Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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als uns wehrlos ermorden zu lassen.“

      „Das ist recht, Monsieur“, erwiderte Le Testu, nahm den dunkelroten Hut ab und verbeugte sich etwas.

      Pierre Servan erwiderte die Geste, und er hatte Mühe, den Schauer, der ihm über den Rücken lief, abzuschütteln. Obwohl er die Situation mit seiner Geistesgegenwart gemeistert hatte, fühlte er sich nicht sicher. Der Ruf Le Testus als gnadenloser Kämpfer warnte ihn, die Sache zu leicht zu nehmen. Ein Mann von seinem Ruf konnte eigentlich nicht so einfältig sein, wie er sich hier gab.

      Servan nahm sich vor, auf der Hut zu sein. An den heimlichen Blicken Bauducs hatte er erkannt, daß dieser sein Spiel durchschaut hatte. Hoffentlich hielt er sich zurück und verplapperte sich nicht.

      „Wir sollten endlich aufbrechen“, sagte der dunkelhaarige Mann neben Le Testu. Seine Stimme hatte einen eigenartigen Klang, und Servan vermutete, daß er aus dem tiefsten Süden Frankreichs stammte.

      „Oh, ich habe euch meinen Kameraden noch nicht vorgestellt“, sagte Le Testu. „Sein Name ist Montbars, und er stammt von Korsika, wo man einen Mann schon wegen eines schiefen Blickes tötet. Hütet euch also davor, ihn durch irgend etwas zu beleidigen.“

      „Ist er auch ein Hugenotte?“ fragte Pierre Servan.

      „Er kämpft an meiner Seite für unsere Sache“, erwiderte Le Testu unwillig. Sein Blick streifte Servan, und dieser merkte, daß er lieber hätte schweigen sollen. Leute wie Testu konnten es nicht leiden, wenn zu viele Fragen gestellt wurden.

      Jean Bauduc scharrte mit den Stiefelspitzen Sand ins Feuer und erstickte es.

      Der Wald schwamm in einem seltsamen Licht. Über den Wipfeln der Fichten schienen geisterhafte Wesen milchige Tücher zu weben. Sie spürten die Feuchtigkeit, die in der kalten Morgenluft hing, und zogen die Schultern hoch.

      Pierre Servan ging den anderen Männern voraus. Noch traute er dem Frieden nicht, aber er sagte sich, daß er Le Testu zeigen mußte, daß er keine Angst vor ihm hatte. Jean Bauduc konnte seine Gefühle nicht so gut verbergen. Servan sah, daß er immer nervöser wurde und schließlich seitlich auswich, als wolle er in breiter Reihe den Wald durchkämmen.

      Nach einer halben Stunde schimmerte vor ihnen zwischen den Stämmen ein Feuer. Sie schlichen sich lautlos heran, aber dann erkannte Servan, daß es sich um gut ein Dutzend Männer aus seiner Mannschaft handelte.

      Er gab sich zu erkennen und trat mit Bauduc und den beiden Wegelagerern auf die kleine Lichtung.

      Er hielt ihnen eine lange Rede, daß sie ihr Unglück überwinden würden und nun einen Verbündeten hätten, der ihnen die Möglichkeit geben würde, die schmachvolle Niederlage gegen die englischen Korsaren vielleicht noch in einen Sieg umzuwandeln.

      An den Gesichtern seiner Männer erkannte Servan, daß kaum einer ein Wort von dem verstand, was ihr Kapitän ihnen sagte. Vor allem die Sache mit den Hugenotten und den katholischen englischen Korsaren erschien ihnen ein bißchen wirr. Aber da der Kapitän sie während seiner Rede immer wieder anblinzelte, hielten sie den Mund.

      Gustave Le Testu rieb sich die Hände. Hier zeichnete sich eine Möglichkeit ab, seine Bande neu entstehen zu lassen. Die beiden Kerle, die ihre Schiffe in der Bucht von Sillon Talbert verloren hatten, schienen ziemlich unbedarfte Burschen zu sein. Er glaubte nicht, daß sie ihm gefährlich werden konnten, wenn es darum ging, wer der neue Führer der Leute sein sollte.

      Sie brachen von dieser Lichtung schon mit vierzehn Männern auf, und nach weiteren zwei Stunden hatte sich die Gruppe auf fast dreißig Männer vergrößert.

      Le Testu war zufrieden. Mit diesen Kerlen war schon was anzufangen.

      „Das müßte für die Engländer genügen“, sagte er zu Servan.

      „Dazu brauchen wir aber Waffen“, erwiderte Servan.

