Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
Mister Killigrew“, sagte er mit hohntriefender Stimme. „Wieso haben Sie sich nicht gesagt, daß die Piraten Waffen an Land hatten, um für den Eventualfall gerüstet zu sein? Wahrscheinlich sind die Franzosen eine Nummer zu groß für Sie, Mister Killigrew!“
Hasard hörte das Schnauben Carberrys hinter sich, und seine Hand zuckte zur Seite, als der Profos an ihm vorbei wollte. Er warf nur einen kurzen, scharfen Blick auf Ed, und der blieb zähneknirschend stehen.
„Sie bringen Ihre Einwände ein bißchen spät hervor, Terry“, erwiderte Hasard ruhig, obwohl es in ihm nicht viel weniger kochte als in Carberry. Das „Mister“ hatte er absichtlich weggelassen, um Terry zu zeigen, was er von ihm hielt. „Wenn das Huhn gackert, weiß jeder, daß es ein Ei gelegt hat.“
„Sie können sicher sein, Killigrew, daß mir dieser Reinfall nicht passiert wäre“, sagte Terry überheblich. „Das Ganze wäre auch nicht weiter tragisch, wenn nicht ausgerechnet einer meiner Leute hätte dran glauben müssen. Ich hoffe, es lag nicht daran, daß Sie das Leben Ihrer Männer höher einschätzen als das Leben meiner Leute.“
Für diese Bemerkung hätte der Seewolf dem verdammten Großmaul am liebsten die Faust zu kosten gegeben, aber er hielt sich zurück. Er wußte, daß es keine andere Wahl gab, als mit Terry auszukommen. Die Königin hatte sie beide für ein gefährliches Unternehmen zusammengeführt, und einer allein konnte es nicht bewältigen.
Hasard schwor sich in diesem Moment, keine von Terrys Bemerkungen zu vergessen. Und wenn sie ihren – Auftrag erledigt hatten und beide noch am Leben waren, dann würde er sich das Großmaul einmal vornehmen.
„Na, Halibut“, sagte die dunkle Stimme von Matt Davies neben Hasard, „willst du deinem großen Kapitän nicht auch berichten, wo du dich während des Kampfes versteckt hast, nachdem du mit deinem hinterhältigen Schuß in den Rücken eines fliehenden Piraten erst die Schärfe in die Auseinandersetzung gebracht hast?“
Halibut wurde erst blaß, dann puterrot.
„Du verdammter Lügner!“ brüllte er. „Ich werde …“
Wieder hing er mit dem bereits zerfetzten Kragen an Matts Haken, der ihn dicht zu sich heranzog und ihm in die Visage grinste.
„Na, was wirst du?“ fragte er grimmig.
„Käptn!“ kreischte Halibut, aber bevor Terry etwas sagen konnte, befahl Hasard Matt mit einer Handbewegung, den Kerl loszulassen.
Matt tat das so elegant, daß Halibut fast einen Purzelbaum schlug. Allerdings nur fast. Eine Vierteldrehung fehlte, so daß er genau mit der Nase im weichen Waldboden landete. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen. In der Rechten hielt er ein Messer, und wenn Terry nicht blitzschnell zugepackt und seinen Arm festgehalten hätte, wäre das Messer wahrscheinlich durch die Luft auf Matt zugesegelt.
„Ich begreife die feindselige Haltung Ihrer Männer nicht, Killigrew“, sagte Terry scharf. „Sie werden verstehen, daß ich mir das nicht bieten lassen kann. Ich werde das Lord Cliveden melden müssen, wenn wir zurück in England sind. Mir scheint, daß man den falschen Mann ausgewählt hat, diese wichtige Mission zu erfüllen.“
„Zum Glück interessiert hier niemanden, was Sie glauben“, sagte Hasard kalt. „Und wenn sich Ihre Männer während des Kampfes alle so verhalten wie der Kerl da“, er wies auf Halibut, „dann wundert es mich, daß Ihr Schiff noch nicht von einer Jolle versenkt wurde.“
Easton Terrys Gesicht war eine Maske des Hasses, aber er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. Wahrscheinlich hatte er sich gesagt, daß es hier im Wald sinnlos war, solche Gespräche zu führen. Das würde er später an geeigneterer Stelle ausführlich nachholen. Er nahm sich vor, Mister Killigrew seine Fehler begehen zu lassen und abzuwarten, was der Hof und Lord Cliveden zu dem Versager Killigrew zu sagen hatten.
Hasard wandte sich an seine Männer.
