, dieser Vollidiot, dieser hirnrissige Schafskopf, dieser …
Jetzt senkte er die Lunte, wartete – und sprang zur Seite. Die Culverine brüllte auf, ruckte in den Brooktauen zurück, vor einer Flammenzunge raste die Kugel hinüber zu der Galeone.
Gerade hatte O’Leary dem Ferkelsohn mit dem Stiefel in den Hintern treten wollen, aber noch gestoppt, als Simon Llewellyn die Lunte auf das Zündloch senkte. Der Stiefel des Bootsmanns hing noch in der Luft, als es passierte.
Die Kugel aus der sechsten Culverine nahm einen seltsamen Weg: sie durchfetzte eine angebrochene Planke zwischen zwei anderen Treffern in der Bordwand und raste in den Bauch der Galeone, und zwar in die Pulverkammer.
Bruchteile von Sekunden später schoß eine riesige Stichflamme in den Nachthimmel – im Kern von weißglühender Farbe, an den Rändern orange bis dunkelrot. Die Galeone barst auseinander wie ein unter Überdruck stehender Wasserkessel. Da zerrissen Wanten und Stagen wie die Fäden eines Spinnennetzes, die Decks über der Pulverkammer existierten nicht mehr, der Großmast, irgendwo zerbrosten, flog wirbelnd in den Himmel, senkte sich wieder und bohrte sich mit Teilen seiner Rahen wie eine Lanze in das Dach eines Bürgerhauses.
Die Galeone, die sich mit dem Vorschiff und dem Achterschiff wie ein Kartenhaus aufgestellt hatte – die Explosion hatte ihr das Kreuz gebrochen, nämlich den Kiel –, knickte wieder zusammen, und die beiden Schiffsteile krümmten sich nach innen. Bug und Heck ragten nach oben, ihre Decks schief nach unten und tief ins Wasser, das gurgelnd und schäumend in die Räume eindrang, deren Schotten zersplittert oder geborsten waren.
Die Hölle war los.
Simon Llewellyn, der Meisterkanonier, tanzte johlend und grölend auf der Kuhl herum. Thomas Lionel gesellte sich zu ihm und tobte mit. Ha! Was waren sie doch für Kerle! Fünf andere Kanoniere schossen auf die Galeone – mit müden Treffern. Aber Simon Llewellyn wartete kühl auf seine Chance – rumms! Und Volltreffer!
Der Alte war so verblüfft, daß er fast vergessen hätte, den Befehl zum Wenden zu geben. Die Karavelle segelte auf die Mill Bay Road zu, als würde sie wie magisch von Plymsons „Bloody Mary“ angezogen, um dort an der Theke vor Anker zu gehen.
Außerdem hagelte es jetzt Holztrümmer vom Himmel, und die Kerls hielten schützend die Arme über die Köpfe, Sir John natürlich auch, und es war der Rudergänger, der die Mill Bay Road auf die Karavelle zurükken sah.
Er brüllte: „Wir müssen wenden, Sir!“
Da ermannte sich der Alte und donnerte sein „Klar zum Wenden!“ über die Kuhl.
Der Rudergänger luvte an, und der Bug der Karavelle drehte nach Backbord. Das Großsegel begann zu flappen und zu killen, die lange Gaffelrute wurde geschirtet, dann lag die Karavelle auf dem neuen Bug und segelte durch die Mill Bay zurück zur Ausfahrt. Nur knapp zehn Yards war ihr Heck bei der Wende von der Pier der Mill Bay Road entfernt gewesen.
Die Culverinen auf der Backbordseite brauchten nicht mehr zum Einsatz gebracht zu werden. Der eine Schuß des Simon Llewellyn hatte genügt, die Galeone in die Luft zu blasen. Der Schuppen, vor dem sie an der Pier gelegen hatte, brannte lichterloh. Die Flammen warfen zuckende Lichter über die schaurige Szenerie.
Auf den benachbarten Schiffen an der Pier stürzten Männer an Deck, fluchten, brüllten und schüttelten drohend die Fäuste hinter der Karavelle her. Verletzte schrien im Wasser um Hilfe. Irgendwo begann eine Sturmglocke zu läuten.
