Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
Sir. Ich glaube, dort beim Schuppen, wo gelöscht wird.“
„Führen Sie mich bitte zu ihm“, sagte Hasard und befahl seinen Männern, zum Boot zurückzugehen und die Segel wieder zu setzen. „Wir segeln sofort wieder zurück“, fügte er hinzu. „Könnte sein, daß die Kerle es dort auch noch mal versuchen.“
Dan O’Flynn nickte. „Das ging mir auch gerade durch den Kopf – das Grölen, was wir hörten, das könnten die Kerle gewesen sein. Und wir sind an ihnen vorbeigesegelt!“
„Vermutlich“, sagte Hasard knapp und eilte mit dem Gendarm zu dem Schuppen, von dem nicht mehr viel stand.
Der Hafenkommandant war verrußt, verdreckt und verschwitzt, und er fluchte wie ein Fuhrknecht.
„Das hat Ihrem Schiff gegolten“, sagte er sofort, als Hasard ihm gegenüberstand. „Mann, Sie machen mich schwach. Kaum tauchen Sie wieder in Plymouth auf, ist der Teufel los.“
Hasard lächelte den wütenden Mann an. „Tut mir leid, Sir, vor allem deswegen, weil das verkehrte Schiff angegriffen wurde. Ich schätze aber, daß ich weiß, wer dahintersteckt.“
„Wer?“ blaffte der Hafenkommandant.
„Mister Samuel Taylor Burton, Sir.“
„Der hier mal Friedensrichter war?“
„Genau der.“
„Wieso das?“
Hasard seufzte. „Um mich kurz zu fassen: Vor zwölf Jahren wollte er sich an einer Schatzbeute bereichern, die unserer Königin zugedacht war. Das konnte ich verhindern. Der Verhaftung und Aburteilung als Dieb entzog er sich durch einen Schlaganfall. Von dem erholte er sich leider, und seitdem mag er mich nicht. Wissen Sie, wo er wohnt?“
„Klar. Dieser Schweinehund steckt also dahinter?“
„Ja. Und ich erhebe hier bereits Anklage gegen ihn – wegen Mordes an den unschuldigen Männern dieser Galeone und wegen versuchten Mordes an meiner Besatzung und mir. Lassen Sie ihn festnehmen, sofort.“
„Mit Vergnügen, Sir“, sagte der Hafenkommandant grimmig.
Minuten später schwangen sich fünf Soldaten auf Pferde und brausten ab. Nach knapp zehn Minuten kehrten sie zurück. Der Vogel war ausgeflogen.
„Diese Wildsau!“ tobte der Hafenkommandant. „Und jetzt?“
„Lassen Sie nach ihm fahnden, Sir“, sagte Hasard. „Ich muß nach Rame Head zurück, bevor dort auch noch etwas passiert. Falls Sie ihn schnappen, stelle ich mich für die Anklage gern zur Verfügung. Sie erreichen mich jederzeit auf der Werft von Mister Ramsgate.“
„In Ordnung, Sir.“
Sie verabschiedeten sich, und Hasard eilte zum Boot zurück. Wie vorher hinauf – mußte Hasard jetzt zum Boot hinunterklettern, und er benutzte die Steigeisen an der Kaimauer. Es war ablaufendes Wasser. In etwa einer Stunde würde Niedrigwasser sein.
Minuten später glitt das Boot aus der Mill Bay. Jetzt saß Philip junior an der Pinne, genauso konzentriert und aufmerksam wie sein Bruder. Der Wind hatte etwas zugelegt.
„Kurs Südsüdwest, Söhnchen“, befahl Hasard. „Die St.-Nicholas-Insel bleibt an Backbord. Und segel das Boot voll aus, wir haben wenig Zeit.“
„Aye, aye, Sir!“ Und Philip junior segelte das Boot gewissermaßen mit den Fingerspitzen. Wenn der Wind nicht krimpte, das heißt, nach links drehte, konnte Philip Penlee Point, die südliche Ostspitze der Halbinsel gut anliegen. Nach dem Runden von Penlee Point mußte gekreuzt werden. Außerdem lief dann auch der nach Osten driftende Strom gegenan. Da hatte es also Philip etwas schwerer als sein Bruder.
Als die St.-Nicholas-Insel bereits hinter ihnen lag, rollte ihnen von Steuerbord voraus, aus Südwesten, Kanonendonner entgegen. Da wußten sie, was die Glocke geschlagen hatte.
Und Dan O’Flynn sagte etwas sehr Unfeines.