      Le Testu grinste Montbars, den hochgewachsenen Korsen, an und sagte: „Sie wissen nicht, daß sie nur hundert Schritte von einer Höhle entfernt sind, in der es mehr Waffen gibt, als sie überhaupt tragen können.“

      „Führen Sie uns hin, Monsieur Le Testu“, sagte Servan gepreßt. „Die Nebelbänke reißen auf. Bald wird die Sonne durchbrechen. Vielleicht treiben sich die englischen Korsaren schon in der Nähe herum, um uns zu töten.“

      Le Testu grinste, drehte sich um und schritt zwischen den Stämmen der Fichten hindurch einen kleinen Hügel hinauf, dessen Kuppe mit riesigen Felsbrocken bedeckt war. Dort angelangt, brach er sich einen Weg durch dichtes Gebüsch.

      Montbars und die anderen folgten ihm. Sie gelangten in eine enge Höhle. Le Testu hatte inzwischen eine Fackel entzündet, und Pierre Servan staunte mit offenem Mund, als er die vielen Musketen, Pistolen und Pulverfäßchen sah.

      Die Flammen der Fackel geisterten über Le Testus Gesicht und ließen es wie das Antlitz eines Dämons aussehen.

      „Bedient euch, Männer“, sagte er. „Die englischen Hunde werden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie glauben, euch ohne Waffen anzutreffen.“

      Pierre Servan nickte. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Er wußte nun, daß der Wegelagerer Le Testu ein gefährlicher Feind war. Er konnte ihn nur übertölpeln, wenn Yves Grammont und seine Leute in die Bucht zurückkehrten. Aber solange sich die englischen Schiffe dort noch aufhielten, war damit wohl nicht zu rechnen.

      Er gab seinen Männern mit der Hand Zeichen, einer nach dem anderen die Höhle zu betreten und sich mit Waffen zu versorgen. Er selbst suchte sich zwei Pistolen und eine Muskete aus, während sich Bauduc, der seine drei Pistolen hatte retten können, nur Munition und Pulver nahm.

      5.

      Die wabernden Nebelschleier hatten sich im ersten Sonnenlicht aufgelöst. In den gleißenden Strahlen, die durch das dichte Nadel- und Blätterdach des Waldes zuckten, tanzten Myriaden von Staubpartikelchen und Insekten.

      Der Wald begann zu dampfen von der nächtlichen Feuchtigkeit, und die Männer, die bisher gefroren hatten, begannen langsam zu schwitzen.

      Der Seewolf hatte seit geraumer Zeit nichts mehr von Terry und seinen Leuten gehört. Er war sich nicht mehr sicher, ob es richtig gewesen war, an Land zu gehen und zu versuchen, in diesem riesigen Waldgebiet nach versprengten schiffbrüchigen Piraten zu suchen.

      Er sah den Männern an, die nach der Schlacht nur wenig Schlaf gefunden hatten, daß sie dringend Ruhe haben mußten. Er hob den Arm und bedeutete den Männern hinter sich, daß ihr Weg hier zu Ende sei. Einen Moment dachte er an Easton Terry, der eventuell auf seine Hilfe zählte, wenn er mit einer Gruppe Piraten aneinandergeriet. Doch wie sollten sie in diesem weitläufigen Wald zueinanderfinden?

      „Es hat keinen Zweck, weiter vorzudringen“, sagte er und wies auf das dichte Unterholz, das ihnen schon nach wenigen Schritten die Sicht versperrte. „Wir könnten an hundert Piraten vorbeilaufen und würden sie nicht einmal bemerken.“

      „Und was ist mit Mister Terry?“ fragte Stoker, der Decksälteste der „Fidelity“. „Wollen Sie ihn im Stich lassen?“

      „Mister Terry wird inzwischen ebenfalls bemerkt haben, daß wir in diesem Wald nicht operieren können“, erwiderte Hasard. „Oder wissen Sie, wo sich Ihr Kapitän gerade aufhält, Stoker?“

      Der affenähnliche Mann schüttelte den Kopf und schwieg.

      Hasard wollte sich an Dan O’Flynn wenden, als er sah, daß dieser angestrengt auf eine bestimmte Stelle starrte. Er hatte die Hand gehoben und die anderen damit zum Schweigen aufgefordert.

      Alle blickten in dieselbe Richtung, und als der grauhaarige Kerl aus den Büschen auftauchte und erstarrte, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer gerannt, stieß Halibut, der plattnasige Kerl aus Terrys Crew, einen wilden Schrei aus, riß sein Messer aus der Scheide und sprang auf den hochgewachsenen Grauhaarigen zu.

      Der Mann tauchte blitzschnell unter.

      Der Seewolf


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