Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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begann zu grinsen.

      „Dich hat es mächtig getroffen, Jean“, sagte er. „Laß deine Männer nicht sehen, daß die Angst in dir hochkriecht, wenn du allein im Wald bist.“

      „Merde!“ sagte Jean Bauduc und starrte an Pierre Servan vorbei.

      Der bemerkte den Blick und drehte sich um.

      Er sah die beiden Gestalten sofort. Mit einer hastigen Bewegung nahm er seinen schwarzen Hut in die linke Hand und legte die rechte auf den Griff des Messers, das er im Gürtel stecken hatte.

      Er zog es jedoch nicht hervor.

      Er wußte, daß er mit dem Messer keine Chance gegen die vier Pistolen hatte, die auf ihn und auf Bauduc gerichtet waren. Im ersten Moment hatte er noch geglaubt, daß es sich um einen der Schiffbrüchigen von der „Antoine“ oder der „Petite Fleur“ handelte, aber ein Blick in das längliche Gesicht mit dem dünnen Oberlippenbärtchen belehrte ihn eines anderen. Auch den zweiten Mann, einen großen, muskulösen Kerl mit einem Kinn, das aussah, als ob es auf einem Amboß geschmiedet worden wäre, kannte er nicht. Die schwarzen Augen des Burschen schienen Servan und Bauduc noch mehr zu bedrohen als die Mündungen der Pistolen.

      Sie traten näher ans Feuer. Die Waffen waren weiterhin auf Servans und Bauducs Bauch gerichtet, die sich nicht zu rühren wagten.

      „Wer seid ihr?“ stieß Servan schließlich hervor. „Bei uns ist nichts zu holen, verdammt noch mal.“

      Das lange Gesicht des ersten Mannes war jetzt deutlicher zu sehen, als er in den Schein der Flammen trat. Der Schatten unter der Krempe des dunkelroten Hutes war nicht mehr so undurchdringlich.

      „Du hast ein großes Maul, Kerl“, sagte der Mann zu Servan. „Weißt du vielleicht nicht, was das ist, was wir hier in den Händen halten?“ Er ruckte mit den Läufen der beiden Pistolen.

      Pierre Servan zog die Schultern ein. Ein heißer Schreck war ihm durch die Glieder gefahren. Es war nicht die Angst vor den Pistolen, sondern der Mann selber, der ihn hatte zusammenzucken lassen.

      Er kannte ihn!

      Diesen verdammten Hundesohn hatte er irgendwo schon mal gesehen, und plötzlich wußte er auch, wo! Es war in Südfrankreich gewesen, in der Nähe von Marseille. Damals war Gustave Le Testu, wie der Kerl hieß, noch ein Strandräuber und Küstenpirat gewesen, bevor er sich von irgendeinem hugenottischen Umstürzler hatte beschwatzen lassen, für ihre Sache zu kämpfen. Seitdem hatte Le Testu den Kampf gegen die Katholischen auf seine Fahne geschrieben. Und da man von Umstürzen schlecht leben konnte, hatte er sich im Norden Frankreichs, wohin ihn sein Kampf verschlagen hatte, auf Wegelagerei spezialisiert.

      Von Yves Grammont wußte Servan, daß Le Testus Bande wahrscheinlich auch hinter den Überfällen auf die Waffentransporte steckte, wenn Grammont seine von den Engländern erbeuteten Musketen und Pistolen ins Hinterland brachte, um sie den Truppen Heinrich von Bourbons zuzuführen, der seine Hausmacht ausbauen wollte, um eines Tages auf den Thron Frankreichs zu gelangen.

      „Na, was ist?“ fragte Le Testu grinsend. „Hat dir die Aussicht auf ein schönes Loch im Kopf die Sprache verschlagen?“

      Servan antwortete nicht. Er hätte gern gewußt, was Le Testu in diese Gegend verschlagen hatte. War er darüber informiert, was in der Bucht von Sillon de Talbert geschehen war? Er sah, daß Bauduc den Mund öffnete, um etwas zu sagen, und trat rasch einen Schritt auf die beiden Männer zu, die sofort ihre Pistolen anhoben.

      „Schießt nur, ihr katholischen Hundesöhne!“ stieß er hervor. „Lange werdet ihr Frankreich nicht mehr unter eurer Knute haben! Wir haben in dieser Nacht zwar eine Schlacht gegen euch Bastarde verloren, aber das Blatt wird sich bald wieder wenden. Ah, wenn ihr nicht die Pistolen hättet, würde ich euch mit meinem Messer beweisen, zu was ein ehrlicher Hugenotte fähig ist!“

      Bauduc, der genau hinter Servan stand, glaubte im ersten Moment, daß Pierre Servan übergeschnappt sei, doch als er einen Schritt zur Seite trat und die Gesichter der beiden Wegelagerer sah, begriff er gar nichts mehr.

