Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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kletterten sie hinauf, rissen die Kisten und Säkke auf und schwenkten triumphierend Musketen, Pistolen und Säbel über den Köpfen.

      Der Spanier hatte einen der beiden Männer erkannt. Er preßte die Lippen aufeinander, daß sie nur noch schmale Striche waren. Seine schwarzen Augen sogen sich an dem länglichen Gesicht mit dem schmalen Oberlippenbärtchen fest. Die Augen wurden von der breiten Krempe eines dunkelroten Hutes beschattet, nur ab und zu erhellten die zuckenden Flammen der Fackeln, die von den Wegelagerern entzündet worden waren, sein Gesicht bis zur Stirn hinauf.

      Das war Gustave Le Testu.

      Der Spanier sprach den Namen lautlos aus wie einen bösen Fluch. Er hatte gewußt, daß sich der gottlose Hugenotte in dieser Gegend herumtrieb, deshalb hatte er ja auch Begleitschutz angefordert.

      Aber der Schnapphahn mußte eine goldene Nase haben. Nur ein paar Meilen weiter wäre er den Soldaten Heinrich von Bourbons in die Hände gefallen, und dann wäre es ein für allemal um ihn geschehen gewesen.

      Der Haß auf den Hugenottenteufel fraß den Spanier fast auf. Er sah, wie die Kerle den toten Kutscher vom Bock des zweiten Wagens zerrten und ihn in den Wald schleiften. Den Mann vom dritten Wagen hatten sie gepackt, und obwohl er um Gnade flehte, wurde er eiskalt mit einem Messer umgebracht.

      Der Spanier tat, als verließen ihn die Kräfte. Seine Muskeln erschlafften. Er wehrte sich nicht mehr gegen die harten Griffe der beiden Kerle, die ihn in der Zange hatten. Unter halb geschlossenen Lidern hervor sah er, wie der hochgewachsene, schwarzhaarige Mann neben Le Testu auf ihn aufmerksam wurde. Gleichzeitig spürte er, wie sich die Griffe an seinen Armen lockerten.

      Er dachte an das Messer, das in seinem Stiefelschaft steckte, aber noch konnte er sich nicht befreien. Er mußte den Ohnmächtigen, der sich selbst aufgegeben hat, weiterspielen, wenn er noch eine Chance haben wollte.

      Der Schwarzhaarige trat näher auf ihn zu.

      „Wen habt ihr denn da?“ fragte er die beiden Kerle, die den Spanier gepackt hatten.

      „Er hat den ersten Wagen gelenkt“, erwiderte der eine der bärenstarken Burschen.

      Der Schwarzhaarige grinste wie der Teufel persönlich.

      „Der sieht mir nicht wie ein Franzose aus“, sagte er. Mit einer herrischen Handbewegung befahl er den beiden, den Mann loszulassen.

      Sie gehorchten und traten einen Schritt zurück.

      Auf diesen Augenblick hatte der Spanier gewartet.

      Seine Hand zuckte hinunter zum Stiefel, und nur Sekundenbruchteile später glitzerte die schmale, lange Klinge im Licht der blakenden Fakkeln.

      Der Schwarzhaarige sprang zurück, und die kreisende Klinge verfehlte ihn knapp. Ehe die beiden Kerle, die seitlich hinter dem Spanier standen, wieder zupacken konnten, hatte der Spanier einem von ihnen das lange Messer in die Seite gestoßen. Der Mann klappte zusammen, als hätte ihn ein Pferd getreten.

      Der andere begann zu brüllen. Mit einem mächtigen Satz versuchte er, sich aus der Reichweite der langen Klinge zu bringen, aber er schaffte es nicht ganz. Die Spitze erwischte sein Hemd an der Brust. Er schrie auf und starrte an sich hinunter. Ein blutiger Streifen zog sich quer über seine Brust.

      Der Spanier nutzte die Verwirrung. Er warf sich herum, duckte sich und hetzte ein Stück den dunklen Weg entlang, den sie zur Mühle von Frigus hatten fahren wollen. Dann verschwand er seitlich zwischen den Bäumen.

      In seinen Ohren dröhnte es vom Geschrei der Männer. Ein fürchterliches Krachen ließ ihn zusammenzucken. Hinter ihm wurde die Nacht von einem Blitz erhellt, und dann schlug ein Stück Blei dicht neben ihm im Stamm einer Eiche ein.

      Panik ergriff ihn. Wie ein Wilder bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz, stolperte, fiel der Länge zach hin, rappelte sich wieder hoch und hetzte weiter.

      Er wußte, daß es um mehr als sein Leben ging. Er mußte die Soldaten m der Mühle von Frigus erreichen, sie warnen und auf Gustave Le Testu hetzen, der einer der ärgsten Feinde Heinrichs von Bourbon war.