Da hatte der ungeheure Luftdruck der Explosion bei den Häusern der West Hoe Road, die parallel zur Ost-Pier verlief, Türen und Fensterläden eingedrückt sowie Scheiben zerplatzen lassen. Die Anwohner stürmten auf die Straße, halb angezogen und in Panik, weil sie dachten, die Welt ginge unter. Kinder weinten, Frauen kreischten, Männer brüllten.
Zu allem Überfluß lösten sich Dachplatten aus Schiefer von dem Haus, aus dem der Großmast wie eine riesige Flaggenstange in den Himmel ragte. Die Platten zerplatzten auf den Katzenköpfen der West Hoe Road, und es klang, als würden Musketenschüsse abgefeuert.
Das steigerte die Panik.
„Die Spanier!“ wurde gebrüllt. „Sie greifen Plymouth an!“
Sir John, der alte Halunke, tanzte auf dem Achterdeck herum und hielt sich den Bauch vor Lachen. Jetzt führte er sich genauso auf wie seine beiden Ferkelsöhne.
„Der Bastard ist in der Hölle!“ grölte er, schwenkte die Whiskyflasche, soff, schlug dem dicken Burton krachend die Hand auf die Schulter, begoß ihn mit Whisky, boxte dem hageren Bromley die Faust zwischen die Rippen und wieherte wie ein altes Schlachtroß.
Es kümmerte dieses wüste Ungeheuer von Mann einen Dreck, ob Menschen bei diesem Überfall verletzt, verkrüppelt oder gar getötet wurden. Der Bastard war zur Hölle gefahren, nur das zählte bei dem Alten – und genauso bei seinen Ferkelsöhnen, bei Burton und Bromley.
„Und jetzt“, röhrte der Alte, „schießen wir auch noch die Werft des verdammten Ramsgate in Klump, die Werft und das Schiff, das die Hunde dort bauen lassen!“
„Jawohl!“ schrie Bromley mit überschnappender Stimme, und in seinen Augen war wieder das irre Flackern. „In Klump schießen! Ausrotten! Vergiften das ganze Pack …“ Er riß dem Alten die Whiskyflasche aus der Hand und kippte das Zeug hinunter wie Wasser.
„He-he!“ rief der Alte. „Nicht so stürmisch, Freund Bromley. Lassen Sie mir noch was drin!“
„Ich will auch!“ meldete sich Burton. Sein feistes Gesicht, das so teigig geworden war, glühte jetzt.
„Ah, die Gentlemen sind munter geworden!“ rief der Alte dröhnend und sah zu, wie auch Burton den Whisky in sich hineinschüttete, als sei er am Verdursten. Er spreizte sich grinsend: „Na, wie hat das der alte John Killigrew mal wieder hingekriegt? Ja – so muß man vorgehen, immer ran und drauf! Wie auf die Weiber! Das ist die richtige Taktik, Gentlemen!“
„Genial!“ rief der dicke Burton entzückt. „Wirklich genial, Sir. Da hüpft einem das Herz in der Brust vor lauter Freude. Und wie laut das gedonnert hat – als stürze die Welt zusammen.“
„Ja, das war ein lustiger Streich!“ grölte der Alte.
Auf dem Achterdeck tauchte der Bootsmann auf.
„Sir“, sagte er besorgt, „bei Fort Eastern King gibt man Lichtsignale.“
„Die können mich mal“, erklärte der Alte und befahl dem Rudergänger, abzufallen und die St.-Nicholas-Insel an Steuerbord zu lassen. Mit diesem Kurs entfernte er sich vom Fort, das sich offenbar im Alarmzustand befand.
Außerdem hatte der alte Gauner mal wieder Glück. Neue Nebelbänke hatten sich gebildet, in die er mitten hineinsegelte. Es war keine dicke Suppe wie um Mitternacht, als sie hatten ankern müssen, nein, nur strichweise waberten diese Bänke über dem Wasser – wie Büsche auf dem Land, hinter denen sich ein flüchtender Dieb von Sprung zu Sprung verbergen kann.
Da