Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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geben auf!“ brüllte er Le Testu ins rechte Ohr. „Die Hosenscheißer haben Angst! Wahrscheinlich werden sie ihrem Offizier irgendein Märchen erzählen, weshalb sie die Verfolgung abbrechen mußten!“

      Le Testu lachte wild auf, obwohl ihm nach allem anderen als nach Lachen zumute war.

      Doch wichtig war erst einmal, daß sie ihr Leben gerettet hatten. Alles andere ließ sich wahrscheinlich wieder einrenken. Er ahnte, daß keiner seiner Leute den Soldaten entgangen war. Die meisten von ihnen waren sicher tot. Le Testu hoffte, daß sich alle bis zum letzten Atemzug verteidigten, denn wenn jemand den Soldaten in die Fänge geriet, erwartete sie der Galgen. Auch für Le Testu bestand dann eine Gefahr. Jeder seiner Leute kannte das Versteck, in dem er die geraubten Waffen verborgen hatte, die er für seine gerechte Sache brauchte.

      Er schüttelte die Gedanken ab und trieb den Schweißfuchs wieder an.

      „Achtung!“ brüllte Montbars und warf sich gegen den Rücken von Le Testu.

      Dieser spürte, wie der Schweißfuchs plötzlich unsauber ging, und dann stand der helle Knall einer Muskete in der morgendlichen Luft.

      Mit einem Satz waren Le Testu und Montbars vom Rücken des stolpernden Schweißfuchses. Sie überrollten sich am Boden und waren schon wieder auf den Beinen, als der Schweißfuchs zusammenbrach, noch einmal mit den Hufen zuckte und dann still lag.

      Le Testu sah die kleine graue Wolke vor dem Dunkel der Bäume, wo die beiden Soldaten angehalten hatten. Er sah, daß sich Montbars ziemlich in ihren Absichten getäuscht hatte. Sie dachten nicht daran, die beiden flüchtigen Schnapphähne entwischen zu lassen. Ihre triumphierenden Schreie waren bis hierher zu hören, und als sie ihre Pferde wieder in Galopp trieben, hetzten Le Testu und Montbars auf das nächste Waldstück zu, das etwa hundert Schritte vor ihnen lag.

      Die Zunge hing ihnen aus dem Hals, als sie endlich zwischen den ersten Bäumen waren. Die Reiter hatten mächtig aufgeholt und waren nur noch fünfzig Schritte von dem toten Schweißfuchs entfernt.

      Le Testu und Montbars sahen, wie sie ihre Tiere zurückrissen und auf den toten Fuchs starrten. Sie unterhielten sich eine Weile, schauten ein paarmal zum Wald und zogen dann ihre Pferde herum. Wie von Furien gejagt, hetzten sie zurück.

      Le Testu blickte Montbars an.

      „Verstehst du das?“ fragte er den Korsen.

      Montbars schüttelte den Kopf.

      „Keine Ahnung“, sagte er. „Vielleicht hast du ein Pferd erwischt, das für irgend jemanden eine große Bedeutung hat. Vielleicht fürchteten sie, daß man ihnen den Hals abschneidet, weil sie den Schweißfuchs erschossen haben.“

      Le Testu zuckte mit den Schultern. Ihm war es gleichgültig, aus welchem Grund die Soldaten umgekehrt waren. Hauptsache, sie hatten die Flucht geschafft. Er nickte Montbars zu, und sie begannen, nach Norden zur Küste zu marschieren.

      Der Sturm hatte sie gezwungen, in der Bucht von Sillon de Talbert Schutz in einer Felsenhöhle zu suchen. Sie hatten ein kleines Feuer entzündet und ein Kaninchen gebraten, das der Korse mit seinem Messer erlegt hatte.

      Dann waren sie vom Kanonendonner aufgeschreckt worden, der mit dumpfem Gebrüll über die Bucht hallte. Der Sturm hatte ihnen die Geräusche einer harten Schlacht an die Ohren getragen. Zeitweise hatten sie sogar brüllende Stimmen vernommen, deren Klang sie davon überzeugte, daß es englische Schiffe waren, die im Kampf mit irgendwelchen französischen Piraten lagen.

      Dann hatten sie beobachtet, wie Männer an Land schwammen. Wahrscheinlich war ihr Schiff untergegangen. Sie hatten es nicht gewagt, ihre Höhle zu verlassen, aber in Le Testu war ein Plan gereift, den er in der ersten Morgendämmerung, die von feuchten Nebelbänken durchzogen wurde, Montbars mitteilte.