„Die Piraten waren etwa dreißig Mann“, sagte er. „Wir sind jetzt siebzehn, und das sollte genügen, um Ferris Tucker aus ihrer Gewalt zu befreien, auch wenn sie besser bewaffnet sind als wir. Es dürfte nicht schwer sein, ihren Spuren zu folgen.“ Er wandte sich an Terry. „Meine Männer werden mit mir vorausgehen, damit Sie nicht wieder behaupten können, mir sei das Leben Ihrer Leute weniger wert. Vielleicht hilft es Ihren Leuten auch, wenn sie sehen, wie die meinen kämpfen.“
Easton Terry setzte wieder sein abfälliges Lächeln auf. Ihn berührte es nicht, daß seine Männer sich beleidigt fühlten. Er wußte, daß er im Stolz des schwarzhaarigen Burschen eine Schwäche entdeckt hatte, und er war entschlossen, sie auszunutzen, wenn sich eine Gelegenheit dazu ergab.
Er hielt sich zurück und flüsterte mit Reeves, seinem Bootsmann, der heftig auf ihn einredete. Der schlanke, sehnige Mann warf seinem Kapitän vor, daß er die Beleidigungen so einfach hingenommen hätte, aber Terry winkte ab und sagte leise: „Das müssen Sie mir schon überlassen, Reeves. Für alles, was ich tue, habe ich meine Gründe. Sie sollten das inzwischen begriffen haben.“
Reeves preßte die Lippen zusammen und nickte. Dann blieb er mit den anderen zurück und wartete, bis die Männer von der „Hornet“ die Spuren der Piraten aufnahmen und sich einen Weg durch das Unterholz bahnten.
Jerry Reeves wechselte einen Blick mit Mulligan, und sie wußten, daß sie beide das gleiche dachten. Auch wenn dem Kapitän der „Hornet“ vielleicht ein Fehler unterlaufen war, so schien es ihnen doch, daß sein Verhältnis zu seinen Männern wesentlich kameradschaftlicher war als das Terrys zu ihnen.
Stumm stampften sie hinter Terry her, der immer wieder anhielt, wenn die erste Gruppe ausschwärmte, um nach Spuren zu suchen. Terry dachte nicht daran, selbst zu helfen oder seinen Männern zu befehlen, die Gruppe um Philip Hasard Killigrew zu unterstützen.
6.
Ferris Tucker fühlte sich, als hätte ihm jemand den Schädel mit einem Belegnagel von allen Seiten bearbeitet. Unter seinem Rotschopf hämmerte und brauste es wie in einer Zimmerei. Er versuchte, die Augen zu öffnen, schloß sie aber schnell wieder, denn was er sah, brachte ihn ganz durcheinander.
Die Welt um ihn herum schaukelte wie der Hintern einer der Damen, die neben der „Bloody Mary“ in Plymouth auf Kundschaft warteten. Die Leute, die auf dieser schaukelnden Erde spazierengingen, hatten nur Beine, keinen Körper.
Ferris bemühte sich, seine Gedanken einigermaßen zu ordnen. Er sagte sich, daß an seinem neuen Weltbild irgend etwas nicht stimmen konnte.
Sein Kopf wurde langsam klarer, das Hämmern ließ ein bißchen nach, aber dafür verlagerte sich der Schwerpunkt seines Unwohlseins in seine Magengegend. Jemand drückte permanent auf seinen Bauch. Versuchte man, seinen Magen leerzupumpen?
Er entschloß sich, die Augen abermals zu öffnen. Diesmal wollte er genau erkunden, was es mit seinem neuen Weltbild auf sich hatte.
Das Schaukeln ließ ihn schwindlig werden, dennoch behielt er die Augen offen und starrte an einer dunklen, haarigen Fläche vorbei auf die Beine, die in dreckige Lumpen und zerschlissene Sandalen gehüllt waren. Die meisten Waden waren nackt und steckten in gestreiften Hosen, die unterhalb des Knies endeten.
Er wollte die Hände heben, um an seinen Kopf zu fassen, aber es ging nicht. Er drehte den Kopf ein wenig, da sah er die Hände. Sie waren mit einem Lederriemen gebunden. Ein Kälberstrick führte von seinen Händen an der haarigen Fläche vorbei ins Nichts.
Er hörte einen klatschenden Laut, jemand brüllte „Iaah“, und dann begann ein Höllenritt, der ihm die ganzen Eingeweide durcheinanderbrachte.
Ferris Tucker brüllte. Er wußte jetzt, daß die Welt immer noch so war, wie er sie verlassen hatte. Die Schweinehunde hatten ihn auf den Rücken eines Esels gebunden und verschleppten ihn!
Der Esel blieb stehen, und Ferris brauchte eine Weile, bis er das Gefühl hatte, daß alles in seinem Körper wieder am richtigen Fleck war.
Eine Hand griff in sein rotes Haar und riß seinen Kopf mit einem Ruck hoch, daß er glaubte,