      Erst nachdem er mehrere hundert Schritte weit in den Wald gelaufen war, wagte er, stehenzubleiben und zu lauschen. Noch immer waren aus weiter Entfernung die Geräusche der Männer bei den Wagen zu vernehmen. Aber noch deutlicher hörte er das Rascheln von Sträuchern und das leise Brechen von Zweigen.

      Sie hatten jemanden hinter ihm hergeschickt, um ihn zu töten!

      Die Brust des Spaniers hob und senkte sich unter heftigen Atemzügen. Das Stechen in seinen Lungen hatte sich bis zur Unerträglichkeit gesteigert. Er wußte, daß er nicht mehr lange würde laufen können. Er konnte die Mühle von Frigus nur erreichen, wenn er die Verfolger ausschaltete und langsam seinen Weg fortsetzte.

      Er verfluchte die Tatsache, daß er seine Pistolen nicht bei sich trug. Als er die Zügel des Gespanns übernommen hatte, waren sie ihm hinderlich gewesen, und er hatte sie hinter sich auf die Bank gelegt. Der Überfall der Schnapphähne war zu schnell erfolgt, als daß er Zeit dazu gehabt hätte, danach zu greifen. Vielleicht war gerade das sein Glück gewesen. Auch wenn er einen oder zwei von ihnen getötet hätte, wäre er selbst wahrscheinlich auch längst tot gewesen.

      Sein Atem beruhigte sich nur langsam. Er starrte auf das lange Messer in seiner rechten Hand. Es mußte genügen, um mit den Verfolgern fertig zu werden.

      Fackelschein zuckte in fünfzig Schritten Entfernung durch den Wald. Er hörte die Stimmen der drei Männer, die sich keine Mühe gaben, leise zu sein.

      Auf einmal blieben sie stehen und lauschten.

      Der Spanier hörte, wie einer von ihnen sagte: „Der Bursche muß sich irgendwo in der Nähe versteckt haben. Er kann nicht so weit weg sein, daß wir ihn nicht mehr hören.“

      „Seid vorsichtig!“ warnte ein anderer. „Er hat Sorlin mit einem Stich getötet und Marbiche die Brust aufgeschlitzt!“

      Sie begannen zu flüstern, und mit weit vorgereckten Fackeln setzten sie ihren Weg langsamer fort. Sie hatten sich verteilt und blieben hin und wieder stehen, um zu lauschen.

      Der Spanier wagte nicht, sich zu rühren. Er kauerte sich hinter einem dichten Gebüsch nieder. An den Lichtpunkten der Fackeln erkannte er, wie dicht die drei Männer bereits waren.

      Sie bewegten sich zum Glück nicht genau auf ihn zu. Vielleicht übersahen sie ihn, und er konnte eine andere Richtung einschlagen, wenn sie an ihm vorbei waren.

      Im nächsten Augenblick erkannte er, daß seine Hoffnung vergebens war. Der Straßenräuber, der den linken Flügel bildete, würde dicht an seinem Versteck vorbeigehen. Im Licht seiner Fackel mußte er den dunkel gekleideten Mann erkennen.

      Der Spanier begann zu zittern. Er wußte, daß seine Chancen, einen Kampf mit den drei Wegelagerern, für die das Morden ein alltägliches Geschäft war, zu überleben, äußerst klein waren. Dennoch war er bereit, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

      Der Mann war schon fast an ihm vorbei, als er den dunklen Schatten hinter dem Gebüsch erkannte. Er schlug mit der Fackel, die er in der linken Hand hielt, blitzschnell zu, aber der Spanier hatte bereits reagiert. Sein Messer drang in den Körper des Wegelagerers ein.

      Der Mann brüllte seinen Schmerz hinaus. Er ließ Fackel und die Pistole, die er in der rechten Hand gehalten hatte, fallen und preßte beide Hände auf die tödliche Wunde, die ihm der Spanier beigebracht hatte.

      Der Spanier griff hastig nach der Pistole. Bevor der zweite Mann, der auf ihn zustürzte, die Gefahr erkannte, krachte die Waffe in der Hand des Spaniers, und das Blei schleuderte den Wegelagerer zur Seite.

      Die Fackel beschrieb einen zischenden grellen Kreis, dann fiel sie zur Erde, und kleine Flammen leckten an einem Busch hoch. Sie erloschen jedoch bald, da das Laub von dem vorhergegangenen Regen noch ziemlich feucht war.

      Der dritte Straßenräuber war stehengeblieben und starrte dorthin, wo die beiden Fackeln seiner Kumpane langsam erloschen. Er konnte sich nicht erklären, was vorgefallen war, da er zu weit von den anderen entfernt gestanden hatte.


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