7.
Ben Brighton, Bootsmann und Erster Offizier in der Crew der Seewölfe, war ein sehr ruhiger und besonnener Mann. Daß er außerdem die ranke Sambuke quer durchs Mittelmeer und den Atlantik hoch nach England gesegelt hatte, bewies seine hervorragenden seemännischen Eigenschaften. Auch Vorsicht war ein Teil seines Charakters – nicht die Vorsicht des Zögernden oder Ängstlichen, nein, die Vorsicht, immer bereit und gewappnet zu sein, das zeichnete ihn aus.
Daher hatte er, als Hasard mit seiner kleinen Gruppe abgesegelt war, nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern vier Männer an Land geschickt mit dem Auftrag, die Werft zum Binnenland hin abzusichern. Mac Pellews Aussage hatte ihn mißtrauisch werden lassen. Außerdem hatte er angeordnet, die Culverinen und Drehbassen auf der Backbordseite der Galeone auszurennen beziehungsweise gefechtsbereit zu halten. Musketen lagen ebenfalls bereit.
Diese Maßnahmen bedeuteten mithin, daß keiner der Seewölfe wieder in die Koje gegangen war. Dazu waren sie jetzt auch viel zu aufgedreht, was natürlich mit den rätselhaften Explosionen in Plymouth zusammenhing. In den vielen Jahren unter Philip Hasard Killigrew hatten sie zudem einen Instinkt für Gefahren entwickelt, so daß Ben Brightons Maßnahmen für sie völlig selbstverständlich waren.
Irgend etwas war im Busch, und es war gegen sie gerichtet: Ferris Tukker, ihr Schiffszimmermann, hatte einen Knüppel über den Schädel gekriegt, die entstehende neue „Isabella“ war angezündet und Hesekiel Ramsgate entführt worden, und dann hatte man mit einer kleinen gestohlenen Galeone einen Feuerüberfall von See her auf die Werft unternommen. Da war allerdings nicht die neue „Isabella“ getroffen worden, sondern eine andere Galeone, die ebenfalls auf der Werft lag und Feuer gefangen hatte. Das alles reichte wohl aus, um auf weitere Schandtaten gefaßt zu sein, zumal sie inzwischen wußten, wer hinter den Anschlägen steckte – Samuel Taylor Burton und Mark Bromley.
Sie waren ganz schön sauer, die Seewölfe, und entschlossen, sich ihrer Haut zu wehren. Niemand hatte ihnen auf die Zehen zu treten, solche Dreckskerle wie Burton und Bromley schon gar nicht.
Und Carberry, das alte Rauhbein, erklärte zum soundsovielten Male, was er alles tun würde, wenn er die beiden Strolche zwischen die Fäuste kriegte.
Er zeigte Smoky und Pete Ballie, die selber ziemliche Pranken hatten, vor allem Pete, seine Fäuste, obwohl sie alle diese Pratzen weiß Gott zur Genüge kannten. Richtig verhornt waren diese Dinger, rissig vom Salzwasser, zernarbt und eisenhart.
„Hiermit“, erklärte er grollend, „kriegen die Lumpenkerle Zunder, daß es nur so raucht.“
„Hm-hm“, sagte Smoky und beäugte mit schiefem Kopf die dargebotenen Fäuste.
„Was, heißt hier ‚hm-hm‘? Du glaubst mir wohl nicht?“
„Nun ja“, sagte Smoky vorsichtig, „damit du es rauchen lassen kannst, mußt du sie ja erst mal haben, nicht wahr?“
„Ha!“ sagte der Profos verächtlich. „Die schnapp ich mir schon.“
Der Kutscher tauchte mit einem dampfenden Kessel und mehreren Mucks auf. In dem Kessel steckte eine Schöpfkelle.
„Möchten die Gentlemen eine kräftige Brühe?“ fragte er und setzte den Kessel auf die Planken.
Carberry beugte sich darüber und schnüffelte mißtrauisch.
„Was ist geschehen?“ fragte er.
„Heiße Hühnerbrühe“, sagte der Kutscher.
Carberry nieste.
„Kannst du deinen verdammten Rüssel nicht wegnehmen, Mister Carberry?“ sagte der Kutscher empört.
Carberry richtete sich auf und fixierte den Kutscher. „Wie nennst du meine Nase?“
„Einen Rüssel“, erklärte der Kutscher unverblümt. „Und es ist eine Sauerei, in eine Suppe zu niesen, die anderen schmecken soll. Du hättest deinen Rüssel