      Die beiden Kerle grinsten. Sie ließen sogar ihre Pistolen sinken. Bauduc, der glaubte, daß Servan diese Gelegenheit nutzen würde, die beiden anzufallen, fing einen warnenden Blick Servans auf, und sein Schrei, den er hatte ausstoßen wollen, blieb ihm in der Kehle stecken.

      „Das war eine gute Ansprache, genau nach meinem Geschmack“, sagte der Mann mit dem dunkelroten Hut und dem Oberlippenbärtchen.

      „Warum schießt ihr katholischen Hundesöhne nicht?“ brüllte Servan weiter. „Glaubt ihr, daß ihr einen Hugenotten mit dem Tod schrecken könnt?“

      „Halt die Luft an, Kamerad“, sagte der Mann mit dem roten Hut. „Niemand will euch töten.“ Er warf sich in die Brust. „Auch wir sind Hugenotten und kämpfen gegen das katholische Pack, das mit den verfluchten Spaniern paktiert.“ Er nickte in Richtung des Meeres. Durch das Rauschen der Bäume war das Donnern der Brandung deutlich zu vernehmen, da der Westwind die Geräusche herantrug. „Wir haben den Kanonendonner gehört und gesehen, wie zwei Schiffe versenkt wurden.“

      „Es waren unsere Schiffe“, sagte Pierre Servan zerknirscht. „Der Gegner war uns überlegen, wir hatten keine Chance, als wir in die Falle fuhren, die er uns gestellt hatte.“

      Le Testu schob den dunkelroten Hut aus seiner Stirn. Seine ausdrucksvollen dunklen Augen waren plötzlich wieder voller Mißtrauen.

      „Die Gegner waren also katholische Hunde?“ fragte er.

      Pierre Servan witterte die Falle.

      „Ich weiß es nicht“, sagte er zerknirscht, „ob sie katholisch sind oder nicht. Es waren höllische englische Korsaren, die mit den Spaniern ein Komplott gegen England geschmiedet haben, um die Königin vom Thron zu stoßen und die Macht an sich zu reißen. Der Earl of Throllinghove, ein glühender Katholik, hat schon ein Heer gesammelt, um auch an Land gegen die Königin zu kämpfen!“

      Pierre Servan hielt dem starren Blick Le Testus stand. Er hoffte im stillen, daß dieser ihm den Earl abnahm, den es gar nicht gab. Er fragte sich, wie weit Le Testu informiert war über die Politik, in die er sich einmischte.

      Dann sah er, wie das Mißtrauen aus den dunklen Augen verschwand. Le Testu glaubte ihm! Fast hätte Servan zu lachen begonnen. Der Kerl war also doch nichts anderes als ein Wegelagerer, der sich eine Überzeugung zugelegt hatte, unter der er rauben, plündern und morden konnte.

      „Wie heißt du, Mann?“ fragte Le Testu. „Ihr kämpft für eine gerechte Sache, und es scheint, als ob ihr nach eurer Niederlage Hilfe braucht. Seid ihr etwa die einzigen Überlebenden der Schlacht?“

      Pierre Servan schüttelte den Kopf.

      „Viele unserer Männer müssen sich an Land gerettet haben“, sagte er, „aber wir fanden noch nicht die Zeit, uns zu sammeln. Gerade als ihr auftauchtet, wollten wir mit der Suche nach ihnen beginnen. Nur in der Gemeinschaft sind wir stark, und wenn die englischen Korsaren auf den Gedanken verfallen, an Land zu gehen, um uns den Todesstoß zu versetzen, sind wir ihnen ohne Waffen hilflos ausgeliefert.“

      Gustave Le Testu warf sich in die Brust.

      „Solange es einen Le Testu gibt, der die heilige Sache der Hugenotten auf seine Fahne geschrieben hat, wird das nicht geschehen!“ rief der Wegelagerer großspurig. „Die verfluchten Spanier werden weder Frankreich auf ihre Seite ziehen, noch werden sie England erobern! Ich kenne die Dons. Erst wollen sie einen zum Partner, und ehe man sich versieht, ist man nur noch ein Vasall, der Befehle entgegennehmen soll!“

      „Mir scheint, wir sind ein bißchen wenig Leute, um die Spanier aufhalten zu können“, warf Jean Bauduc ein. „Wir werden schon Schwierigkeiten mit den paar Korsaren kriegen, wenn sie uns hier aufstöbern.“

      Der Wegelagerer begann zu grinsen.

      „Ich denke, eure Leute laufen hier im Wald herum?“ fragte er. „Sucht sie. Wenn ihr sie gefunden habt, werde ich euch zu einem Ort führen, wo ihr euch bis an die Zähne bewaffnen könnt. Und dann werdet ihr hoffentlich nicht mehr vor den


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