      „Die armen Hunde sind fertig“, sagte er. „Sie werden froh sein, wenn sie irgendwo ihre Klamotten trocknen können. Weißt du was, Montbars? Wir werden sie sammeln, und dann haben wir eine neue Bande, mit der wir unsere Aufgabe fortführen können.“

      „Es sind Kerle, die gegen die Engländer gekämpft haben“, meinte der Korse zweifelnd. „Vielleicht sind es Soldaten Seiner katholischen Majestät.“

      Le Testu wiegte den Kopf.

      „Wir werden sehen“, sagte er. „Komm, wir wollen nicht solange warten, bis sie sich in alle Winde verstreut haben.“

      Der Sturm hatte etwas abgeflaut, als sie die Höhle verließen und in dem riesigen Waldgebiet untertauchten, in dem auch die Schiffbrüchigen verschwunden waren.

      Der Nebel verschluckte fast alle Geräusche.

      Montbars und Le Testu hatten Mühe, einander wiederzufinden, wenn sie sich mal ein wenig voneinander trennten, um in den dichten Schwaden ein größeres Stück des Waldes abzusuchen.

      Es wollte nicht richtig hell werden an diesem Morgen. Immer wieder starrte Le Testu zu den Wipfeln der Kiefern hinauf, in denen der Nebel nistete und herunterdrückte. Wie ein feuchtes Tuch legte er sich auf die Haut der beiden Männer, die verbissen weitersuchten.

      Montbars war es schließlich, der sagte: „Sie werden sich weiter ins Land zurückgezogen haben Vielleicht befürchten sie, daß sie von den Engländern auch hier noch verfolgt werden.“

      Le Testu hob die Schultern. Er glaubte nicht recht daran, aber wenn hier, so nahe unter der Küste, niemand zu finden war, mußte es wohl so sein, wie Montbars sagte.

      Sie hielten schnurstracks nach Osten, und schon nach einer halben Stunde bewahrheitete sich die Vermutung des Korsen. Durch Nebelschleier leuchtete ihnen das Rot eines Feuers entgegen.

      3.

      Die „Hornet“ schwoite im starken Wind, der von See her wehte, und zerrte am starken Ankertau. Nebelbänke, zerfetzt von Böen, jagten geisterhaft vorbei und hüllten Philip Hasard Killigrew ein, der sich über das Schanzkleid an der Steuerbordseite der Kuhl beugte und beobachtete, wie das Beiboot abgefiert wurde.

      Der Seewolf fluchte unterdrückt und lauschte auf das entfernte Dröhnen, als befände sich jenseits der Nebelbänke der Schlund der Hölle.

      Er wußte, wie gefährlich die Brandung an dieser Küste sein konnte, aber es blieb ihm keine andere Wahl. Sie mußten an Land, wenn sie ein paar der französischen Freibeuter erwischen wollten, die nach dem Untergang zweier ihrer Schiffe hatten an Land schwimmen können.

      Zum Glück hatte der Sturm etwas nachgelassen, aber dafür lagen sie jetzt auf Legerwall. Der Seewolf warf einen Blick zu Ben Brighton auf dem Achterdeck hinauf, und er sah das bedenkliche Gesicht seines Ersten Offiziers. Dennoch war er überzeugt, daß Ben keine Mühe haben würde, die freie See zu gewinnen, wenn die Lage kritisch wurde.

      Aus einer Nebelbank tauchte plötzlich die „Fidelity“ auf. Hasard sah, daß auch Terry sein Boot bereits zu Wasser gelassen hatte und dabei war, über die Berghölzer ins Boot zu steigen. Sein Gesicht verzog sich etwas. Er mochte diesen blonden, kantigen Zyniker nicht, aber er hatte ihm während der Schlacht gegen die vier französischen Freibeuterschiffe neidlos zugestehen müssen, daß er ein harter und ausgezeichneter Kämpfer war.

      Das Beiboot der „Hornet“ klatschte aufs Wasser und schlug mit dumpfem Laut gegen den Rumpf der Galeone. Geschmeidig enterten die ausgewählten Bootsgasten für diesen Landausflug übers Schanzkleid ins Boot ab.

      Hasard wartete, bis Carberry, Ferris Tucker, Shane, Blacky, Finnegan, Dan O’Flynn, Matt Davies und Stenmark auf ihren Duchten saßen. Er wandte sich noch einmal um und blickte zu Ben Brighton hinüber, der ihm mit einer Handbewegung viel Glück wünschte. Neben Ben sah er seine beiden Söhne stehen, und neben den Zwillingen tauchte soeben auch Mac Pellew auf, der ehemalige Koch der „Golden Hind“, den er kürzlich in Plymouth aus dem Schuldturm ausgelöst hatte.

      Hasard winkte zurück. Flüchtig schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, wie groß diese beiden Rangen inzwischen geworden waren. Und wie so oft, mußte Hasard in diesem Moment auch an die Mutter der beiden denken und


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